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Warum beschäftigen sich derzeit so viele junge Künstlerinnen und Künstler mit der Architektur und Kunst der Moderne und den daraus weiterentwickelten modernistischen Formen der 60er Jahre? Und wie tun sie es? Welche Vorbilder werden herangezogen, welche Helden gestürzt? Diese Fragen sind Ausgangspunkt einer pointierten Auswahl von zehn jungen Künstlern und Nachwuchstalenten aus West- und Osteuropa, die in den letzten Jahren international auf sich aufmerksam gemacht haben. Vielschichtig formulieren sie das ambivalente Verhältnis zur Moderne, der Sehnsucht nach ihrer unverbrauchten Sprache und ihrem utopischen Potenzial, aber ebenso Kritik.

Der heute oft in der Ökonomie genutzte Begriff der „Fusion“ benennt die Vorgehensweisen der Künstler: sie eignen sich Formen, Thesen und Konstruktionsprinzipien aus Kunst und Architektur durch Zitat, Kopie oder Verwandlung an, verweigern bisweilen eine klare Autorschaft, kommentieren kritisch und ironisch, verschmelzen die künstlerischen Gattungen und wandeln bestehende Referenzen um.

Das 20. Jahrhundert ist Geschichte geworden. Die neuen Sichtweisen einer jungen Künstlergeneration auf die „Moderne“ vor dem Hintergrund globaler politischer und ökonomischer Veränderungen machen spürbar, dass der historische Abstand zu den Visionen der Avantgardekunst der 20er und 60er Jahre des 20. Jahrhundert immer größer wird. Die Visionen von früher bestimmen allerdings noch immer die ästhetischen Parameter der Gegenwartskunst. Doch die Versprechen von „gestern“ können als Rezepte für die heutige Realität kaum mehr dienen. Sie bedeuten uns nicht mehr das Gleiche. Worauf könnte hingegen die heutige Kunst hinarbeiten? Welche Sprachen können gewonnen, welche Funktionen für die Kunst – jenseits des Kunstmarktes – formuliert werden?

Cyprien Gaillard thematisiert in seinen Arbeiten den Umgang mit brutalistischer Architektur der 60er Jahre in Frankreich und England. Eines seiner Konzepte sieht die Schaffung eines großen Ruinenparkes internationaler moderner Hochhausarchitektur nach dem Vorbild romantischer Landschaftsgärten vor. In seinen Radierungen fügt er Wohnblöcke in klassisch-traditionelle Landschaften ein.

Dionisio González erweitert in seinen digital bearbeiteten Panorama-Fotografien Favelas mit Elementen von Avantgarde-Architekturen. Der sich selbst organisierenden Raumidentität wird das formale Konzept traditioneller Städteplanung gegenübergestellt, das in der rasanten Entwicklung von Mega-Städten nur noch partiell greifen kann.

Michael Beutler schafft komplexe architektonisch-skulpturale Interventionen, die den Ort und dessen Nutzung verändern, aber auch neue Räumlichkeiten schaffen. Zur Realisierung entwickelt er eigene „Herstellungsapparaturen“, Maschinen, mit denen der Künstler nur genau so viel Material produziert, wie er für seine Arbeiten benötigt.

In ihren Filmen befassen sich der tschechische Künstler Zbyněk Baladrán ebenso wie der litauische Künstler Deimantas Narkevičius mit der Erfahrung von kollektiver, meist osteuropäischer Geschichte. In der seit den neunziger Jahren politisch und kulturell dynamisierten Situation osteuropäischer Staaten spüren die Künstler ein Vakuum auf, in dem sowohl die Reflektion der eigenen Historie, als auch die Vorstellung einer zukünftigen Vision fehlen.

Ciprian Mureşan reinterpretiert Ikonen der klassischen Moderne und der aktuellen Kunst. In der Fotoarbeit „Leap into the void, after three seconds" re-inszeniert er beispielsweise Yves Kleins heroischen Spung aus dem Fenster als balales Desaster.

Luca Buvoli greift Modelle und Manifeste des Futurismus auf, der das große Leitbild für die italienische Kunst der Moderne, trotz seiner späteren Nähe zum Faschismus, blieb. In einer Videoarbeit, die jüngst auf der Biennale in Venedig zu sehen war, rezitieren Personen mit Sprachstörung das futuristische Manifest, das Technik und Geschwindigkeit verherrlicht. Für Essen entwickelt Buvoli eine neue Präsentationsform dieser Arbeit.

Mit seinen Installationen knüpft Simon Dybbroe Møller an die Tradition der amerikanischen Konzeptkunst der 1960er Jahre und vor allem an Arbeiten von Künstlern wie Robert Morris, die der Institutional Critique

Die Künstler der Gruppe Konsortium (Lars Breuer, Sebastian Freytag, Guido Münch, Jan Kämmerling) sind wie ein Independent-Label organisiert, das sich alle Distributionswege der Kunst nutzbar macht. Sie bezeichnen sich selbst als „Fans der Minimal- und Konzeptkunst“ und operieren vielschichtig und subversiv am „Bildbegriff“ auf der Grenze zwischen Kunst, Design, Architektur und Pop.

Eine Gruppenausstellung mit Zbyněk Baladrán (Tschechien), Michael Beutler (Deutschland), Luca Buvoli (Italien), Simon Dybbroe Møller (Dänemark), Cyprien Gaillard (Frankreich), Dionisio González (Spanien), Konsortium (Deutschland), Ciprian Mureşan (Rumänien), Deimantas Narkevicius (Litauen), Veit Stratmann (Frankreich).

Kuratorin: Sabine Maria Schmidt

Die Ausstellung wird von einem umfangreichen Katalog mit zahlreichen Textbeiträgen, sowie von einem reichhaltigen Veranstaltungsprogramm begleitet.

Folkwang vor dem Neubeginn. Das Programm geht weiter Ausstellungen im 1. Halbjahr 2008

Das Museum Folkwang steht vor einem der wichtigsten Entwicklungsschritte seiner Geschichte. Die Arbeiten zum Neubau des Museum Folkwang, finanziert von der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung als alleinige Förderin, realisiert nach Plänen von David Chipperfield Architects durch die Neubau Museum Folkwang Essen GmbH – einem Unternehmen der Wolff Group – wurden im Oktober 2007 aufgenommen.

Von Juli bis Dezember 2007 hatte das Museum Folkwang für eine Übergangszeit geschlossen. Ab 12. Januar 2008 werden im Altbau des Museums wieder Ausstellungen stattfinden. Hierfür wird der frühere Eingang des Museum Folkwang an der Kahrstraße reaktiviert.

Den Auftakt 2008 bilden drei Ausstellungen aus den Bereichen zeitgenössische Kunst, Grafik und Plakat.

Politik, Pop und Afri-Cola. 68er Plakate Deutsches Plakat Museum Essen im Museum Folkwang 12. Januar – 16. März 2008

Fusion // Confusion Eine Gruppenausstellung mit Zbynĕk Baladrán (Tschechien), Michael Beutler (Deutschland), Luca Buvoli (Italien), Simon Dybbroe Møller (Dänemark), Cyprien Gaillard (Frankreich), Dionisio González (Spanien), Konsortium (Deutschland), Ciprian Mureşan (Rumänien), Deimantas Narkevicius (Litauen), Veit Stratmann (Frankreich). (Altbau Goethestraße)

12. Januar – 30. März 2008 (entgegen früherer Informaation verlängert bis zum 30.3.)

Geiger Vasarely Bill Farbe zu Fläche zu Raum 12. Januar – 30. März 2008