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Ort: KAT_A, Drachenfelsstraße 4-7, 53604 Bad Honnef, Haus Hedwig und Parkgelände
(Der tagesgenaue Ausstellungszeitraum steht noch nicht fest.)

Die Kunstsammlerin Andra Lauffs-Wegner vermittelt mit der zweiten Ausstellung in ihren privaten Ausstellungsräumen KAT_A in Bad Honnef, dass die zeitgenössische Fotografie durch die Auswahl von Bildinhalten und den bewussten Einsatz technischer Möglichkeiten spezifische Wirkungen erzielen kann. Fotokünstler können sowohl mittels der Motivwahl als auch unterschiedlicher technischer Ansätze das fotografische Medium auf neuartige ästhetische und sozial-gesellschaftliche Wahrnehmungsebenen transformieren.

Diesem Gedanken liegt die konzeptionelle Hängung der Ausstellung zugrunde. Durch eine Gegenüberstellung der Fotoarbeiten werden sowohl Parallelen als auch Gegensätze in der zeitgenössischen Fotografie verdeutlicht und ermöglicht somit deren Betrachtung in differenzierten und zum Teil neuen Zusammenhängen.

Beispielhaft ist u.a. der unterschiedliche künsterische Ansatz bei den Portrai-Darstellungen: Annette Kelms 6-teilige Arbeit zeigt eine junge Frau, deren Kappe bis über die Augen gezogen ist; sie dreht ihren Kopf um 180 Grad in einzelnen Bildsequenzen von links nach rechts. Diese Arbeit besticht durch ihre konzeptionelle Strenge. Annette Kelm bewegt sich hier wie meist bei ihren Fotografien zwischen der Isolation des Gegenstandes, der konstruierten und vorgefundenen Skulptur oder der beabsichtigten Pose. Indem sie das Motiv als Serie anlegt, erfährt der Betrachter die von der Künstlerin intendierte Wirkung: Durch die nüchterne Präsentation bleiben Ursprünge und Zusammenhänge der Fotografie bzw. der abgebildeten Person im Unklaren.

Dagegen sind bei Wolfgang Tillmans der Ort, die Umgebung oder die Beziehung des Künstlers zum fotografierten Portrait oder Gegenstand immanenter Bestandteil der jeweiligen Arbeit. So betitelt er ein Porträt mit „Karl Arles“ oder ein Stillleben mit „Dürer Straße“. Tillmans versucht, durch spontane Fotografien das Leben festzuhalten, dabei wagt er durchaus Peinlichkeiten, um das Echte und Wahre zu zeigen, wobei der soziale Kontext eine bedeutsame Rolle spielt.

Bei Katharina Sieverdings Selbstportrait wird deutlich, wie wichtig der Künstlerin ästhetische Gestaltungsmöglichkeiten sind, die sich vor allem aus fotochemischen Belichtungs- und Entwicklungsprozessen entwickeln. Bei ihr steht die Fotografie mit ihren technischen Möglichkeiten im Mittelpunkt. Damit rückt sie in die Nähe von Thomas Ruff, jedoch nimmt sie für sich einen größeren künstlerischen Freiheitsgrad durch individuelle handwerkliche Techniken in Anspruch.

Von Thomas Ruff werden in der Ausstellung Arbeiten aus unterschiedlichen Schaffensphasen vorgestellt. Im Gegensatz etwa zu Wolfgang Tillmans spielt bei ihm ein inhaltlicher oder medienkritischer Aspekt eine untergeordnete Rolle. Ruffs Arbeitsweise konzentriert sich ganz auf den technisch evozierten Ausdruck der Fotografie. Mit Hilfe unterschiedlichster Mittel wie beispielsweise Unschärfe, Mehrfachbelichtungen, Bildraster oder Pixelstrukturen ermöglicht er völlig neue visuelle Effekte und Wirkunsgweisen.

Eine inhaltliche Parallele drängt sich bei der Gegenüberstellung der Arbeiten „Exodus“ von Stan Douglas und „market“ von Wolfgang Tillmans auf. In beiden Fällen handelt es sich um eine bunte Szene mit der Ansammlung von Menschen. Während Tillmans ohne fotografische Manipulation das Geschehen als soziale Wirklichkeit ablichtet, komponiert Douglas sein Bild technisch zu einer Szene mit politischer Aussage. Gerade diese Arbeiten erscheinen angesichts aktueller politischer Ereignisse besonders interessant: Der Betrachter ist hingerissen zwischen der Faszination eines exotisch-fremdartigen Ortes und der Irritation einer nicht näher zu bestimmenden Ursache für die Ansammlung. Was veranlasst diese Menschen hier zu sein? Befinden sie sich auf der Durchreise oder im Moment eines unbestimmten, unsicheren Wartens?

Es ist u.a. auch dieses transitorische Wesen, das die raumfüllende Installation von Tatiana Trouvé auszeichnet: Matrazen liegen über einer Mauer oder stehen zusammengerollt daneben. Ein leerer Stuhl und Plastiktüten verweisen auf eine unergründliche Verlassenheit und bieten mannigfache Assoziationen; verweisen sie doch gerade auf das, was nicht sichtbar ist. Der Umstand, dass die Matrazen aus Tonneschwerem Beton und einige der Tüten aus Metall mit höchster Präzision gegossen und ausgearbeitet wurden, stellt wiederum die Wahrnehmung des Betrachters ad absurdum. Was ist die Wirklichkeit und was nehmen wir als solche wahr?

In diese Bedeutungsebene voller Widersprüchlickeit und Vieldeutigkeit reihen sich auch die Arbeiten im unmittelbar angrenzenden Parkgelände ein: Jeppe Heins Bänke, die vordergründig zum Sitzen einladen und sich bei näherer Betrachtung als ironische Umkehrung der allgemeinen Erwartung entpuppen. Michael Sailstorfer „notgelandetes“ Flugzeug, das in einer Kastanie installiert, zu einem Baumhaus „mutiert“ – und nicht zuletzt die fünf 3,50 Meter hohen Palmen von David Zink Yi, die erstmalig als Außeninstallation in Deutschland zu sehen sind. Sie sind Abbild der Natur und doch ihrer Natürlichkeit beraubt. Aus Edelstahl detailgetreu gefertigt, sind sie Wahrzeichen hoher Künstlichkeit und technischer Vollkommenheit. Glänzend und filligran streben sie in die Höhe und entfalten ihre Palmwedel einer Krone gleich. Befinden sich Natur und Technologie im Widerspruch oder im Einklang? Wie werden Raum und Objekt im Verhältnis zueinander definiert? David Zink Yi – selbst geprägt durch seinen multikulturellen familiären Hintergrund – formuliert in seinen Werken die Frage nach der Definition von Identität und Herkunft neu. Durch seine künstlerische Dekonstruktion und Verfremdung stellt er dabei auch immer wieder die Wahrnehmung derselben in den Mittelpunkt seiner künstlerischen Überlegungen.