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Galerie Klüser & Galerie Klüser 2

Eine umfassende Ausstellung mit Frauenbildnissen des 20. und frühen 21. Jahrhunderts zu realisieren, würde wahrscheinlich selbst große internationale Museen vor eine nicht zu lösende Aufgabe stellen. Wir haben trotzdem versucht, mit den begrenzten Möglichkeiten einer Galerieausstellung vielen Facetten des Spektrums gerecht zu werden. Die Thematik bewusst nicht unter das Primat feministischer Kriterien zu stellen, muss nach den aktuell geltenden Maßstäben politischer Korrektheit mit vorhersehbarem Widerspruch rechnen. Dennoch sind gesellschaftliche und ethisch-moralische Veränderungen auch im limitierten Rahmen unserer Ausstellung ablesbar.

Dies zeigt sich exemplarisch in den Räumen der Galerie Klüser 2, wo der Schwerpunkt auf Fotografien liegt. Das provokanteste Beispiel mag das großformatige Doppelportrait von Briana Banks sein. Timothy Greenfield-Sanders fotografierte den Star der amerikanischen Pornoindustrie (wie viele andere bekannte Kolleginnen) in angezogenem und nacktem Zustand und gab ihnen ohne Verklemmtheit und begleitet durch gefilmte Hintergrundgespräche respektvoll eine Art bürgerlicher Würde zurück. Ein anderes großformatiges Aktfoto wurde von der englischen Künstlerin Jemima Stehli 2001 als Selbstportrait aufgenommen. Es dokumentiert die selbstverständliche und selbstbestimmte Präsenz des eigenen Körpers. Nur 15 Jahre später zensieren im Einklang mit amerikanisch geprägter Prüderie soziale Medien wie Facebook nackte Brunnenfiguren aus der Barockzeit und die Abbildung weiblicher Brustwarzen.

Vor wenigen Jahren zeigten wir zum ersten Mal Olaf Metzels fast lebensgroße Bronze einer jungen türkischen Frau, die nur mit einem Kopftuch „bekleidet“ war. Umgehend erreichten den Künstler und uns so massive Drohungen von islamistischer Seite, dass wir zur Eröffnung einen Sicherheitsdienst beauftragen mussten. Die Skulptur wurde später in Wien mehrfach vandaliert: nackte Gewalt gegen nackte Tatsachen.

Ein sublimes politisches Statement verfasste Christian Boltanski mit der bewusst zerknitterten Fotolitographie „Die jüdische Schule (Berlin 1939)“. Sie zeigt die fröhlich lachenden Mädchen der Schule kurz vor ihrem schrecklichem Schicksal in der Nazizeit. Eine junge Frau, von einem Drachen tödlich bedroht, ist das Thema eines Siebdrucks, den Andy Warhol 1984 für unsere Edition schuf (Details of Renaissance Paintings, nach Paolo Uccellos „Der heilige Georg und der Drache“, 1460). Warhol wählte das Detailmotiv aus dem berühmten Renaissancebild gezielt aus, indem er nur die von Schrecken erstarrte Frauenfigur vor dem Drachenflügel darstellt und die Hauptperson des mutig edlen Ritters ignoriert.

Kontrastiert wird die Grafik von der Detaildarstellung der „Geburt der Venus“, mit der schon Botticelli die Schönheitsikone des idealen Frauenbildnisses schuf (ebenfalls von Andy Warhol aus der Serie „Details of Renaissance Paintings“).

Weitere Fotografien ergänzen das Spektrum in der Galerie Klüser 2 mit Werken von Ben Benson (Walther de Maria), Boyd Webb, Les Krims, Christian Boltanski und Karl Bohrmann. Im Hauptraum wird zusätzlich eine neue Skulptur von Olaf Metzel präsentiert.

In der Stammgalerie Georgenstraße 15 dominieren die klassischen Medien Skulptur, Malerei und Zeichnung. Das Entrée bildet eine Auswahl von Zeichnungen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Es sind unverkäufliche Leihgaben der Sammlung Klüser. Gezeigt werden Frauenbildnisse von Henri Matisse, Constantin Brancusi, Kees van Dongen, Egon Schiele, Wilhelm Lehmbruck, Auguste Rodin, George Grosz, Ernst Ludwig Kirchner und Alberto Giacometti.

Großformatige Bilder von Georg Baselitz, Alex Katz, Nicolas Africano, David Salle und Ryan Mendoza werden durch ein Frauenportrait von Andy Warhol ergänzt. Unterschiedliche Kunstauffassungen und Sichtweisen zwischen amerikanischer und europäischer Kunst werden besonders in den Beiträgen von Georg Baselitz und Alex Katz evident und doch verbindet beide eine Gemeinsamkeit: seit vielen Jahrzehnten sind ihre Ehefrauen das immer wiederkehrende Sujet ihrer Malerei.

Den Skulpturenteil repräsentieren Tony Cragg, Stephan Balkenhol und Joseph Beuys, von dem drei frühe Bronzen in einer Vitrine gezeigt werden.

Joseph Beuys ist wahrscheinlich der Künstler, der intensiver als alle Künstlerzeitgenossen den Unterschied zwischen den Geschlechtern reflektiert und zu einem prägenden Bestandteil seines Oeuvres gemacht hat. Auf der männlichen Seite das mehr Kopfbestimmte, Intellektuelle und analytisch Formalisierende als Kälteprinzip, auf der weiblichen Ebene die Qualität von Empfindungskräften wie Gefühl, Intuition und Kreativität als lebensspendende Wärme. Da er Kunst und Leben als eine Einheit betrachtete, konnte die Lösung für ihn nur in einer sich ergänzenden Symbiose beider Ausprägungen bestehen.

Die Vielfalt der ausgestellten Werke gibt einen Einblick in die differenzierte Wahrnehmung der Frau in der bildenden Kunst der vergangenen 100 Jahre.

Den Künstlern Georg Baselitz, Stephan Balkenhol, Tony Cragg und Olaf Metzel gilt unser besonderer Dank, weil sie speziell für die Ausstellung Werke geschaffen oder ausgesucht haben.

AFRICANO · BALKENHOL · BASELITZ · BEUYS · BOHRMANN · BOLTANSKI · CRAGG · GREENFIELD-SANDERS · KATZ · LES KRIMS · MENDOZA · METZEL · PALADINO · SALLE · STEHLI · WARHOL · WEBB || BRANCUSI · GIACOMETTI · GROSZ · KIRCHNER · LEHMBRUCK · MATISSE · PICABIA · RODIN · SCHIELE · VAN DONGEN · DE MARIA (BENSON)