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Seit über zwei Jahrzehnten sind William Eggleston und Wilmar Koenig befreundet. 1983 besuchte der amerikanische Fotograf zum ersten Mal Berlin und ein Jahr später verbrachte der Berliner Fotograf einige Wochen in Memphis, Tennessee. In den folgenden zwanzig Jahren besuchten die beiden Künstler einander regelmäßig und unternahmen gemeinsam zahlreiche Exkursionen, auf denen sie, wie gewohnt, zu fotografieren pflegten. Sicherlich wäre es ein lohnendes Unterfangen, jene auf ihren Streifzügen - von St. Petersburg bis Kyoto - gemeinschaftlich entstandenen Aufnahmen nebeneinander zu präsentieren, was in der Tat - auch wenn nur in einer reduzierten Fassung - unsere ursprüngliche Absicht war. Bald mussten wir jedoch einsehen, dass weder unsere Raumkapazität diesem ehrgeizigen Plan genügen konnte, noch das Einverständnis des Eggleston Artistic Trust zwecks der nötigen Leihgaben dafür zu erwirken war.

Unsere Ausstellung, die ausschließlich mit Leihgaben aus dem Besitz von Wilmar Koenig zusammengestellt wurde, beschränkt sich somit lediglich auf zwei Perioden: die Zeit der ersten Begegnungen Mitte der achtziger Jahre in den Südstaaten Amerikas und ihres letzten Treffens in Madrid im Juni dieses Jahres anlässlich einer Preisverleihung an Eggleston. Diese Einschränkung erweist sich aber nicht nur als eine höchst interessante Gegenüberstellung von Bildern, zwischen denen eine Zeitspanne von zwei Jahrzehnten liegt, sondern sie kann da-mit renommieren, dass alle ausgestellten Arbeiten - mit ganz wenig Ausnahmen - zum ersten Mal gezeigt werden. "Egglestons aktuelle Bilder aus Madrid", schreibt Matthias Harder in sei-nem Katalogessay, "und diejenigen von Wilmar Koenig, diese momenthaften Realitätssplitter, stellen - innerhalb des jeweiligen Bildwerkes - einen weiteren Mosaikstein in der zeitloszeitgenössischen Visualisierung städtischer Lebensrhythmen dar, kurzum: sie zeigen die Banalität unserer alltäglichen Umwelt, mit rätselhafter Poesie und dem spröden Charme einer neugierigen Beiläufigkeit inszeniert.

Von den beiden Künstlerfreunden ist William Eggleston der Ältere und international Bekanntere. Der 1939 in Memphis geborene Eggleston gilt, neben Stephen Shore, als Pionier der künstlerischen Farbfotografie. Diese, deren Anwendungsgebiete bis zu dem Zeitpunkt (abgesehen von der zunehmend populären Amateurfotografie) nur der Werbe-, Mode-, Industrie-, Wissenschaft- und Reportagefotografie vorbehalten war, hat er zu einem unabhängigen künstlerischen Medium geformt, in dem er das Potential der Farbe als fundamentales ästhetisches Ausdrucksmittel entdeckte und dies als einen vitalen Aspekt der Gestaltung einsetzte.

Die der direkten Wiedergabe der Realität verpflichtete Schwarzweißfotografie seiner amerikanischen Zeitgenossen (Walker Evans, Robert Frank, Lee Friedlander und Garry Winogrand) transformierte Eggleston in nuancenreiche Farbigkeit. Mit traumwandlerischer Sicherheit erfassen seine "Schnappschüsse" scheinbar banale Alltagsszenen, die sich bei näherem Hinsehen als komplexe Wirklichkeitsbeobachtungen entpuppen, die das Nebensächliche in den Mittelpunkt rücken.

Was den fünfzehn Jahre jüngeren Wilmar Koenig mit William Eggleston verbindet, ist einerseits die konsequente Verwendung der Farbfotografie und andererseits die in der dokumentarischen Tradition stehende Arbeitsweise. Im Gegensatz zu Egglestons Spontaneität suggerierenden, auf den ersten Blick wie amateurhaft wirkenden Ästhetik, stehen indessen die präzis gestalteten musealen und architektonischen Innen- und Außenräume in Koenigs Fotoserien der letzten Jahre, die den studierten Architekten verrät. Unsere Ausstellung und die sie begleitende Publikation konzentrieren sich jedoch auf jene frühen und allerneuesten Arbeiten Koenigs, die dem Geist seines Freundes näher stehen. Es sind keine arrangierten, statisch komponierten Aufnahmen, sondern Bilder, die sich dem Blick des "Flaneurs" bieten.

Die Ausstellung trägt den Titel "Double Exposure", den englischen Fachausdruck für Doppel-belichtung. Sie verweist einerseits auf die Doppelbedeutung des Wortes "exposure" im Englischen, das sowohl für "Belichtung" als auch für "Exponieren", "dem Blick ausgesetzt sein" steht, was hier im doppelten Sinne mit den Arbeiten der beiden Künstler geschieht. Auf der anderen Seite, wie in der Doppelbelichtung eine Begegnung verschiedener Motive auf einer Ebene der Wahrnehmung stattfindet, verschmelzen die unterschiedlich gesehenen Wirklichkeiten Egglestons und Koenigs zu einem künstlich-künstlerischen Gebilde. Das Faszinierende an der "double exposure" ist das nichtvorhersehbare Resultat der Zusammenfügung zweier Blickwinkel. Ähnlich wie in der Technik der Doppelbelichtung soll in unserer Ausstellung eine Synthese entstehen, die als Ganzes mehr ist, als die Summe ihrer einzelnen Teile.

Der Katalog, der im Verlag Braus erscheint, bildet nahezu alle Exponate der Ausstellung farbig ab. Die Textbeiträge stammen von Alexander Tolnay und von Matthias Harder, Kurator der Berliner Helmut Newton Stiftung. Pressetext

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Double Exposure - William Eggleston / Wilmar Koenig