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François Morellet zählt zu den bedeutendsten französischen Künstlern der Gegenwart. Am1926 wurde er in Cholet, im Nordwesten Frankreichs geboren. 1948 übernahm er die Geschäftsführung in der Spielzeugfabrik seines Vaters, gründete eine Familie und blieb bis 1975 als Industrieller tätig; das Kunstschaffen jedoch bestimmte sein Leben. 1960 war Morellet Mitbegründer der Künstlervereinigung G.R.A.V. (Groupe de Recherche d'Art Visuel), die eine experimentelle, auf wissenschaftlichen Erkenntnissen zur optischen Wahrnehmung gründende Kunst verfolgte und sich 1968 wieder auflöste. Seit seiner ersten größeren Einzelausstellung in der Galerie Denise René in Paris wurde Morellets umfangreiches Oeuvre in zahlreichen großen Ausstellungen gewürdigt, z.B. in Deutschland zuletzt 2002 im Museum Würth, Künzelsau. Bereits 2000 richtete ihm die Galerie Nationale du Jeu de Paume in Paris eine große Retrospektive aus. Fast alle bedeutenden internationalen Museen und Sammlungen besitzen Werke des Künstlers. Morellet lebt und arbeitet in Cholet in Frankreich.

Morellet wird zu den Protagonisten der europäischen "Geometrischen Abstraktion" gezählt. Mit seinen ersten konkret-geometrischen Kunstwerken in den 50er Jahren unterstützte er die Anfänge der "Concept Art". Sein facettenreiches Oeuvre zeigt ein vielfältiges Nebeneinander verschiedenster Medien und Methoden. Morellets zwei- und dreidimensionale Arbeiten führen optische Strukturen in minimalistischer Reduzierung vor und entstehen alle auf der Basis von zuvor gefundenen Systemen. Der Künstler sucht nach Möglichkeiten, den künstlerischen Schaffensprozeß auf der Basis von Regeln zu kontrollieren. Die Geometrie liefert ihm dazu die passende Grundlage. Das Festlegen eines zugrundeliegenden Systems stellt in vielen der früheren Arbeiten, wie den gezeigten "10 lignes au hasard", weißgrundigen Leinwänden, auf denen nach bestimmtem Vorgehen in einem unsichtbaren Koordinatensystem schwarze Linien erscheinen, den hauptsächlichen subjektiven Schaffensakt dar - das Aussehen der fertigen Arbeit bleibt dem Zufall überlassen.

Obwohl die Methode Morellet mehr interessiert als das bildliche Resultat, ist auch die Poetik und Ästhetik seiner Arbeiten ein bewußt erzieltes Ergebnis. Durch ihre visuelle Attraktivität gelingt es Morellet, den Betrachter zu fesseln. Morellets Ziel ist es, die Wahrnehmung des Betrachters durch optische Reize zu irritieren und so zu aktivieren. In den 70er Jahren setzte sich Morellet mit dem Verhältnis von Bildfigur, Bildträger und dem umgebenden Raum auseinander. Die entstandenen Destabilisierungen, genannt "Tableaux déstabilisés", in denen z.B. im gesprengten Rahmen die viereckige Leinwand verrutscht, weitete er in vorübergehenden oder permanent installierten Besetzungen des Außenraumes auf größere Zusammenhänge aus: So überzog er in Compiègne Boden und Außenwände des Centre Culturel mit einem parallelen Orthogonalraster aus schwarzen, roten und blauen Keramikfliesen. Im Skulpturenpark des Rijksmuseum Kröller-Müller in Otterlo oder in La Défense in Paris setzte er die geometrische Anordnung von Stahlbalken in Bezug zur Formensprache der Umgebung. Die vom Künstler als "Désintégrations Architecturales" bezeichneten Arbeiten wollen sich nicht in die Architektur eines Gebäudes integrieren, sondern eine eigenständige, irritierende und Räume oder Bauten verändernde Wirkung erreichen.

Schon in den frühen sechziger Jahren entdeckte Morellet als einer der ersten ,Lichtkünstler' zudem die Neonröhre als Gestaltungsmittel. Mit ihrem industriellen Charakter schien sie ihm ein weiterer Gewinn an Neutralität. An Gebäuden in Paris, Nantes, Berlin und anderen Städten unterstreichen in der Dunkelheit Neonarbeiten Morellets horizontale und vertikale Strukturen oder zeigen eigenwillige Geometrien, die zwar auf die bauliche Textur bezogen sind, jedoch andere als die sonst dominierenden Merkmale betonen und so die bisherige Wahrnehmung des Baukörpers anarchisch-spielerisch verändern.

Morellets Werk erhält nicht zuletzt durch seinen eigenwilligen Humor eine besondere Komponente. So streng er sich an die Regeln der Geometrie hält, so selbstironisch kann er diese Strenge wieder unterwandern. Er bewegt sich in seinen aktuellen Arbeiten immer leichtfüßiger zwischen Ordnung und Unordnung hin und her. "Lunatique neonly (16 quarts de cercle)" beispielsweise, ungefähr übersetzbar mit "Launisches Neon (16 Viertelkreise)", ist der ironisch humorvolle und zugleich sachliche Titel einer 2001 entstandenen Reihe von Arbeiten, einer Installation aus gebogenen Neonröhren vor kreisrundem Grund, die in keiner erkennbaren Ordnung zueinander angebracht sind, deren Form und Anzahl sich jedoch als exakt berechnete Kreissegmente auf Untergrund oder Umgebung beziehen.

Morellet greift in sicherer Beherrschung des Umgangs mit Formen und ironischer Unterwanderung von Regeln der Wahrnehmung in unsere gestaltete Umwelt ein, markiert, zieht - leuchtende - Linien. Er fordert den Betrachter voller Humor dazu heraus, neu zu denken, Strukturen neu wahrzunehmen.

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François Morellet