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Ziegelsteine, Dachlatten, Topflappen, Unterhosen und Knöpfe – die Materialien des 1947 in Jena geborenen DocumentaIX-Teilnehmers Georg Herold haben nichts mehr mit der Aura einer hehren und unerreichbaren Kunst im Sinn. Mit seinen handfest-hintersinnigen Installationen, Bildern und Objekten entwickelt Herold seit den 1980er Jahren ein ebenso eigenständiges wie international einflussreiches Werk. Mit über hundert Exponaten bietet die in Zusammenarbeit mit der Kunsthalle Baden-Baden entwickelte Schau nun erstmals die Möglichkeit zu einem großen Gesamtüberblick – für den Kunstverein Hannover noch einmal wesentlich erweitert um Herolds Videoarbeiten und eine breite Auswahl seiner berühmten Kaviarbilder.

Georg Herold zählt zu den wichtigsten und folgenreichsten deutschen Künstlern der letzten zwei Jahrzehnte. Radikal und sarkastisch stellte der Polke-Schüler Anfang der 1980er Jahre mit Martin Kippenberger und Albert Oehlen als Mitglied der Gruppe „Mülheimer Freiheit“ den Kunstbetrieb in Frage. Was als Provokation begann, hat sich mittlerweile zu einem der schlüssigsten Werkzusammenhänge innerhalb der deutschen Gegenwartskunst entwickelt. Neben Malerei, Skulptur, Installation und Objekten gehören zu Herolds künstlerischer Produktion auch Videoarbeiten – von denen ein großes Konvolut als ein Schwerpunkt der hannoverschen Präsentation im Kunstverein zu sehen sind. In Hannover präsentiert Herold auch seine mit echtem Kaviar „gemalten“ Bilder aus den 1990er Jahren.

Skeptisch schaut Georg Herold auf das Leben und seine Absurdität. Sein Werk spiegelt den grundlegenden Konflikt der menschlichen Wahrnehmung wider – die Unvereinbarkeit von Gesehenem und Gesprochenem. Den beeindruckenden Mittelpunkt seiner Arbeit bildet daher die Suche nach Übersetzungsmöglichkeiten des Sprachlichen in das Bildhafte und Skulpturale. Wie verwandle ich, so scheint die Frage in vielen dieser Werke zu sein, vordergründig kaum durchschaubare, hochkomplizierte Themen in ein möglichst einfaches Bild, das dennoch eine ganz eigene Komplexität und Schönheit besitzt. In diesem Sinne übersetzt Herold beispielsweise die Chaostheorie in ein ornamentales Wollstrickbild, das mit Bindfäden in einem rohen Lattenrahmen verspannt ist (“Mandelbrot – Fragen Sie mal meine Mutter!”, 1993). Damit reagiert der Künstler einerseits auf den Erklärungsversuch eines Wissenschaftlers, der die Struktur des Chaos mit der Art und Weise vergleicht, wie eine Hausfrau Topflappen häkelt, und liefert andererseits ein wunderbar einprägsames Bild für das chaostheoretische Phänomen der Selbstähnlichkeit. In dem beiläufigen Charakter der Arbeiten Herolds spiegelt sich eine künstlerische Überzeugung, die auf kalkulierte Unfertigkeit als Strategie gegen einen Mythos des Meisterwerks setzt. So nimmt der Künstler gleichermaßen kritisch wie ironisch zu Gesellschaft und Politik Stellung, ebenso wie zur Kunst der Moderne und Postmoderne.

Die Ausstellung ist in Kooperation mit der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden entstanden und wird im Anschluss im Museum Moderner Kunst Kärnten, Klagenfurt (16. Juni 2005 bis 28. August 2005) gezeigt. Begleitend erscheint eine umfangreiche und reich illustrierte Werkmonografie im Kölner Snoeck Verlag, sowie zwei Editionen, die der Künstler exklusiv für den Kunstverein Hannover anfertigt.

Katalog: GEORG HEROLD: WHAT A LIFE Hrsg. von Matthias Winzen, Snoeck Verlag, Köln. 376 Seiten mit ca. 450 farbigen und 250 S/W-Abb. Hardcover, ISBN 3-936859-21-3 Der Katalog gibt erstmalig einen Überblick über das Gesamtwerk. Beiträge von Nicole Fritz, Rudi Fuchs, Friedrich Heubach, Reiner Speck, Carmela Thiele und Matthias Winzen beleuchten das Werk Herolds aus der Sicht enger Wegbegleiter, befassen sich mit der Funktion von Witz und Verblüffung als „Geburtshelfer klaren Denkens“ und kontextualisieren es aus kunsthistorischer Perspektive in seiner Künstlergeneration sowie in Abgrenzung zu Joseph Beuys.

Pressetext

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Georg Herold
Kooperation Staatliche Kunsthalle Baden-Baden

Stationen:
05.03.05 - 09.04.05 Kunsthalle Baden-Baden
16.04.05 - 29.05.05 Kunstverein Hannover
16.06.05 - 28.08.05 Museum Moderner Kunst Kärnten, Klagenfurt