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Der Titel der Ausstellung zitiert nicht nur das berühmte, 1844 entstandene Gedicht von Heinrich Heine, sondern nimmt auch Bezug auf ein verschollenes Grosz-Hauptwerk von 1918, über das es kurze Zeit später in der ersten Grosz-Monographie von Willi Wolfradt heißt: »… jene futuristische Melange von Bordell, Fabrik, guter Stube, Kirche und Kaserne, patronisiert von einem biederen Reserveoffizier bei Bier, Braten und Lokalanzeiger, und unten jene Heiligentypen der Zeit: Pfaffe mit Brevier, General mit Stern, Professor mit schwarzweißrot bebänderten Bakel und – natürlich! – seinen Goethe in der Hand …«. Zu dem Gemälde ist im vorigen Jahr eine bedeutende Vorstudie in Aquarell aufgetaucht, in der alle Hauptmotive bereits angelegt sind und die nun erstmals in einem Museum der Öffentlichkeit vorgestellt wird. Wie Heine geht es auch Grosz um die Entlarvung des anachronistischen Gesellschaftssystems in Deutschland, um die Demaskierung des kleinbürgerlichen Egoismus, um die Überwindung überkommener Werte und geistiger Unmündigkeit.

Berlin – New York – Berlin

Anfang 1933 – noch vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten – emigrierte George Grosz in die USA. Neben seiner Lehrtätigkeit an der »Art Students League« in New York entstanden weiterhin sozialkritische Zeichnungen, Buchillustrationen und Aktbilder, jedoch kamen zunehmend Werke mit apokalyptischen Themen hinzu, die das Grauen des bevorstehenden Zweiten Weltkrieges vorwegnehmen und unter dem Eindruck der Atombombenabwürfe pessimistisch eine hoffnungslose und sinnentleerte Existenz prophezeien. Schon vor seiner Zeit in Amerika hatte er sich als Realist bezeichnet und desillusioniert zugegeben: »Immer gleicht mein kritisches Beobachten einer Frage nach Sinn, Zweck und Ziel … aber selten gibt es eine befriedigende Antwort. So setze ich mein graphisches Zeichen dafür. Nüchtern und ohne Geheimnis!«

Ab 1951 bereiste er mehrmals Europa und kehrte 1959 endgültig nach Berlin zurück, wo er nach nur wenigen Wochen im Juli verstarb. Die Ambivalenz seiner Gefühle, sein Hin- und Hergerissensein zwischen den beiden Metropolen, zwischen den beiden Nationen und ihren Sprachen, aber auch sein Spott gegenüber dem unausweichlichen Tod kommt in einer Tagebuchnotiz aus dieser Zeit souverän um Ausdruck: »… der Boneman klopfte an – Niemand home – so long Sir – so he went away«.

Zeichnungen, Aquarelle und Collagen

Die Ausstellung legt den Schwerpunkt auf drei bedeutende Bereiche des Schaffens von George Grosz – auf seine Zeichnungen, Aquarelle und Collagen. Die hochkarätige Auswahl von nahezu 80 Werken, darunter bislang noch nie gezeigte oder publizierte Arbeiten, überspannt fünf Jahrzehnte. Als Retrospektive präsentiert sie die eindrucksvolle Vielfalt an Themen vom Beginn seiner künstlerischen Laufbahn bis in die späten Jahre. Dazu gehören die Auseinandersetzung mit dem politischen Geschehen seiner Zeit, die vehemente Kritik an Bürgertum, Kirche und Militär als den »Stützen der Gesellschaft«, die Faszination für die Metropolen Berlin und New York und die Offenlegung der triebhaften Facetten des Menschen. Nach dem Tod von George Grosz fasste der Schriftsteller Henry Miller in seinem Vorwort zur amerikanischen Ausgabe von »Ecce homo« die besondere Bedeutung der Zeichnungen und Aquarelle zusammen, eine Charakterisierung, die sich auch auf die Collagen des Künstlers übertragen lässt: »Durch all die Jahre hindurch sind diese Zeugnisse der Verzweiflung, des Hasses und der Enttäuschung, wie sie Grosz selbst nannte, wie in meinem Kopf eingebrannt geblieben. Ich kenne nichts in unserer Zeit oder aus anderen Zeiten, dass damit vergleichbar wäre. Sie sind so nackt und hässlich, so schön und ausdrucksstark wie die Wahrheit selbst.«

Ausstellung in Zusammenarbeit mit dem Nachlass George Grosz. Gastkurator: Ralph Jentsch, Rom.

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George Grosz
Deutschland, ein Wintermärchen
Aquarelle, Zeichnungen, Collagen 1908-1958
Kurator: Ralph Jentsch

Stationen:
11.09.11 - 18.12.11 Max Ernst Museum Brühl
17.02.12 - 18.05.12 Stiftung Ahlers Pro Arte / Kestner Pro Arte, Hannover