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„… ich bin ein sehr optimistischer Mensch.“ „Ich fände es schön, das Leben zu feiern, und ich denke auch immer, dass ich das tue. Aber dann kommen die Neurosen meines Jahrhunderts dazwischen, die Neurosen der Zeit, in der ich lebe.“ Dies sagt der irische Maler Francis Bacon (Dublin 1909 – 1992 Madrid) 1991 in einem Interview kurz vor seinem Tod. Es ist ein Statement, das die konträren psychischen als auch künstlerischen Dispositionen Bacons widerspiegelt. 1945 löst das Triptychon Drei Studien zu Figuren am Fuße einer Kreuzigung (1944) einen ersten Skandal aus und auch ein großer Teil des folgenden Œuvres zieht das Publikum aufgrund der singulären Maltechnik, aber vor allem aufgrund der unmittelbaren und oft gewalttätigen Ausdruckskraft in den Bann. Den abgründi-gen, erschütternden Gemälden steht der Gentleman und belesene Bacon mit seiner Korrektheit ge-genüber, der keineswegs die Absicht hat, nur die dunkle Seite der menschlichen Existenz darzustel-len. „Ich setze mich nur damit auseinander, wie das Leben allgemein ist." Und für Bacon ist es ein Leben mit „viel Krieg“: Als Kind erlebt er den Ersten Weltkrieg, im Teenageralter leidet er unter sei-ner Homosexualität – die er auch später noch als „Gebrechen“ bezeichnet, im Zweiten Weltkrieg birgt er als Sanitäter die Verletzten der Bombenangriffe auf London. Zweimal verliert er nach lang-jähriger Beziehung einen Liebespartner, erst Peter Lacy, dann George Dyer. Er lebt ein Leben im Exzess zwischen Atelier, Bar und Casino, zwischen Sadomasochismus, Drogen- und Alkoholkon-sum, behält jedoch stets seinen ungewöhnlich scharfen Verstand und große Diszipliniertheit bezo-gen auf seine künstlerische Tätigkeit. Francis Bacon ist Maler. Dennoch entscheidet er sich wahrscheinlich Anfang der 1970er Jahre da-für, zeitgleich oder kurz nach Entstehung Lithographien und Radierungen in limitierter Auflage von seinen Gemälden anfertigen zu lassen. Mit seiner eigenhändigen Signierung und Nummerierung dieser graphischen Arbeiten unterstreicht er seine Wertschätzung für die entstandenen Lithogra-phien, Aquatintaradierungen und Offsetlithographien. Der Galerie Boisserée ist es gelungen, 26 der vermutlich insgesamt 54 entstandenen Graphiken zusammenzutragen. So bietet die Kölner Ausstel-lung einen umfassenden Einblick in die Bilderwelt von „Englands berühmtesten Maler seit William Turner“ („The Independent“), dessen Ruhm 2008 im Verkauf seines „Triptychon 1976“ für 86,3 Milli-onen US-Dollar gipfelt. Isoliert im Zentrum seiner Arbeiten steht entweder ein Tier oder Kadaver, ein Portrait, doch meist die menschliche Kreatur, die in ihrer häufig verkrüppelten, torsohaften und blutig-fleischigen Erschei-nung zum Ausdruck extremer Gewalt, Sexualität und schicksalhaften Daseins wird. In einem nicht näher zu bestimmenden Raumgefüge entstehen Szenen voller Dynamik, Unschärfe und partieller Unkenntlichkeit, die selbst in den berühmten Triptychen selten einen narrativen Charakter haben, sondern vielmehr einzelne Fassetten der Baconschen Wirklichkeit wiedergeben. Der überzeugte Autodidakt Bacon hat sich intensiv mit der Kunstgeschichte auseinandergesetzt. Als er 1927 in Paris eine Ausstellung von Picasso sieht, ist er tief von dessen klassischen Zeichnungen beeindruckt. Ebenso spiegeln sich Werke des Expressionismus, Surrealismus, der Romantik, des späten Goyas, Michelangelos oder Rembrandts in seinen Arbeiten wieder. Fotografien, beispiels-weise die Bewegungsstudien von Muybridge, Aufnahmen von Athleten, Freunden, Geliebten oder ihm selbst, verarbeitet er ebenfalls in seinen menschlichen Studien. Trotz aller Bezüge bleibt sein Œuvre im Technischen wie Inhaltlichen singulär. Vom Beginn seiner Karriere bis heute hat sein Werk generationenübergreifend Faszination ausgelöst. Seine Arbeiten mögen viele schockieren, doch berühren sie spätestens nach genauerer Betrachtung in ihrer Schonungslosigkeit das existen-ziell Menschliche in uns.