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Im Rahmen der Feiern zum hundertjährigen Jubiläum des futuristischen Manifests ist FUTURISMO 100 das große Event unter der Schirmherrschaft des italienischen Kulturministeriums, im Rahmen dessen 2009 drei große Ausstellungen präsentiert werden.

Den Auftakt zu FUTURISMUS 100 bildet die Ausstellung „Illuminationen. Avantgarden im Vergleich. Italien - Deutschland – Russland“ im Mart Rovereto (17. Januar -7. Juni 2009). Danach folgt Astrazioni im Museo Correr in Venedig (5. Juni – 4. Oktober 2009) und zum Abschluss Simultaneità (15. Oktober 2009 – 25. Januar 2010) im Palazzo Reale in Mailand.

Das von Ester Coen kuratierte Projekt ist die bedeutendste italienische Initiative der Hundertjahrfeiern. In drei Ausstellungen wird der Futurismus, die künstlerische Avantgarde, deren Beziehungen zu den kühnsten experimentellen Bewegungen Europas zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch nicht eingehend analysiert wurden, unter einem neuen Licht dargestellt.

Die komplexe Verflechtung neuer Visionen, Techniken und revolutionärer Sprachen, die ungeachtet der geografischen Grenzen die beiden ersten Jahrzehnte des vergangenen Jahrhunderts prägte, wird durch den Dialog zwischen den Ausstellungen veranschaulicht, die in Städten stattfinden, deren Geschichte im positiven oder negativen Sinne eng mit der Futurismus-Bewegung verbunden ist: Rovereto, Venedig und Mailand.

DIE AUSSTELLUNG

Die Ausstellung im Mart Rovereto mit dem Titel „Illuminationen. Avantgarden im Vergleich. Italien - Deutschland – Russland.“ (17. Januar – 7. Juni 2009) untersucht die komplexen und oft wenig bekannten Verbindungen zwischen den Futuristen und den wichtigsten Vertretern der russischen und deutschen Avantgarden. Einerseits werden die Beziehungen zu den Künstlern des „Sturms“ wie Marc Chagall, Wassily Kandinsky, Paul Klee, August Macke und Franz Marc analysiert, die den engen Bezug zum Land des Expressionismus aufzeigen.

Andererseits bildet die legendäre Russlandreise von Marinetti aus dem Jahr 1914 – von der das Mart anlässlich der Ausstellung den ersten noch unveröffentlichten Bericht des kürzlich verstorbenen Moskauer Kunstgeschichtlers Vladimir Lapšin veröffentlicht – den roten Faden zur Analyse der Beziehungen zu den russischen kubistisch-futuristischen Malern. So werden die grundlegenden und weitreichenden Verflechtungen zwischen Rom, Paris und Moskau, zwischen futuristischen Malern und russischen Künstlern wie Michail Larionov, Alexandra Exter, Natalija Gontscharowa, Olga Rozanova und vielen anderen verdeutlicht.

Rovereto ist die Stadt, die aufgrund ihrer Geschichte und geografischen Lage den Kreuzpunkt künstlerischer Konzeptionen und Ideologien verkörpert, die über die leuchtende, strenge Konstruktionslogik des Kubismus hinaus auf der Nord-Ost-Achse mit dem Futurismus zusammentrafen.

Die Ausstellung betrachtet fünf Phasen, die in fünf verschiedenen Bereichen gezeigt werden und auch im Katalog in dieser Form Ausdruck finden. Sie stellen zum ersten Mal einen anderen Futurismus dar, der weit lebendiger ist als die normalerweise gelehrte und allgemein bekannte offizielle Anschauungsweise.

Die erstaunliche Geschichte dieser Bewegung wird anhand der Orte nachvollzogen, an denen sich die Poetik und das künstlerische Leben des Futurismus entfalteten, der dank des Aktionismus der Manifeste rasch um sich griff, in einer dynamischen und der Vielfalt Rechnung tragenden Vision, die die internationalen Hauptstädte der Kunst jener Jahre berührt: Paris, Berlin, Moskau, Rom und New York. In Paris, der Stadt, in der der junge Marinetti bis Ende des 19. Jahrhunderts als vielversprechender Intellektueller und Dichter lebte, wird im Centre Pompidou eine Ausstellung gezeigt, die das Zentrum und das Wachstum der Bewegung bis 1912 veranschaulicht. Aus diesem Grund befasst sich das Mart mit der direkt darauf folgenden Phase und konzentriert sich zunächst auf Rovereto als erste Etappe eines neuen Wegs, der durch die außergewöhnliche Sammlung von Archivmaterial von Gino Severini und Carlo Carrà im Besitz des Mart veranschaulicht wird. Briefwechsel, Plakate, Kataloge, Bücher und Fotos aus damaliger Zeit begleiten den Besucher auf einen künstlerischen Weg, der durch diese bedeutsamen Dokumente bereichert und erläutert wird. Die Komplexität dieser historischen und kulturellen Phase, mit Marinetti und seinen Malern einerseits und Walden und den Künstlern des „Sturms“ andererseits, tritt durch diese Darstellung deutlicher in Erscheinung. Endlich kommen auch die politischen und kulturellen Wechselbeziehungen der historischen Avantgarden an die Oberfläche, von der großen Ausstellung der futuristischen Künstler 1912 in Berlin über die Polemik und die Debatten, die darauf folgten und die Achse der kulturellen Bündnisse verlagerten. Ab diesem Zeitpunkt verbündet sich Deutschland mit Frankreich.

In der Ausstellung sind wichtige sprachliche Einflüsse, Kontaminationen und Verbindungen zwischen Futurismus, Kubismus und Expressionismus zu erkennen. Chagall ist mit einem bemerkenswerten Übergangsgemälde vertreten, das im Besitz des Centre Pompidou in Paris steht und die stilistischen Verbindungen zu Boccioni herausstreicht, von dem „Dinamismo di un corpo umano“ und „Dinamismo spiralico“ aus dem Jahr 1913 zu sehen sind. Im gleichen Bereich werden die spiritualistischen Erfahrungen Kandinskys mit den Theorien des „Gemütszustandes“ von Boccioni in Zusammenhang gestellt. Darauf folgt Severini, eine zentrale Figur für die Verbindungen zu Frankreich, Deutschland und den USA. Dieser von Franz Marc hoch geschätzte Maler ist mit einer wunderschönen Serie von Gemälden zum Thema Tanz vertreten. Die durch das Licht fragmentierte Farbe oder die Erfahrungen mit andersartigen Materialien und Techniken wird durch seltene Werke von Schwitters, Ernst und Feininger hervorgehoben, die die Ausstellung der Futuristen besuchten und direkt oder indirekt von diesem neuen, dynamischen Stil beeinflusst wurden.

Danach führt der Weg nach Moskau, wo die tiefgreifenden intellektuellen Hintergründe von Marinettis Russlandreise im Jahr 1914 ergründet werden: die unbändige Lust des „Koffeins Europas“, neue Gebiete zur Erforschung oder zum Austausch aufzudecken und neu zu erfinden. Dieser Reichtum an Ideen wird durch die außergewöhnlichen Kompositionen der russischen Künstler dieser Zeit veranschaulicht, von dem archaischen, orientalischen Universum eines Kandinsky bis zur Klarheit der Vision von Malewitsch („Dame und Klavier“, 1913, Krasnojarsk, Kunstmuseum von Krasnojarsk „V.I. Surikov“) und zum Energieausbruch der Konstruktionen von Natalija Gontscharowa („Der Wald“, 1913, Edinburgh, Scottish National Gallery of Modern Art), Alexandra Exter („Ville synthétique“, 1914, Moskau, Sammlung T.O. Manašerov), Olga Rozanova oder Larionov („Rayonist Lilies“, 1912-1913, Ufa, Staatliches Kunstmuseum Baškirija „M.V. Nesterov“). In den Bildern der russischen Maler scheint die Stadt genauso wie in den Gemälden der italienischen Futuristen in farbenfrohen Lichtern und herausragenden linearen Überschneidungen zu explodieren.

Von Moskau geht die Reise dann zurück nach Italien, und zwar nach Rom und Florenz, wo Papini und Soffici, der bereits seit den ersten Jahren des Jahrhunderts in Paris lebte, die wichtigsten literarischen Persönlichkeiten sind. Hier wird sofort Tuchfühlung zur Welt der Avantgarde aufgenommen. In den Jahren 1913 und 1914 findet die intellektuelle Debatte um den Futurismus, die auch auf die Politik eingeht, ihren Mittelpunkt in der Zeitschrift „Lacerba“. Auch Rom wird mit der Galleria di Sprovieri, in der die russischen Künstler zum ersten Mal gemeinsam mit den Futuristen ausgestellt werden, zu einem wichtigen Standort.

Die letzte Etappe dieses Wegs ist New York. Hier findet der Besucher Severini wieder, der ihm seine Beziehungen zu Stieglitz und der wichtigen Galerie „291“ erläutert, dem Brennpunkt der Arbeit der internationalen Avantgarde jener Jahre, die stark von der Ausstellung Armory Show aus dem Jahr 1913 geprägt ist. Bei Stieglitz stellt Severini 1917 aus; viele seiner Kunstwerke verbleiben in der Kollektion des berühmten Galeristen, der sie später dem Metropolitan Museum New York schenkt. Eine der herausragenden Leihgaben dieser Ausstellung ist ein bedeutendes Gemälde, das auch ein Symbol ihrer Freundschaft ist: „Danseuse = Hélice = Mer“, 1915, aus dem berühmten New Yorker Museum.

Eine vielseitige und lichtdurchflutete Reise durch das faszinierende Labyrinth der Wechselbeziehungen und des intellektuellen Austausches, belebt durch die Energie, die simultan aus Worten und Gemälden, aus dem Ausstellungskatalog und aus den Räumen des Mart fließt. Dank einer flächendeckenden und zielgerichteten Suche werden Kunstwerke aus Museen der russischen Provinz, die gemeinsam mit den großen internationalen Institutionen dieses große Ausstellungsevent ermöglicht haben, zum ersten Mal in Italien gezeigt.

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Futurismo 100: Illuminations. Avant-gardes compared. Italy, Germany, Russia
Kurator: Ester Coen

Künstler: Umberto Boccioni, Carlo Carrà, Marc Chagall, Alexandra Exter, Lyonel Feininger, Natalija Gontscharowa, Wassily Kandinsky, Paul Klee, Mikhail Larionov, August Macke, Franz Marc, Olga Rozanova ...

Stationen:
17.01.09 - 07.06.09 Mart Trento e Rovereto: Illuminations. Avant-gardes compared
05.06.09 - 04.10.09 Museo Correr, Venedig: Astrazioni
15.10.09 - 25.01.10 Palazzo Reale, Mailand: Simultaneità