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Pia Linz, Nikols M. Theilgaard und Susan Turcot zeichnen! Die Zeichnung als Träger für die Thematisierung und vor allem Sichtbarmachung gesellschaftlicher, politischer oder alltäglicher Geschehnisse.

Pia Linz (* 1964) lebt und arbeitet in Berlin

Pia Linz beschäftigt sich mit Phänomenen der individuellen Wahrnehmung von Welt. Dabei kristallisieren sich zwei grundlegend verschiedene Verbildlichungskonzepte von Orten heraus. Die dreidimensionalen Haubenbilder und Gehäusegravuren, die zur Werkgruppe der Projektionsarbeiten zählen, entwickelt sie aus einem fixen Standpunkt heraus, von dem aus sie ringsherum die Umgebung mit perspektivischem Blick erfasst. Anders als in den Panoramen des 19. Jahrhunderts, in die sich der Betrachter stellt, blickt hier der ausgeschlossene Betrachter von außen auf die miniaturisierte Welt der Haubenbilder und Gehäusegravuren.

Die großformatigen Bleistiftzeichnungen von Orten, die Pia Linz seit ihrem Aufenthalt in London 2005/2006 entwickelt, kommen einer kartografischen Darstellungsweise nahe und knüpfen in modifizierter Form an ihre frühen Ortsbilder der 80er Jahre an. Oft sind es Orte ihres unmittelbaren Lebensumfeldes, an denen sie in einem monate- manchmal jahrelangen Arbeitsprozess Informationen sammelt, um sie schließlich in einer großen Zeichnung zu vergleichzeitigen. Zunächst vermisst sie den Ort mit Fußschritten und erarbeitet anhand einer selbst entwickelten Fußschrittskala einen genauen Flächenplan. Auf transportablen Planfragmenten notiert sie akribisch unmittelbar vor Ort ihre Beobachtungen und gerät dabei in den Sog der Miniaturisierung. Anschließend überträgt sie die Detailstudien in die Einheit der großen Zeichnung. Während die zahllosen Fußgängerperspektiven zu einer Art Vogelperspektive verschmelzen, wird der Ort in eine freischwebende Monade verwandelt, die nur durch feine Linien noch an eine Fußschrittskala gebunden ist.

Nikolas M. Theilgaard (*1971) lebt und arbeitet in Berlin

Nikolas M. Theilgaards Kunst ist die sinnlich konkrete und gleichzeitig reflektierte Auseinandersetzung mit den Aporien, in die das Anschauliche gerät, wenn die Welt als solche abstrakter wird. Es geht ihm dabei um eine Aneignung von Welt, die sich zunächst auf eine behutsame Weise den sichtbaren Oberflächen zuwendet, diese fixiert und freistellt, um die gleichsam miterfassten Tiefen des Raumes und der Zeit auszuloten. Hierzu bedient sich der Künstler zweier unterschiedlicher Medien, die auf den ersten Blick wenig miteinander gemein zu haben scheinen: der Fotografie und der Zeichnung.

Es geht ihm jedoch nicht um den Gegensatz zwischen der ‚Wiedergabe von Tatsachen, Dingen und Landschaften’ und der konzeptuellen Aneignung von Wirklichkeit, nicht um unterschiedliche Arten der Wahrnehmung von Welt, sondern um zwei verschiedene Methoden, die Welt zum Bild zu machen. Auf der einen Seite das Bild als ein gerahmtes Fenster, dem wir unser Auge zuwenden, und auf der anderen Seite das Bild, das an die Stelle des Auges tritt und dadurch den Rahmen und unseren Standpunkt unbestimmt lässt. (Harald Uhr) Theilgaard hat Ende letzten Jahres während seines einmonatigen Stipendiums in Damaskus eine neue Arbeit entwickelt, in der er das Labyrinth Stadt als eine sich gerade fortsetzende Linie untersucht. In einer Verbindung als Reisender und Kartograph, der sich auf unbekanntes Territorium begibt, hat er seine täglichen Erkundungsgänge durch das altertümliche Zentrum der Stadt nachgezeichnet. Wie ein sich aufrollendes Wollknäuel verstreuen sich die Linien und bilden ein scheinbar unentwirrbares Labyrinth. Bei diesen Exkursionen bezieht sich der Künstler auf Carsten Niebuhr der 1766 die Stadt in wenigen Tagen zu Fuß durchwanderte und eine Karte der Altstadt gezeichnet hat.

Susan Turcot (*1966) lebt und arbeitet in London

Susan Turcot arbeitet vorwiegend mit dem Medium der Zeichnung, die in ihrem Werk ein breites Spektrum umfasst. Von tagebuchartigen Skizzen über expressive Kohlezeichnungen bis hin zu hoch entwickelten Liniengefügen, die auf dem Papier räumliche oder figürliche Strukturen bilden. In ihren Zeichnungsserien, die zum Teil als zeichnerische Reportage entstehen, setzt sie sich einerseits gegenständlich mit aktuellen politischen Themen auseinander, andererseits geht es ihr immer auch um die Brechung der Realität im zeichnerischen Akt, indem ihre zeichnerische Hand eine Synthese erzeugt zwischen äußerlicher Wirklichkeit, analysierendem Verstand und innerem Ausdruck jenseits der Sprache. Die Künstlerin zeigt u.a. eine Reihe von Bleistiftzeichnungen, die sich auf ein Ereignis der israelisch-palästinensischen Auseinandersetzungen im Jahre 2004 beziehen.* Die Zeichnungsserie entstand nach einem Foto, dass ein Berichterstatter aufgenommen hatte, kurz nachdem ein israelischer Panzer den einzigen Zoo in Rafah zerstört hatte. Es zeigt im Vordergrund einen einzelnen Kranich, der inmitten von Überresten eines zerstörten Hauses steht.

Die Zeichnungen, die auf diesem Foto basieren, untersuchen das, was zum Schauplatz eines unsäglichen Dilemmas von Verdrängung und Krisen wurde - dargestellt am Beispiel dieses einen Tieres, das stellvertretend als überlebender Zeuge unserer unsinnigen Übergriffe steht. Das Abbild dieses einsamen verkrüppelten Vogels zwingt uns den Spiegel vorzuhalten und über unsere eigenen Grenzen hinaus zu sehen. *Israelische Bulldozer und Panzer haben im Mai 2004 in Rafah/Israel und Umgebung Häuser und einen kleinen privaten Zoo ohne Rücksicht auf Mensch oder Tier niedergewalzt, nachdem gepanzerte IDF- Fahrzeuge mit Helikopter-Unterstützung im benachbarten Brazil Stellung bezogen hatten.

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DRAW STRANGER DRAW!
Pia Linz, Nikolas M. Theilgaard, Susan Turcot