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Eröffnung der Ausstellung am 24.11.2007, 19-21 Uhr

Mitte der 1960er Jahre kam das erste tragbare Videoaufnahmegerät auf den Markt und leitete damit u.a. die Geburtsstunde der Videokunst ein. Die ersten bewegten Bilder der Künstler zielten darauf ab, die unterschiedlichen Möglichkeiten von Film und Video auszuloten. Mit den Jahren, in denen die Geräte billiger und vor allem leichter wurden entstanden zahlreiche „dokumentarische“ Arbeiten, die die so genannte „wirkliche Welt“, den Alltag, das, was um einen herum geschieht, zeigten.

Als eine Gegenbewegung dazu sind die Entwicklungen der letzten Jahre zu verstehen, in denen die von Hand gefilmten Aufnahmen durch große und aufwendige Produktionen verdrängt zu werden scheinen. Künstler wie z.B. Matthew Barney oder Stan Douglas haben ihr Interesse an dem alten Medium des 35mm Films entdeckt, und produzieren teilweise epische Werke mit Kamerateams, Dolly und Soundcrews.

Die Ausstellung „Filmische Wahrheiten“ im Heidelberger Kunstverein verfolgt die These, dass die interessantesten Arbeiten dieser neuen Bewegung nicht nur die Ästhetik des Films auszunutzen suchen, sondern auch die Wahrnehmung des Kinos untersuchen. Die Arbeiten versuchen die Prämissen eines visuellen Regimes, das die westliche Kultur in den letzten 100 Jahren entscheidend geprägt hat, offenzulegen. Indem der Film aus der schwarzen Box des Kinos herausgenommen wird, können die unsichtbaren Rahmenbedingungen verdeutlicht werden.

Am deutlichsten tritt diese künstlerische Strategie vielleicht in den Werken der amerikanischen Künstler Jennifer & Kevin McCoy zum Vorschein. In einem kleinen Modell nehmen sieben fest eingebaute Kameras unterschiedliche Blickwinkel einer Szene auf. In einem Wohnzimmer sitzen zwei Menschen und schauen einen Film an. Über ein digital gesteuertes Gerät werden die Bilder live zu einem Film zusammengeschnitten, der an eine Wand daneben projiziert wird. Der gesamte Produktions- und Rezeptionsapparat eines Films wird dadurch in ein räumliches Gebilde hineingepackt.

Andere Arbeiten, wie die des berühmten Filmemachers Harun Farocki, gehen fast analytisch an die allgegenwärtige Bildsprache des Filmes heran. Einstellungen der klassischen Bildsprache des frühen Filmemachers Griffith werden auf zwei nebeneinanderstehenden Bildschirmen zerlegt, um damit den Aufbau von Raum durch Schuss und Gegenschuss in seinen Filmen zu verdeutlichen. Marjolijn Dijkman zeigt in einer weiteren Arbeit in der Ausstellung ausschließlich apokalyptische Vorstellungen von Zukunft, welche von den Fließbändern der Traumfabrik Hollywood laufen, wogegen Elsebeth Jørgensen sich anhand verfallener Kinos dem Punkt widmet, wo ein Kinosaal nicht mehr als ein solcher wahrgenommen wird.

Auch der international beachtete Clemens von Wedemeyer nutzt zwei Versionen des gleichen Materials, um einen Reflektionsraum zwischen diesen aufzuspannen. Zwei Filme mit der gleichen Handlung werden nebeneinander gezeigt. Beide zeigen, wie ein Filmteam eine Nachtaufnahme mit 200 Statisten dreht. Aber da der eine Film mit den ruhigen, wohlüberlegten Bildern einer 35mm Filmproduktion, und der andere mit „authentischen“ Videobildern aufgenommen wurde, sind die Eindrücke so unterschiedlich, dass der Betrachter oft erst nachher rekonstruieren kann, dass es sich um das gleiche Narrativ handelt.

Die Arbeiten des französischen Künstlers Eric Rondepierre lenken den Fokus auf eine andere technische Bedingung der filmischen Sprache. Da ein Film technisch gesehen aus 25 Standbildern pro Sekunde besteht, die an sich keine Bewegung beinhalten, muss die Frage nach dem Wesen des Films im Zwischenraum dieser Bild angelegt sein. In großformatigen fotografischen Abzügen hat Rondepierre diese Zwischenräume zweier Stills abgebildet.

Mit Arbeiten von: Julie Lundsteen Boserup, Elsebeth Jørgensen, Marjolijn Dijkman, Harun Farocki, Omer Fast, Mark Lewis, Karen Mirza & Brad Buttler, Jennifer & Kevin McCoy, Eric Rondepierre, Magdalena von Rudy, Clemens von Wedemeyer

Zur Ausstellung wird ein Katalog erscheinen

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FILMISCHE WAHRHEITEN

mit Julie Lundsteen Boserup, Elsebeth Jorgensen, Marjolijn Dijkman, Harun Farocki, Anthony McCall, Omer Fast, Mark Lewis, Karen Mirza & Brad Butler, Jennifer & Kevin McCoy, Eric Rondepierre, Magdalena von Rudy, Clemens von Wedemeyer