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„Um 1926 sammelt sich das Talent Kirchners wieder zu einer neuen Leistung, indem er alles früher Erreichte zusammennimmt und in einer Technik, die sich in ihrer Einfachheit der der Frühwerke nähert, visionäre Gestaltungen hervorbringt.“ Mit diesen Worten umschreibt Ernst Ludwig Kirchner als Kunstkritiker in eigener Sache unter dem Pseudonym Louis de Masalle die Bedeutung seines in der Schweiz entstandenen Spätwerks. Die Kunstgeschichte diskutiert über die Bedeutung dieser späten Bilder. Was in der Diskussion unbeachtet blieb, war, dass Kirchner in seinem Spätwerk formale Phänomene der Malerei vorwegnahm, die man sieben Jahrzehnte nach seinem Freitod auch in der zeitgenössischen Kunst wieder findet. Aus diesem Grund, und auch um die Bedeutung der späten Bilder innerhalb Kirchners Gesamtwerks erneut zu befragen, lohnt sich ein frischer Blick auf die Schweizer Arbeiten des für die deutsche Malerei so einflussreichen Künstlers. Vom 13. September bis 25. Oktober ist dies in einer in Europa seltenen Ausstellung in den Räumen von Julius Werner Berlin möglich. Kaum gezeigte Gemälde und zahlreiche Zeichnungen aus den Jahren 1921 bis 1935 zeigen die bislang kaum beachtete starkfarbig-kräftige Formensprache des späten Kirchners.

Ernst Ludwig Kirchner gehörte neben Karl Schmidt-Rottluff, Erich Heckel und Fritz Bleyl zu den Gründervätern der Künstlervereinigung die „Brücke“, die mit ihrem Zusammenschluss 1905 in Dresden dem Expressionismus im deutschen Sprachraum den Boden ebneten. Der 1880 in Aschaffenburg geborene Kirchner war 1917 nach Davos gezogen, um dort Genesung von dem ersten Weltkrieg geschuldeten gesundheitlichen Problemen zu suchen. Die um 1924 entstandenen Bilder kündigen bereits den Stil seiner Schweizer Zeit an. Statt durch zackige Kraftlinien, erregten Pinselstrich, starken Farbauftrag und eine dichte, aus dem urbanen Leben entnommene Motivfülle wie in den Berliner Bildern zeichnen sich die späten Werke durch abstraktere Motivbehandlung, geometrischere Kompositionen, flächigere Malweise, eine starke, fast halluzinierende Farbigkeit und Motiventnahmen aus der Phantasie aus. In den Schweizer Bildern versucht Kirchner damit nicht mehr das Leben inhaltlich zu fangen, sondern ganz im Sinne der damaligen avantgardistischen Malerei Antworten auf formale Fragestellungen zu finden. Dieses Interesse hat sich jedoch nicht erst in der Abgeschiedenheit der Schweizer Berge herausgebildet, es wurzelt vielmehr in seinen frühen Dresdner Jahren - der Zeit der Suche nach einem „neuen Stil“ - und der damaligen Auseinandersetzung mit der angewandten Kunst der Tapisserie. In der Schweiz griff er auf die textile Kunst als ein Mittel zurück, Form und Farbe überzeugend zu organisieren. Die Fragestellung, die Kirchner in den Schweizer Jahren beschäftigte, war damit eine alte, die Lösung hingegen progressiv.

Zur Ausstellung erscheint ein musealer Katalog (104 Seiten, 82 zumeist großformatige, farbige Abbildungen) mit einem grundlegenden Text von Dr. Pamela Kort in deutsch und englisch, der das Spätwerk Kirchners einer neuen Betrachtung unterzieht.

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Ernst Ludwig Kirchner
Späte Bilder