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SCHRANK-SCHREIN-TOTENSCHREIN So fand die Künstlerin für ein Projekt (Sommerwerkstatt Endmoräne e.V.) im kleinen Orte Gusow Schränke, die eine objekthafte Assoziationskette ihrer eigenen Familiengeschichte auslösten. "Diese Installation ist eine Hommage an einen Ausschnitt deutscher Geschichte, in den die Lebenszeit meiner Großeltern, Eltern und der Beginn meines Lebens gefallen sind. (Oder fallen wir mit unserer Geburt in einen Abschnitt Geschichte, der ganz ohne unser Zutun abläuft, und woran wir uns abzuarbeiten und zu reifen haben?).

Diese Schränke fand ich auf dem Boden des Bahnhofes so vor, wie sie jetzt stehen. Ihre Positionen zueinander assoziieren mir eine Familienausstellung: Großvater, Mutter, Vater." Diese an sich schon assoziationsreichen Schränke werden angefüllt mit Fotos, Bildern, Alltagsdingen, Küchengerät von ihrer Familie und erfahren eine sparsame Kommentierung durch eigene Kunstwerke. „Die handelnden Personen sind gestorben. Zum Schrank sagte man im 19. Jahrhundert Schrein. Die Schränke werden durch mein Hinzutun zu Totenschreinen, zu Gedenk- und Erinnerungsschreinen."

Im Zimmer davor lassen wulstige, grau-weiße Gipsabgüsse an eine lyrische Minimalartvariation denken. Doch es sind Abgüsse von Badewannen und Säwannen – eigentlich muss man von Gipsausgüsse sprechen, da die Leere zur festen Form wurde; gewissermaßen erstarrte die Luft oder das oft zum Bade eingegossene Wasser zum grabhügelähnlichen Gebilde. An der Stirnwand des letzten Zimmers ist die Künstlerin auf digitalgedruckten Vergrößerungen zu sehen: "Verschärfte Kontrolle". Die Vorlagen sind die allseits gefürchteten Polizeifotos bei der Nichtbeachtung von festgelegten Straßenverkehrsvorschriften. Dementsprechend verwaschen und verhuscht erscheint die Künstlerin im Kontrollauge des Gesetzes. Das Paradoxe wird zur Basis der Gesetzgebung: Das schnelle Verschwinden der Person aus der Optik der Überwachungskamera erzeugt unscharfe Porträts. Doch gerade sie sollen in Verbindung mit dem Autokennzeichen die Authentizität des Fahrers bezeugen und seine zeitlich dokumentierte Anwesenheit an diesem konkreten Ort.

ENTFERNTE INHALTE Verpackungsmaterialen fristen ein banal-tragisches Dasein: solange sie das begehrte Objekt des Gebrauchs oder des Verbrauchs noch umhüllen, werden sie als notwendiges Übel akzeptiert. Sowie das Objekt seiner Bestimmung zugeführt wird, fallen die Hüllen ihrer Vernichtung anheim. Aufgrund der Farbabstinenz dieser von Erika Stürmer-Alex genutzten Hüllen kann sich die Form in einem unfunktionalen Zusammenhang voll entfalten. Die verschwundenen Geräte hinterlassen verschattete Eindrücke und schlaglichtartig beschienenen Ausbuchtungen. Gleich den Dinosaurierabdrücken im Jahrmillionen alten Ton – regen diese nun unsere Fantasien an. Vorerst scheint interessant zu sein, welches seltsame Gerät wohl dort mal hauste. Doch dieser Aspekt ist schnell vergessen. Dann beginnt das Rätselraten: Ist das eine kubistische Skulptur? Sind das vom Zufallsgenerator gebaute Städte? Denn die Fantasie ergeht sich in den weiß-gelb-gealterten Styropor Wohnsilos auf dem Rasen, wundert sich über die unzähligen antiken und neuzeitlichen Varianten der Amphitheater, über die Startbahnen für die Enterprise oder man erstarrt vor Ahnungen neoklassizistischer Stadtalpträume und dem Vorhof realer Megastädte. Kopien mit Grundrissen von Verpackungen und ihren farblichen Kommentaren komplettieren diesen Teil der Ausstellung.

Armin Hauer

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Erika Stürmer-Alex
Schrank, Schrein, Totenschein, Entfernte Inhalte
Installation, Objekte, Malerei
Ort: PACKHOF DES MUSEUMS