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Im Jahr 2016 feiern wir den 100. Geburtstag von Dada, einer der wichtigsten Kunstbewegungen des 20. Jahrhunderts. Inmitten der Wirren des Ersten Weltkrieges kamen Künstler und Intellektuelle aus ganz Europa in der neutralen Schweiz zusammen. Eine Gruppe internationaler Künstler um Hugo Ball, Emmy Hennings und Hans Arp gründete in Zürich im Februar 1916 das »Cabaret Voltaire«. In der legendären Künstlerkneipe persiflierten sie allabendlich mit Lautgedichten, Kunst, Tanz und Theater bestehende Konventionen und zelebrierten das Unlogische, Absurde, Banale und Zufällige: Dada war geboren. In radikalem, anti-künstlerischem Gestus wandte man sich gegen den traditionellen Kunstbegriff und attackierte damit zugleich den »guten Geschmack« und die geltenden bürgerlichen Werte. Jenseits bloßer Provokation bargen die betont un-sinnigen Äußerungen dabei eine Kritik an der Gesellschaft, die Nationalismus und Krieg hervorgebracht hatte.

Im »Cabaret Voltaire« schlossen sich zahlreiche Künstler, Bohemiens und Intellektuelle dem Kreis der Dadaisten an, unter ihnen auch Hans Arps spätere Frau Sophie Taeuber. Nach der zwischenzeitlichen Schließung des Cabarets eröffnete man 1917 die »Galerie Dada« im nahe gelegenen Sprüngli-Haus. Auch hier fanden die berühmten Dada-Soireen statt, dennoch wich der Kneipen- Charakter dem einer professionellen, kommerziellen Galerie. In insgesamt vier Ausstellungen präsentierten sich die Dadaisten hier mit namhaften, modernen Künstlern wie Pablo Picasso, Giorgio de Chirico, Amedeo Modigliani, Wassily Kandinsky oder Paul Klee. Im Kontext der internationalen Avantgarde trieben sie so die Wahrnehmung Dadas als ernstzunehmende Kunstbewegung voran. Begleitet von Manifesten und Publikationen, verbreiteten sich ihre Ideen schnell über die Grenzen der Schweiz hinaus. Von 1917 bis 1922 bildeten sich Zentren in Berlin, Köln, Hannover, Paris und New York.

Die Ausstellung »Genese Dada« fokussiert die Entstehungsphase in Zürich 1916/17 und lässt dabei die Atmosphäre der Zeit wieder aufleben. Als kunsthistorisches wie gesellschaftliches Phänomen ist der Dadaismus nicht zu trennen vom geistesgeschichtlichen Hintergrund der Zeit. Die Ablösung der Belle Epoque durch die Moderne, der Erste Weltkrieg, die fortschreitende Industrialisierung, Lebensreform und Psychoanalyse, der Sozialismus – dies sind nur einige Aspekte, die den Zeitgeist Europas zu Beginn des20. Jahrhunderts prägten. Sie werden in vielfältigen Themenfeldern, wie zum Beispiel »Psyche«, »Revolte«, »Sprache und Tanz«, aufgegriffen, die mit zahlreichen Dokumenten inhaltlich wie räumlich die Kulisse der Ausstellung bilden. Sie gruppieren sich um den Kern der Schau: In zwei Ausstellungskuben werden die beiden Ursprungsorte – das anarchische »Cabaret Voltaire«, gefolgt von der bürgerlichen »Galerie Dada« – mittels innenarchitektonischer und multi-medialer Installationen sowie vielen der damals ausgestellten Werke reinszeniert. Sie veranschaulichen die Doppelnatur Dadas zwischen anti-bürgerlicher, anti-künstlerischer Revolution und etablierter Kunstbewegung, die sich selbst in der Kunstgeschichte positioniert.

Rückblickend gilt Dada als revolutionär und wegweisend und hat bis heute nicht an Aktualität verloren. In ihrem gesellschaftskritischen Engagement überwanden die Dadaisten zugleich die Grenzen zwischen Poesie, Ausdruckstanz, Theater und Bildender Kunst. Sie verweigerten jegliche Lesbarkeit ihrer Äußerungen und erweiterten den klassischen Kunstbegriff, indem sie Alltagsgegenstände,

»primitive« Kultobjekte oder zufallsgeleitete Kompositionen gleichwertig einbezogen. In geistiger Nähe zu Marcel Duchamp, der Russischen Avantgarde oder den Surrealisten stand Dada Pate für spätere Entwicklungen wie Performance und Happening, Konzeptkunst, Fluxus oder die konkrete Poesie.