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Die umfangreiche Werkschau Flowers & Mushrooms präsentiert aktuelle Positionen zeitgenössischer Blumen- und Pilzdarstellungen und deren sich neu entwickelnden Bedeutungsebenen.

Seit geraumer Zeit erlebt die Darstellung von Blume und Pilz eine Renaissance in der Bildenden Kunst. Ausgewiesene „Porträtisten“ dieser floralen Gewächse wie Peter Fischli/David Weiss, David LaChapelle, Marc Quinn, Sylvie Fleury, Nobuyoshi Araki oder Carsten Höller knüpfen mit ihren künstlerischen Arbeiten an eine vielschichtige und lange Bildtradition an, die vor allem die Blume, wie kaum ein anderes Motiv, aufweisen kann.

Aber genauso fällt kein Motiv ebenso schnell dem Verdacht des Trivialen anheim wie sie. Es stellt sich die Frage, wie ein Sujet, das sich den Vorwurf der Banalität und Seichtheit gefallen lassen muss, wieder Boden auf dem Gebiet dessen gewinnen konnte, was allgemein als ernst zu nehmende und anspruchsvolle Kunst gilt. Zu leicht werden mit der Darstellung der Blume die Idee harmloser Schönheit und mit der des Pilzes klischeehafte halluzinogene Bewusstseinszustände verbunden. Viele Künstler jedoch greifen seit einigen Jahren beide Motive verstärkt auf, wandeln sie ab und vermögen sie auf individuelle Weise in den Kontext gesellschaftskritischer, feministischer, politischer und medienreflexiver Kunst zu setzen. David LaChapelle und Marc Quinn führen nur auf den ersten Blick mit ihren beeindruckend herrschaftlichen Blumen-Arrangements das barocke Sinnbild für Üppigkeit fort, das erst bei genauerer Betrachtung einen bedrohlich verschlingenden Charakter offenbart. Künstlerinnen wie Vera Lutter, Paloma Navares und Chen Lingyang richten dagegen einen spezifisch weiblichen Blick auf die Blume als Symbol für die eigene identitätsstiftende Geschlechtlichkeit, aber auch für deren Verletzlichkeit und Ausgesetztheit und erheben sie damit auf eine sozialkritische und politische Ebene. Mit einem geradezu wissenschaftlichen Interesse hingegen verfahren Andrew Zuckerman und Carsten Höller, indem sie mittels Fotografie und Installation einen analytischen Blick auf die morphologische Beschaffenheit von Blume und Pilz richten und somit eine eindrückliche Unmittelbarkeit erzeugen. Robert Mapplethorpe und Nobuyoshi Araki zeichnen in ihren erotischen Fotografien Parallelen zwischen Blüte und dem männlichen und weiblichen Körper nach und schaffen eine spannungsreiche Verbindung zwischen Stillleben und Akt. Die welkende Blume als klassisches Symbol der Vanitas greift Michael Wesely in seinen Langzeitbelichtungen auf, die die Blumen durch den Prozess von der kraftvollen Blüte zum hängenden Kopf begleiten und dennoch bis zum Schluss ihre Schönheit unterstreichen. Entkleidet von jeder Lieblichkeit und bedrohlich hingegen wirken die Monstrositäten wie überdimensionale Pflanzen in den „wüsten“ Video-Installationen von Nathalie Djurberg und Hans Berg, die Gewalt und Missbrauch thematisieren und damit vor allem dem Blumenmotiv durch den Bruch mit der allgemeinhin als positiv zu erwartenden Besetzung eine besonders irritierende und beunruhigende Note verleihen.

In dieser angestrebten Gegenüberstellung der differenzierten Bedeutungsebenen des Blumenbildes und der Pilzdarstellung und deren kontroversen Positionen in der zeitgenössischen Kunst liegt der Reiz der von den KuratorInnen des MdM SALZBURG zusammengestellten Ausstellung, deren Titel durch die 1997/98 entstandene Serie an C-Prints des Schweizer Künstlerduos Peter Fischli/David Weiss „Flowers, Mushrooms“ inspiriert wurde. Flowers & Mushrooms greift dabei auf eine bedeutende Auswahl von Werken aus den Bereichen Fotografie, auf Fotografie basierender Malerei, Video und Plastik/Installation zurück und präsentiert eine Zusammenstellung floraler Darstellungen, die von den Anfängen der Fotografie bis in die unmittelbare Gegenwart reicht. Anhand ausgewählter Leihgaben, die die Themenschwerpunkte um aktuelle gesellschaftliche und ästhetische Fragestellungen akzentuieren, wird eine nähere Betrachtung der vielfältigen symbolischen Verwendung ermöglicht. Gleichermaßen werden Bedeutungsebenen eröffnet, welche sich auf das Ambivalente und Abgründige der menschlichen Existenz beziehen. Die zeitgenössische Kunst greift, wie die Ausstellung zeigt, die lange und komplexe Bildtradition von Blume und Pilz auf und schreibt sie in einer Erweiterung um neue, gegenwartsrelevante Perspektiven fort. Dazu soll als hinführende Ergänzung ein historischer Teil mit Aufnahmen aus dem 19. Jahrhundert und der Klassischen Moderne zeigen, wie damals vor allem die Fotografie als neues Medium eine besondere Beziehung mit dem Floralen eingegangen ist.

Zu sehen sind Werke von Nobuyoshi Araki, Anna Atkins, Eliška Bartek, Christopher Beane, Karl Blossfeldt, Lou Bonin-Tchimoukoff, Balthasar Burkhard, Giovanni Castell, Georgia Creimer, Imogen Cunningham, Nathalie Djurberg, Hans-Peter Feldmann, Peter Fischli/David Weiss, Sylvie Fleury, Seiichi Furuya, Ernst Haas, Carsten Höller, Judith Huemer, Dieter Huber, Rolf Koppel, August Kotzsch, David LaChapelle, Edwin Hale Lincoln, Chen Lingyang, Vera Lutter, Katharina Malli, Robert Mapplethorpe, Elfriede Mejchar, Moritz Meurer, Paloma Navares, Nam June Paik, Marc Quinn, Albert Renger-Patzsch, Zeger Reyers, Pipilotti Rist, August Sander, Gitte Schäfer, Shirana Shahbazi, Luzia Simons, Thomas Stimm, Robert von Stockert, William Henry Fox Talbot, Diana Thater, Stefan Waibel, Xiao Hui Wang, Andy Warhol, Alois Auer von Welsbach, Michael Wesely, Manfred Willmann, Andrew Zuckerman.

Begleitend zur Ausstellung ist der Katalog Flowers & Mushrooms, hrsg. von Toni Stooss, im Hirmer Verlag, München 2013, erschienen: ca. 260 S., geb., zahlr. farb. Abb., dt. u. engl. Ausgabe.