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»I am such a mess, I feel shattered and I have the feeling I'll never be able to put the pieces together.« Mit diesem Ausdruck der Unsicherheit beginnt Ezgi Kılınçaslans Video »Berlun«, ein extrem verdichteter Foto-Film, der mit der Handykamera aufgenommene Schnapschüsse und Selbstporträts ineinanderblendet. Die visuelle Intimität der wechselnden Gefühlszustände und Alltagserlebnisse der Künstlerin wird von einem Monolog begleitet, den sie selbst auf Türkisch spricht und dessen Übersetzung als englische Untertitel im Video erscheint. Kılınçaslan erzählt, wie sie von Istanbul nach Berlin zog, um als Meisterschülerin an der Kunstakademie zu studieren, es ihr aber vorkam, als hätte sie Istanbul nicht verlassen. Hier wie dort scheinen Blicke und Kommentare auf der Straße für eine gesellschaftliche Wirklichkeit zu stehen, die durch Sexismen und fixierte Geschlechterrollen, tradierte bürgerliche Wertvorstellungen und nationale Projektionen bestimmt wird.

Gegen dieses Dickicht der Zuschreibungen, das sich angesichts einer migrantischen wie weiblichen Identität als besonders eng und erstickend erweist, setzt Kılınçaslan die Verweigerung, sich festlegen zu lassen. Der Idee einer Welt fern des Denkens in einfachen Schwarz-Weiss-Kategorien kommt das Video auch auf formaler Ebene nach. Ergänzend zur Technik der Einzelbildmontage, die Raum und Zeit komprimiert, ineinander verwischt und überlagert, belegt die Künstlerin einzelne Verb- und Substantivpositionen der englischen Untertitel mit je zwei bis drei verschiedenen Wörtern. So entsteht ein kluges Spiel mit nuancierten Bedeutungsverschiebungen und Mehrdeutigkeiten, das gleichsam auf eine radikale Subjektivität verweist.

Das Politische im Persönlichen zu suchen und zu finden – diese vertraute Formel übersetzt Kılınçaslan mit künstlerischen Mitteln in eine unverstellte Geste der Selbstbehauptung, die anfängliche Verwirrung in der Begegnung mit der neuen Stadt mündet in die Apologie eines gestärkten Ichs: »pouring/shouting/screaming out not what i am obliged to but what comes from my heart.«

(Florian Wüst)

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Ezgi Kilincaslan
Berlun