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Eröffnung: Sonntag, 12. Juli / 15 Uhr

Die Moderne ist dominiert vom radikalen Wandel in der Kunstauffassung gegen Ende des 19. Jahrhunderts, als progressive Künstler beginnen neue Wege zu beschreiten: weg von der reproduktiven Wiedergabe eines von Wissenschaft und Technik überholten Welt- und Menschenbildes, hin zu mehr bildnerisch-experimenteller Freiheit und Erschließung neuer Darstellungsformen und -bereiche. In der Folge entwickeln sich in Europa und den USA eine Vielzahl z.T. einander durchdringende Stilrichtungen mit den primären Gestaltungsmerkmalen Abstraktion, Expression oder surreale Verfremdung in Verbindung mit freier Form-, Farb- und Raumgebung. Eine ganze Reihe der Protagonisten dieser neuen Kunst ist in der hier gezeigten Sammlung Gast mit handsignierten Originalgraphiken vertreten.

Christian Rohlfs 1849 Käthe Kollwitz 1867 Max Liebermann 1869 Ernst Barlach 1870 HAP Grieshaber 1871 Ernst Ludwig Kirchner 1880 Erich Heckel 1883 Oskar Kokoschka 1886 Karl Hofer 1887 Josef Albers 1888 Gerhard Marcks 1889 Max Kaus 1891 Max Ernst 1891 Otto Dix 1891 Andrea Paul Weber 1893 Christian Schad 1894 Victor Vasarely 1908 Max Bill 1908 Bernhard Schulz 1915 Karl Fred Dahmen 1917 Joseph Beuys 1921 K.R.H. Sonderburg 1923 James Rosenquist 1923 Robert Rauschenberg 1925 Bernard Buffet 1928 Claes Thure Oldenburg 1929 Bruno Bruni 1935 Mimmo Paladino 1948

Laudatio

Versuch einer Annäherung an die Kunst der Moderne

Um ihrem Zweck zu genügen kann und muss die Botschaft von Plakaten und Einladungen möglichst kurz und knapp sein, verehrte Damen und Herren, zu Ihrer weiteren Information, daher noch ein paar ergänzende Anmerkungen zu dieser Ausstellung.

Der Titel „Die Moderne auf Papier“ will einschränken und darauf verweisen, dass es sich bei den hier gezeigten Werken ausschließlich um Graphik handelt, mehrheitlich um Druckgraphik: also Holzschnitte, Lithographien, Radierungen u.a., dazu noch einige Bleistiftzeichnungen und Plakate, die meisten davon schwarz-weiß, einige farbig, aber alle von den Künstlern handsigniert und damit als Originale zertifiziert.

In der Kunst des 20.Jahrhunderts, kurz „Moderne“ genannt, erfuhren die druckgraphischen Techniken ihre Wiederentdeckung und neue kamen hinzu, denn viele bedeutende Künstler dieser Bewegung haben sich auch als Graphiker betätigt. Fanden sie doch in der reduktiven Unmittelbarkeit des Graphischen mit seinen harten Konturen und Kontrasten das ideale Ausdrucksmittel ihrer bildnerischen Auffassungen und Ideen.

Das Wort „Moderne“ stammt aus dem Französischen und steht zunächst für das gegen Ende des 19.Jahrhunderts aufkommende neue Lebensgefühl, den Zeitgeist also, beschreibt im Folgenden aber auch die Stilentwicklungen der Kunst des 20. Jahrhunderts.

Die Kunsthistoriker unterscheiden hierbei noch zwischen der klassischen Moderne ( bis etwa bis zur Jahrhundertmitte), der Postmoderne (bis etwa um die Jahrhundertwende) und der Zeitgenössischen Moderne (bis zur Gegenwart). Nicht wenige vertreten die Ansicht, alle wichtigen und wesentlichen Grundlagen der modernen Kunst seien bereits von den großen Genies des 19.Jh. geschaffen worden und sprechen daher auch noch von einer Promoderne. Sie verweisen darauf, dass der Schlüssel zum besseren Verständnis der modernen Kunst demzufolge in ihren Anfängen zu finden sei, wo Ursache und Schrittfolge ihrer Entwicklung, wie aber auch die Verbindung zur Tradition noch am augenscheinlichsten sind.

Dieser Auffassung folgend, verehrte Damen und Herren, soll auch unser gemeinsamer Versuch einer Annäherung an die Moderne von dort aus erfolgen, wenngleich auch nur in stark verkürzter und sehr unvollständiger Form. Aber alles Weitergehende würde den zeitlichen Rahmen des Zumutbaren allzu sehr überschreiten.

Wie bei allen kulturellen Erscheinungen ist auch der Beginn der Moderne nicht auf ein bestimmtes Datum zu fixieren, sondern hat sich vielmehr im fließenden Übergang aus den naturalistischen Strömungen des 19.Jh. allmählich entwickelt. Aufklärung und Französische Revolution, Wissenschaft und Technik veränderten das überkommene Welt- und Menschenbild von Grund auf und ließen die alten Vorstellungen von der Ordnung der Welt und des Glaubens fragwürdig erscheinen.

Im Zuge seiner geistigen Befreiung und größeren materiellen Unabhängigkeit durch aufkommende Industrialisierung, entwickelte der Mensch ein neues Selbstverständnis. Geisteswissenschaftler und Künstler begannen ein neues Weltbild zu entwerfen. Allen voran die Maler, die uns seit jeher die bildlichen Vorgaben unserer Vorstellungen und Anschauungen geliefert hatten, wandten sich nun verstärkt dem Irdischen zu und priesen in romantisch verklärten Bildern die Schönheit von Natur und Landschaft als Kosmos der Seele. So zum Beispiel Kaspar David Friedrich mit der transzendenten Symbolik seiner mystischen Stimmungsbilder oder wenig später William Turner mit der abstrahierenden Dramatik seiner ekstatischen Farbvisionen. Dessen Lichtmalerei beeinflusste viele nachfolgende Malergenerationen und leitete bereits den ersten Bruch mit den verstaubten akademischen Konventionen ein, die zur Jahrhundertmitte von Honoré Daumier offen verhöhnt wurden. Seine mit expressiv groben Pinselstrichen gemalte neue soziale Wirklichkeit großstädtischer Massen mit hartrealistischem Wahrheitsgehalt brachten ihn nicht nur in Verruf als „Schmierer“, sondern sogar ins Gefängnis. Künstler ihrer Kunst wegen in Polizeigewahrsam zu nehmen hat also eine lange Tradition. Die Avantgarde hat es noch zu keiner Zeit leicht gehabt – auch heute nicht!

In der lichtdurchfluteten Atmosphärik der impressionistischen Meister um Claude Monet erfuhr der Naturalismus schließlich seine höchste Steigerung und zugleich auch sein Ende.

Denn mit dem von Georges Seurat begründeten Pointillismus, eine auf Umkehrung der Spektralanalyse beruhenden Darstellungsweise mit einzelnen Farbpunkten, kündet sich bereits ein grundlegender Wandel in der Bildauffassung an: weg von den tradierten Sehgewohnheiten, hin zu mehr bildnerisch-experimenteller Freiheit und Erschließung neuer Darstellungsformen und -bereiche.

Den endgültigen Bruch mit der Tradition vollzog dann zur Jahrhundertwende Paul Cezanne, der in seinem Spätwerk die Landschaft in ihrem elementaren, geometrischen Grundgefüge sichtbar zu machen und die Farben nach geistigen Werten zu modulieren versuchte: Die Natur ist nicht mehr Gegenstand, sondern nur noch äußerer Bezugsrahmen.

Damit gelang ihm als erstem, die rein malerische Wahrheit der Welt aus ihrer bislang verborgenen Tiefe zu holen und die Malerei von einer rein abbildenden zu einer bildenden Kunst zu erheben.

Um die Jahrhundertwende leitete James Ensor von Belgien aus mit seiner dämonisch maskierten Figurenwelt den Surrealismus ein, der in die Vorstellungswelt des Irrationalen und Traumhaften vordrang und die Mystifikation des Absurden zum Gegenstand hatte. Max Ernst, René Magritte und Salvatore Dalí führten diese Stilrichtung später zur höchsten Vollendung. Von Max Ernst ist übrigens ein Frühwerk aus seiner dadaistischen Schaffensphase in dieser Ausstellung zu sehen.

Von den Form- und Farbprinzipien Cezannes ausgehend gelangte Pablo Picasso bei seiner Suche nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten, die allein aus der schöpferischen Vorstellungskraft des Künstlers leben, zur kubistischen Dingzerlegung.

Sein 1907 entstandenes Schlüsselwerk „Les Demoiselles D´Avignon“, in dem er erstmals den menschlichen Körper wie in einem Kaleidoskop prismatisch aufsplittert und die Gleichzeitigkeit mehrer Ansichten synthetisch zusammenfügt, war die Initialzündung für den Kubismus, der bald nach ganz Europa und Nordamerika ausstrahlte und viele nachkommende Künstler inspirierte.

Parallel hierzu entwickelte sich ebenfalls von Frankreich aus die internationale Kunstströmung des Jugendstils, der einen flächig-linearen Stil propagierte und die sinnliche Wahrnehmung in den Vordergrund stellte, wobei eine dekorativ-fließende Ornamentik zum Charakteristikum wurde. Besonders in Österreich, und der Schweiz gelangte der Jugendstil zu höchster Blüte und hatte dort in Gustav Klimt und Ferdinand Hodler seine wichtigsten Vertreter.

Inspiriert von den großen Einzelgängern Paul Gaugin, Vincent Van Gogh und Edward Munch, die zur Steigerung ihrer psychologisierenden symbolhaften Darstellungsweise verzerrte Formen und übersteigerte Farbkontraste einsetzten, entwickelte sich gleichzeitig unter maßgeblicher Beteiligung deutscher Künstler der Expressionismus. Zu seinen Hauptrepräsentanten gehören Ernst Ludwig Kirchner, Erich Heckel und Karl Schmitt-Rotluff, die alle in unserer Ausstellung vertreten sind. Eine zeitgenössiche Variante dieser Stilrichtung ist das Werk des belgischen Malers Cornelius Guillaume van Beverloo, kurz Corneille genannt, auf der ersten Etage.

Vom Kubismus befruchtet entwickelte sich in Russland der Konstruktivismus, der nicht mehr die Wirklichkeit nachahmt, sondern durch eine aus geometrisch-technischen Formen konstruierte Realität ersetzt. Einer seiner wichtigsten Vertreter und späterer Bauhauslehrer Vassili Kandinski schuf 1910 die erste gegenstandslose, völlig abstrakte Komposition ohne Bezug zur sinnlich-konkret wahrnehmbaren Realität. Ein Beispiel hierfür ist das Werk seines Landsmanns André Lanskoy auf der oberen Etage. Ein anderer, Kasimir Malewitsch, malte vier Jahre später sein berühmtes „Schwarzes Quadrat“, die Ikone der abstrakten Malerei schlechthin.

Annähernd zeitgleich entwickelt sich von Italien aus der ebenfalls vom Kubismus beeinflusste Futurismus, mit Omberto Boccioni, Carlo Cará und Gino Severini als Hauptakteure.

Sie übernahmen die kubistische Simultansichtigkeit, übersteigerten dieses Gestaltungsmittel jedoch noch mit Elementen des Dynamischen und versuchten, einem von Elan und Bewegung strotzenden Weltbild zeitgemäßen Ausdruck zu verleihen.

Sie haben es sicher längst gemerkt, meine Damen und Herren, spätestens ab hier beginnt die Entwicklung der Moderne höchst unübersichtlich zu werden, sie verzweigt sich beinah explosionsartig, wie ein riesiger Baum mit zahllosen Verästelungen und Überlappungen.

Im Gegensatz zu vorherigen Kunstepochen, wie Romantik, Gothik, Renaissance usw., mit nahezu durchgängiger Stiltreue, ist die Moderne von Beginn an durch eine Vielzahl divergierender Stilrichtungen gekennzeichnet. Stilistische Vielfalt ist bis in die Gegenwart ihr Hauptcharakteristikum geblieben und gilt als primäres Indiz ihrer Homogenität und Ganzheitlichkeit.

Unsere Ausstellung kann zwar nicht den Anspruch erheben, repräsentativ zu sein, vermittelt jedoch mit über 30 Werken hochrangiger Vertreter der Kunst der Moderne einen authentischen Eindruck sowohl von dem was ihre Neu- und Andersartigkeit als auch ihre faszinierende Ästhetik ausmacht. Für eine nutzbringende Begegnung mit moderner Kunst ist es nicht so sonderlich wichtig, ihre Kriterien und Unterscheidungsmerkmale zu kennen, also ob ein Werk mehr abstrakt, kubistisch, expressionistisch oder surrealistisch usw. einzuordnen ist, sondern sich ohne Vorurteile und bestimmte Erwartungen darauf einzulassen. Dabei kann es von Nutzen sein, das Werden und Sosein dieser neuen Kunst vor allem auf jene geistigen Antriebe und Gehalte hin auszuloten, die hinter ihr und durch sie wirken.

Ich wünsche ihnen dabei viel Vergnügen und bedanke mich für ihre Aufmerksamkeit.

Franz Tiedtke, HöhenArt Hürtgenwald

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Die Moderne auf Papier

Künstler: Christian Rohlfs, Käthe Kollwitz, Max Liebermann, Ernst Barlach, HAP Grieshaber, Ernst Ludwig Kirchner, Erich Heckel, Oskar Kokoschka, Karl Hofer, Josef Albers, Gerhard Marcks, Max Kaus, Max Ernst, Otto Dix, A. Paul Weber, Christian Schad, Victor Vasarely, Max Bill, Bernard Schultze, Karl Fred Dahmen, Joseph Beuys, K.R.H. Sonderborg, James Rosenquist, Robert Rauschenberg, Bernard Buffet, Claes Oldenburg, Bruno Bruni, Mimmo Paladino