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eröffnung: 27. märz 2015, 20 uhr

Die kestnergesellschaft präsentiert im Frühjahr eine Ausstellung der Künstlerinnengruppe FORT. Das Kollektiv FORT bewegt sich wie ein Seismograf durch unsere Alltagswelt und spürt dabei gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Ereignissen und Entwicklungen nach. Eine zentrale Rolle in ihrer künstlerischen Praxis spielt die Aneignung, Transformation und Inszenierung von Orten, die sie vorfinden oder selbst erschaffen.

Ihre detailreichen räumlichen Arrangements entstehen oft in Verbindung mit performativen Eingriffen. Sie gleichen Bühnen oder experimentellen Versuchsanordnungen, mit denen die Künstlerinnen die Mechanismen unserer Konsumgesellschaft und des Kunstmarkts entlarven und umdeuten. In ihren Interventionen, Performances und Installationen reagieren FORT einerseits auf bestehende Strukturen und Verhältnisse, zugleich fügen die Künstlerinnen den vorgefundenen Situationen befremdliche Momente hinzu und spielen mit der Wahrnehmung des vermeintlich Vertrauten.

Die kestnergesellschaft präsentiert die raumgreifende Installation »Leck« (2012), die erstmalig im institutionellen Rahmen gezeigt wird. Mit »Leck« transferieren die Künstlerinnen das vollständige Interieur einer ehemaligen Filiale der Drogeriekette Schlecker in den Ausstellungsraum der kestnergesellschaft. Durch diese Verpflanzung an einen unüblichen Ort lösen sie eine neue Sichtweise auf die typische Schleckermarkt-Ästhetik aus. Indem sie das groteske Moment der ausgeweideten Regale und Gänge ins Blickfeld rücken, thematisieren sie nicht nur den Niedergang des Schlecker-Konzerns – eine der größten Insolvenzen der deutschen Nachkriegsgeschichte –, sondern auch die damit verbundene Problematik prekärer Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten.

Mit ihrer Videoarbeit »The Calling« (2014) führen die Künstlerinnen ihre Auseinandersetzung mit den Anforderungen und Widersprüchen der modernen Informations- und Leistungsgesellschaft fort. Schauplatz des Videos ist ein Callcenter, ein Arbeitsplatz, dessen Atmosphäre von Hektik, Reizüberflutung und Leistungsdruck geprägt ist. FORT präsentiert das Callcenter jedoch nicht als Ort ununterbrochener Dienstleistung und Kommunikation, sondern zeigt MitarbeiterInnen, die an ihren Arbeitsplätzen in eine Art Dornröschenschlaf verfallen sind. Das Motiv des Schlafs wird zu einem ambivalenten Moment des temporären Rückzugs und Widerstands.

FORT sind Alberta Niemann (1982 in Bremen) und Jenny Kropp (1978 in Frankfurt am Main). Seit 2008 realisieren sie Installationen, Performances und Videoinstallationen (bis 2013 mit Anna Jandt, *1980 in Bremen). Ihre Arbeiten waren bereits im Kunsthaus Dresden (2013), im Neuen Museum Weserburg, Bremen (2009) und in den KW Berlin (2008) zu sehen. Sie waren u.a. an Gruppenausstellungen in der Bundeskunsthalle Bonn (»Andere Räume« 2012) und in den KW Berlin (»One on One«, 2012) beteiligt.