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Eröffnung: 28.2.2008, 19.00 Uhr

Mathematik beherrscht unseren Alltag: Wir sind umgeben von Zahlen, Berechnungen, Statistiken, Hochrechnungen und geometrischen Konstruktionen, die unsere Welt strukturieren.

Genau und anders geht der Frage nach, welche Auswirkungen die Beschäftigung mit mathematischen Phänomenen und Formen auf die Kunst des 20. Jahrhunderts gehabt hat und sucht nach Analogien und Unterschieden zu früheren Jahrhunderten. Mehr als 300 Werke von 120 Künstlerinnen und Künstlern demonstrieren, wie mathematische Fragestellungen die Kunst des 20.Jahrhunderts mit beeinflusst haben. Die Ausstellung zeigt jedoch auch wie die künstlerische Freiheit mathematische und geometrische Systeme überwindet und andere Formen der Erkenntnis anstrebt.

Mit der Wiederentdeckung der Zentralperspektive in der Renaissance wird die Beziehung zwischen Kunst und Mathematik nach der Antike wieder besonders eng. Im 15. Jahrhundert veröffentlichen Künstler und Kunsttheoretiker in Italien Künstlerbücher über die Konstruktion des Bildraumes und geometrischer Körper. Albrecht Dürer - Künstler und Mathematiker in einer Person - bringt nach seiner Italienreise die neuen Verfahren in den mitteleuropäischen Raum. Sein 1514 entstandenes Blatt „Melencolia I“, das bis heute in mancherlei Hinsicht rätselhaft ist, enthält nicht nur einen gewaltigen Polyeder und einen Stechzirkel, sondern auch ein „Magisches Quadrat“, dessen Diagonalen, Spalten und Zeilen immer die Summe 34 ergeben.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts ist es dann gerade die Abkehr von der Zentralperspektive, die die Künstler verstärkt die Nähe zur Mathematik suchen lässt. Vor allem die Konstruktion nichteuklidischer Geometrien, die Beschreibung höherdimensionaler Räume in der Mathematik und in der Physik sowie das Konzept der gekrümmten Räume in Einsteins Relativitätstheorie lassen die tradierte Vorstellung des zentralperspektivisch organisierten Bildraumes zu einem Anachronismus werden. Die Künstler - etwa Juan Gris, Henri Laurens oder Giacomo Balla - reagieren auf den Paradigmenwechsel mit der simultanen Darstellung mehrerer Sichtweisen im Kubismus, der Zerlegung der Wirklichkeit in geometrische Bausteine sowie der Gleichzeitigkeit verschiedener Bewegungsphasen im Futurismus. Die damit verbundene Abstraktion und Loslösung von der äußeren Wirklichkeit kulminiert in der konkreten Kunst, deren Protagonisten wie Theo van Doesburg, Georges Vantongerloo oder Max Bill sich für die ausschließliche Verwendung reiner Kunstformen aussprechen. In der Mathematik finden sie das geeignete Repertoire und die Betrachtungsweisen für die Erfüllung dieser Forderung.

Angefangen mit Kasimir Malewitsch wird das Quadrat als absolute Form immer wieder zum Bildthema im 20. Jahrhundert. Zahlreiche Künstler, von Paul Klee bis Herbert Bayer, von Samuel Beckett bis Bruce Nauman, von Heinz Gappmayr bis Peter Weibel, hat diese einfache Form zu Kommentaren inspiriert.

Auch Marcel Duchamp, Man Ray und die Surrealisten wie etwa Max Ernst beschäftigen sich mit den Naturwissenschaften und der Mathematik, insbesondere mit den Gedanken des Mathematikers Henri Poincaré. Die von ihnen entdeckten Demonstrationsmodelle in den Sammlungen der mathematischen Institute, wirkten dann auch auf Konstruktivisten wie Naum Gabo und Antoine Pevsner anregend.

Die Annäherung zwischen Kunst und Mathematik verstärkt sich in den 1960er-Jahren erneut. Carl Andre, Donald Judd oder Sol LeWitt verwenden in ihren formal stark reduzierten, häufig systematischen und seriellen Arbeiten einfache geometrische Primärstrukturen. Ruth Vollmer setzt sich mit geometrischen Gebilden und mathematischen Modellen auseinander. Die Visualisierung arithmetischer Systeme rückt die Arbeiten von Sol LeWitt und Hanne Darboven auch in die Nähe von Algorithmen, und interessanterweise entsteht zeitgleich die frühe Computerkunst. Zur Ausstellung erscheint ein umfangreicher Katalog mit Beiträgen von Dieter Bogner, Wolfgang Drechsler, Michael Rottmann, Peter Schreiber, Rudolf Taschner und Gabriele Werner.

Das Vermittlungsprogramm wird durch Themenführungen ergänzt, die von den Kuratoren der Ausstellung und Rudolf Taschner durchgeführt werden.

Kurator Wolfgang Drechsler in Zusammenarbeit mit Gabriele Werner und Dieter Bogner Ausstellungsproduktion Ulrike Todoroff

Vertretene Künstler Josef Albers, Jost Amann, Carl Andre, Max Bill, Hanne Darboven, Theo van Doesburg, Marcel Duchamp, Albrecht Dürer, Max Ernst, Herbert W. Franke, Naum Gabo, Heinz Gappmayr, Raoul Hausmann, Johannes Itten, Donald Judd, On Kawara, Paul Klee, Brigitte Kowanz, Fernand Léger, Sol LeWitt, Mario Merz, László Moholy-Nagy, Piet Mondrian, Bruce Nauman, Roman Opalka, Michelangelo Pistoletto, Arnulf Rainer, Ad Reinhardt, Kurt Schwitters, Georges Vantongerloo, Ruth Vollmer, Peter Weibel …

Ausstellungskatalog Genau und anders. Mathematik in der Kunst von Dürer bis Sol LeWitt mit Beiträgen von Dieter Bogner, Wolfgang Drechsler, Michael Rottmann, Peter Schreiber, Rudolf Taschner und Gabriele Werner 160 Seiten, 170 Abbildungen ISBN-13: 978-3-902490-41-4

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Genau und Anders
Mathematik in der Kunst von Dürer bis Sol LeWitt
Kurator: Wolfgang Drechsler

mit Marc Adrian, Josef Albers, Jost Amman, Carl Andre, Hans Arp, Giacomo Balla, Herbert Bayer, Samuel Beckett, Rudolf Belling, Max Bill, Mel Bochner, Alighiero e Boetti, Georges Braque, Stanley Brouwn, Giorgio De Chirico, Hanne Darboven, Walter Dexel, Theo van Doesburg, Marcel Duchamp, Raymond Duchamp-Villon, Albrecht Dürer, Max Ernst, Herbert W. Franke, Naum Gabo, Heinz Gappmayr, Dan Graham, Juan Gris, Hans Haacke, Raoul Hausmann, Irwin  Johannes Itten, Donald Judd, Wassily Kandinsky, On Kawara, Paul Klee, Stanislav Kolibal, Brigitte Kowanz, Henri Laurens, Fernand Léger, Sol Le Witt, Jacques Lipchitz, El Lissitzky, Richard Paul Lohse, Kasimir Malewitsch, Mario Merz, László Moholy-Nagy, Piet Mondrian, François Morellet, Bruce Nauman, Roman Opalka, Amedee Ozenfant, Claudio Parmiggiani, Antoine Pevsner, Michelangelo Pistoletto, Wolfgang Plöger, Heinz-Günter Prager, Arnulf Rainer, Ad Reinhardt, Hans Richter, Gerhard Rühm, Oskar Schlemmer, Rudolf Schwarzkogler, Kurt Schwitters, Esther Stocker, Hiroshi Sugimoto, Sophie Taeuber-Arp, Georges Vantongerloo, Ruth Vollmer, Friedrich Vordemberge-Gildewart, Peter Weibel, Lawrence Weiner ...