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Wie beschäftigt Künstler 25 Jahre nach dem Mauerfall, die Wiedervereinigung beider deutschen Staaten, welche Fragen über Freiheit und über die Grenzen der Freiheit treiben die Künstler um? Wie haben sich die Grenzen innerhalb Europas verschoben? Diese existenziellen Fragen stellt die Ausstellung. Wie kann Kunst sich hierzu positionieren? An der deutsch-deutschen Grenze sind mindestens 138 Menschen gestorben. Heute sterben Tausende Menschen an den Aussengrenzen Europas. Beide Aspekte thematisieren Künstler der Ausstellung in ergreifenden und bewegenden Kunstwerken.

Die Künstler des Calaca e.V. Mario Vázquez und María Magdalena González haben für ihre Perfomances, die sie im öffentlichen Raum aufführen, einen Schiffs-Container aus Leinwänden nachgebaut, der in der Galerie ROOT ausgestellt sein wird. In solchen Schiffscontainern harren Menschen eingesperrt während ihrer Fluchtversuche aus. Die Künstler von Calaca e.V. engagieren sich mit ihren Aktionen für Menschen, die ohne Pässe in Ländern leben und prangern die unmenschlichen Grenzbefestigungen zahlloser Staaten an, die Tausenden Menschen ihr Leben kosten, auch an den Aussengrenzen Europas.

Performance des Calaca e. V. »Invisibles – Menschen ohne Papiere« am Sonntag, 12.10.2014 um 15 Uhr, 16 Uhr, 17 Uhr

Jim Avignon ist mit einer 9 m langen und 3 m hohen Packpapierarbeit in der Ausstellung vertreten, die anlässlich der Filmaufnahmen des Filmes „Mission incognito: Jim Avignon“ in der Akademie für Malerei Berlin entstanden ist. Die Packpapierarbeit ist der Entwurf für das Bild, mit dem er letztes Jahr sein eigenes Bild auf der East Side Gallery Berlin übermalt und dafür viel Kritik geerntet hat. Die East Side Gallery Berlin bildete einen Teil der Grenze zwischen Ost- und West-Berlin. 101 großformatige Bilder direkt an die Mauer gemalt stehen für die Freude über den Mauerfall. Die East Side Gallery versteht sich als Denkmal für den Fall der Mauer und der friedlichen Überwindung von Grenzen und Konventionen zwischen Gesellschaften und Menschen.

Den Film zeigen wir am Montag, 29.9.2014 um 19.30 Uhr in der Galerie.

Ingeborg Rauss hat das Ziel, mit den Methoden der philosophischen Hinterfragung sowohl den visuell gesellschaftlichen Alltag als auch die Mannigfaltigkeit der Ordnungssysteme in eine eigene Form zu bringen. Ihre entindividualisierten Chiffren verweisen auf Strukturen, Relationen und Narrationen, die unsere Welt prägen. International lesbare Piktogramme und persönliche Bildkürzel dienen ihr als Ausdrucksmittel. Speziell für diese Ausstellung sind vor dem Hintergrund ihres Konzeptes neue Bilder entstanden

Birgit Ginkel gibt in ihrer Porträtserie „Mauertote“ jedem Verstorbenen ein Gesicht. Akribisch hat sie zu den 138 Verstorbenen recherchiert und Fotos ausfindig gemacht, nach denen sie ihre Porträts erarbeitet hat. Ziel ist es alle 138 Mauertoten zu porträtieren, alle im Format 40 x 40 cm. Ihr künstlerischer Ansatz ist es durch die Mittel der Kunst erlittenes Leid durch Achtsamkeit, die in ihrer Kunst zum Ausdruck kommt, zu lindern und durch Kunst zu befrieden. Sie arbeitet mit besonderen Materialien wie Lapislazuli, Bergkristall, Blattgold, besonderen Blütenessenzen, die sie ihren Farben und auch schon ihren Bildgrundierungen beimischt, mit der Absicht, dass sie ihre besonderen Wirkungen in dem Kunstwerk und auf den Betrachter entfalten sollen. So mischt sie in die Bilder der Mauertoten immer auch zerstossenen Beton der Berliner Mauer als Ort des Unglücks, der auch Jahrzehnte später in seiner unseligen Wirkung befriedet werden soll, durch Beigaben von Blattgold und Orangencalcit.

Boris Ivandic hat für seine Rauminstallation ein Stück der Berliner Mauer rekonstruiert. Ihn interessiert dabei die westliche und bunte Seite der ehemaligen Berliner Mauer als ein öffentlicher und anarchistischer Bildträger, dem sich Menschen mittels bildnerischer Botschaften bemächtigt haben und der kargen, trostlosen und tödlichen Ostseite der Berliner Mauer. Der Unterschied der Berliner Mauer, implizit einem nachgebauten Mauerstück, zur Leinwand hinsichtlich der Aussage ein und desselben Bildmotivs ist für ihn Teil seiner Auseinandersetzung. 1951 in Bosnien-Herzegovina geboren, studierte Ivandic Kunst und Philosophie in Zagreb und an Ljubljanas Kunstakademie. Nach zehn Jahren in Paris zog er 1992 nach Berlin. Bei Cornelissen stellte Ivandic zwischen Schauen in Europa, Chicago, Shanghai, Nanjing und Peking bereits 2001 aus. Die trotz immenser Fülle und Dynamik harmonischen Gemälde, auf denen sich die Farbe auch eruptiv zu Reliefs bäumt, verbinden Abstraktes mit Figurativem wie einem Akt Ivandics, einer Zeichnung der Bundeskanzlerin, Tieren, Pflanzen und Fantasiewesen.

Erich Reischke ist Bildhauer. Seine Skulpturen auf dem Skulpturenfeld vom Bildhauersymposium 1961-1962 im Tiergarten vor dem Bundeskanzleramt und neben dem Tipizelt dürften vielen Berlinern sehr bekannt sein, sind sie dort inzwischen eine Art Selbstverständlichkeit . Die Skulpturen entstanden während eines Bildhauer-Symposiums, das junge aufstrebende Bildhauer in Berlin, darunter Erich Reischke, aus Protest zum Bau der Berliner Mauer organisiert haben. Im August 1961 fanden sie sich auf diesem, damals durch die Sektorengrenze eher abgelegenen Platz ein um einige Monate, durch ihre bildhauerische Arbeit direkt an der Grenze zwischen Ost und West ihre Antwort der Freiheit auf die Maßnahme der Unfreiheit in Stein zu hauen. Sie wählten den Zeitpunkt und den Ort bewusst um ein Zeichen für die Freiheit zu setzen. In ca. 8 Monaten entstanden diese Skulpturen, die heute noch als Zeitzeugen dieser historischen Situation zu besichtigen sind. Dort wo die Bildhauer an ihren Steinen gearbeitet haben, stehen sie noch heute, 50 Jahre später. Auf einigen Skulpturen, die unter Bäumen stehen, wachsen Moose. Die Stele von Erich Reischke ist dem Bundeskanzleramt am nächsten. Sie steht ein wenig abgesondert von der anderen Skulpturengruppe, unter freiem Himmel. Der Stein ist deshalb in einem guten Zustand. Heute ist die politische Situation eine vollkommen andere. Die Stele steht immer noch einem historischen wichtigen Ort. Die jungen Bildhauer hatten damals ein untrügliches Gespür für einen historischen wichtigen Ort, der dennoch immer einen Tick im Abseits lag, so dass sie trotz mehrfacher Gefährdung in den letzten Jahrzehnten immer noch an Ort und Stelle stehen. Die Steine gehören den Bildhauern, die Stadt hatte sie damals nicht angekauft und es bis heute nicht getan. Inzwischen sind alle Bildhauer gestorben. Der gerade 83 Jahre alt gewordene Erich Reischke ist der einzige Überlebende der Gruppe. Er erholt sich derzeit von den Folgen eines Schlaganfalles, den er Anfang des Jahres erlitten hat. In der Ausstellung sind die Skulptur-Entwürfe zu den Berlinern und anderen Skulpturen ausgestellt.

Der Berliner Aktionskünstler Ben Wagin hat schon mehrere Gedenkorte für die Berliner Mauer errichtet. So präsentierte er am 9. November 1990, also genau ein Jahr nach dem Mauerfall, im Regierungsviertel das viel beachtete “Parlament der Bäume”. In einer neuen Aktion, welche am 06. März 2014 vor dem Brandenburger Tor zu sehen war, baute der Künstler die Mauer mit Aktenordnern nach und visualisierte so den ehemaligen Grenzverlauf. Wagin möchte mit seiner Arbeit darauf aufmerksam machen, dass die tödliche Mauer zunächst nur als Idee in den Aktenordnern der Planer entstand. Die vollständige Installation anlässlich des 25. Jahrestages des Mauerfalls wird im Gedenkraum der Bundestagsbibliothek sowie im Haus der Europäischen Kommission in Brüssel besichtigt werden können.