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Die Ausstellung „Eins Plus Eins“ ist keine herkömmliche Gruppenausstellung mit einem gemeinsamen thematischen Fokus, sondern besteht vielmehr aus fünf parallelen Künstlerräumen. Damit wird einer Besonderheit des M.1, des Gebäudes der Arthur Boskamp-Stiftung, Rechnung getragen: Jeder einzelne der grosszügigen Ausstellungsräume hat ganz eigene, spezifische Qualitäten, auf die die fünf eingeladenen Künstler und Künstlerinnen individuell und in unterschiedlichen künstlerischen Medien reagieren. So gibt es u.a. einen modernpuristischen Neubau, historische Räume in der Massivbaracke des ehemaligen Militärlagers Lockstedter Lager, sowie Räume und Kabinette, die an ein Forschungslabor und damit an die Geschichte des Gebäudes als ehemaligem Sitz eines Pharmaunternehmens erinnern.

Joachim Koester (Kopenhagen/ New York, geb. 1962) interessiert sich, wie er selbst sagt, für die „Psychogeografie“ von Orten. Er sucht geschichtlich oder mythisch aufgeladene Schauplätze auf, um zu erfahren, welche Kraft dem Geheimnisumwitterten und Übersinnlichen, dem Verborgenen und Verdrängten unserer Geschichte heute noch inne wohnt. In dem in originalen Wandfarben gestrichenen, historischen Ausstellungsraum der Massivbaracke M.1 zeigt Joachim Koester seine Videoinstallation „One + One + One“. Darin begibt sich eine junge Frau auf die Spuren des britischen Okkultisten Aleister Crowley, der bis 1923 im sizilianischen Cefalù eine für orgiastische Ausschweifungen berüchtigte Abtei unterhielt. Im verwilderten Garten der verfallenen Villa mit ihren dämonischen und pornographischen Fresken trommelt die Besucherin die Drumline zum Song der Rolling Stones „Sympathy for the Devil“, einer Hymne der Popkultur der 1970er Jahre. Die Entstehung dieses Liedes wurde von Jean-Luc Godard im Film „One Plus One“ dokumentiert, der wiederum Koester zu seinem eigenen Dokumentationsprojekt inspirierte (und uns zum Titel der Ausstellung).

Michael Bauch (Hamburg, geb. 1951) ist ein Künstler, der sich auf konzeptuelle und zugleich sinnliche Art und Weise der Gewichtung von Fläche, Farbe und Rhythmus in der Malerei widmet. In seinen ungegenständlichen und assoziationsreichen Bildern faltet, schlitzt oder zerschneidet der Künstler des öfteren den Malgrund, so dass die Flächigkeit des Bildträgers gewaltsam aufgelöst wird und vor- und zurücktretende, positive und negative Bildebenen entstehen können. Trotz einer selbstbewussten Setzung von Farbe und Form, trotz eines klaren und formal-analytischen Bildaufbaus strahlen die Werke von Michael Bauch eine erstaunliche Offenheit und Freiheit aus, wird das gleichförmig Ornamentale regelrecht dynamisiert und aufgeladen.

Die Fotografien von Jochen Lempert (Hamburg, geb. 1958) sind durchgängig in schwarz-weiß gehalten, vom Künstler selbst abgezogen, und werden ohne Rahmen in unterschiedlichen Formaten und in jeder Ausstellung in neuen Konstellationen direkt auf der Wand befestigt. Diese Form der Präsentation ist gleichzeitig bescheiden und direkt, lapidar und eigen. Der studierte Biologe Jochen Lempert widmet sich in seiner Kunst Alltagsphänomenen sowie Strukturen, die fast völlig abstrakt anmuten: Meeresoberflächen, Sandkörner, Vulkanausbrüche, Vögelschwärme am Himmel, der Hinterkopf eines Rehs, eine Fliege in der Luft. Es ist eine Art subjektiver Naturkunde, die der Künstler betreibt, eine Form der Feldforschung, ein phänomenologischer, von Neugier getriebener Zugang, den seine Arbeit auszeichnet. Jochen Lempert stellt mit seinem eigenwilligen Blick die Art und Weise, wie wir unsere Umwelt wahrnehmen oder auch nicht wahrnehmen, infrage und lässt uns unvoreingenommener und wachsamer die Welt, in der wir leben, entdecken und ungeahnte Zusammenhänge erkennen.

Eva von Platen (Nürnberg, geb. 1965) zeigt eine große Wandarbeit aus vielen Zeichnungen und Collagen, sowie einen neuen, noch nie gezeigten Film in einem eigens dafür konstruierten Guckkasten. In schnellen Skizzen, hintersinnigen Montagen und überraschenden Collagen legt die Künstlerin Absurdes, Banales und Skurriles ihrer Umgebung und des Alltags frei und stellt es in neue, wohl durchdachte Kontexte. Eva von Platen ist schnell, messerscharf und schonungslos; sie konfrontiert den Betrachter mit den Absurditäten des Alltags, der Werbung, der Medien und schafft so „unerwartete Kollisionen von Bild- und Sinnzusammenhängen“ (E. v. Platen). Dabei sind ihre Arbeiten keineswegs verkürzt und oberflächlich, sondern spinnen ein subtiles Netz zur Psychologie, Psychoanalyse, Kunsttheorie und Philosophie. Sie verlieren bei aller Schonungslosigkeit und Lakonik nie eine gewisse Leichtigkeit und staunende Heiterkeit.

Der puristisch-klaren und strengen Architektur des Neubaus des M.1 setzt Alexandra Bircken (Köln, geb. 1967) gleichsam ‚versponnene‘ skulpturale Rauminstallationen aus Wolle, Ästen und gefundenen Dingen entgegen: Gewebtes, Verknüpftes, Gebasteltes und Verwobenes. Die Künstlerin hat auch eine große Raumskulptur speziell vor und für den Ort geschaffen. Birckens künstlerische Werke sind wie Texturen, in denen nicht eine einzige Masche der anderen gleicht, in denen die Beschaffenheit des Gewebes stets abwechslungsreich und überraschend ist. Dem Faden kommt dabei eine entscheidende Bedeutung zu: Er ist es, der verknüpft und verbindet, umwickelt und umgarnt, beschützt, überbrückt und Distanz vermisst. Unprätentiös und spielerisch-leicht kommen die künstlerischen Arbeiten von Alexandra Bircken daher; eigensinnig, verletzlich und schön sind sie in ihrer Brüchigkeit und in ihrem Bemühen, zu verbinden ohne das jeweils Eigene des Fragmentarischen zu nivellieren. So gesehen sind sie ein Plädoyer für die Relevanz des Konstrukts und seiner Einzelteile – ein zentrales Anliegen der Ausstellung insgesamt – oder, wie es Jean-Luc Godard über seinen oben erwähnten Film über die Rolling Stones formulierte, „One Plus One ist nicht zwei, sondern One Plus One.“

Zur Eröffnung gibt es einen Shuttle-Service zwischen Itzehoe und Hohenlockstedt. Anmeldung: buero@arthurboskamp-stiftung.de

Öffnungszeiten: Samstag / Sonntag 14 - 18 Uhr In dieser Zeit ist auch das Café geöffnet.

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EINS PLUS EINS
5 parallele Einzelausstellungen
Kurator: Brigitte Kölle

Michael Bauch
Alexandra Bircken
Joachim Koester
Jochen Lempert
Eva von Platen