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Konnte das 20. Jahrhundert als »Zeitalter des Zeugen« betrachtet werden, hat der heutige »forensic turn« nichts weniger als eine neue kulturelle Vorstellungswelt geschaffen. Die Ausstellung legt die Bedeutung von Forensis – lateinisch für »Gegenstände, die die Öffentlichkeit betreffen« – frei, um die Rolle der materiellen Forensik bei der Formulierung neuer Vorstellungen von öffentlicher Wahrheit zu umreißen Es geht um »Erzeugen« und »Bezeugen« von Tatbeständen im rechtlichen und politischen Feld durch Präsentation und erzählende Darlegung mithilfe materieller und räumlicher Objekte. Hier verschränken sich ästhetische Praktiken, neue Technologien und architektonische Untersuchungsmethoden in der Bestimmung rechtlicher Implikationen von politischen Auseinandersetzungen, gewalttätigen Konflikten und Klimawandel.

Für die Ausstellung untersuchen Forschungsprojekte von Künstlern, Filmemachern und Architekten Menschenrechtsverletzungen, Umweltverbrechen und menschengemachte wie »natürliche« Katastrophen und reflektieren so neue politische Handlungsoptionen, die durch technologische Entwicklungen entstehen. Damit werden sowohl diese politischen Projekte forensisch befragt als auch die zeitgenössische Forensik selbst überdacht. Die Fallbeispiele und Untersuchungen reichen von forensischen Rekonstruktionen von Drohnenangriffen im Schattenkrieg in Pakistan und von unterlassener Hilfeleistung für Flüchtlingsboote im Mittelmeer über Untersuchungen zu Ressourcenabbau und Umweltzerstörung am Beispiel von Kupferminen in Chile und Indonesien bis zu historischen Vorgängen wie der Identifizierung von Josef Mengeles Gebeinen in Brasilien im Jahr 1985.

In Kooperation mit · In cooperation with SITU Research, ScanLab Projects

FORENSIS und der begleitenden Konferenz The Architecture of Public Truth im Haus der Kulturen der Welt.

Vom Fingerabdruck bis zur Internet-Ortung: Forensische Methoden kommen zum Einsatz, wenn es dem Staat um die Überwachung der Bevölkerung geht. In Film und Medien fasziniert Forensik die Zuschauer und prägt die Vorstellungswelt unserer Gegenwart. „Forensis“ untersucht in Ausstellung und Konferenz dagegen ihr Potenzial als ästhetisch-politische Praxis – durch die Umkehrung des forensischen Blicks. Wie setzen Individuen und unabhängige Organisationen bildgebende Verfahren zur Ermittlung, Darstellung und Bekämpfung von Missständen und Machtmissbrauch ein?

Die von Anselm Franke und Eyal Weizman kuratierte Ausstellung präsentiert Arbeiten von Architekten, Künstlern, Filmemachern und Theoretikern, die am Londoner Centre for Research Architecture, Goldsmiths, im Rahmen des Projektes „Forensic Architecture“ entstanden sind. Satellitenbilder und 3D-Visualisierungen, Modelle, Karten und Materialanalysen illustrieren die Anwendung forensischer Methoden auf Zusammenhänge von Krieg, Politik und Klimawandel. Ausstellung und Konferenz finden im Rahmen von DAS ANTHROPOZÄN-PROJEKT 2013–2014 statt.

Nach einer kurzen Einführung durch Bernd M. Scherer, Intendant HKW, geben Ihnen die folgenden Teilnehmer Einblick in die Ausstellung und die hochkarätig besetzte Konferenz: Anselm Franke, Kurator und Leitung des Bereiches Bildende Kunst und Film, HKW Eyal Weizman, Kurator, Centre for Research Architecture, Goldsmiths, London Die Künstler der Ausstellung und das Team des „Anthropozän Observatorium” Armin Linke, Territorial Agency (John Palmesino & Ann-Sofi Rönnskog), Anselm Franke

Eröffnung 14.3.2014, 18h. Konferenz 15.-16.3.2014