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Unter ironischer Bezugnahme auf die Tradition der Weltausstellungen und der »Expos«, die seit mehr als 160 Jahren weltweit an wechselnden Schauplätzen ausgerichtet werden, standen vom 1. bis zum 24. Juni auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens Tempelhof in Berlin, ein Ausstellungsparcours mit 15 Pavillons zur Erkundung bereit. Diese Pavillons verstehen sich nicht als Agenten der Markenbildung von Nationalstaaten, sondern als Orte höchst subjektiver künstlerischer und politischer Reflexion. Über die Grenzen kultureller Disziplinen hinweg suchen Architekten, Theatermacher, Performer, Bildende Künstler die Auseinandersetzung mit Ideen, Systemen und Phänomenen, über die noch die entlegensten Kulturen miteinander global verbunden sind. Gezeigt wird nicht die Welt, wie sie sein wird oder sein soll, sondern wie wir sie wahrnehmen, verstehen, interpretieren.

Die Architektur der 15 Pavillons versteht sich als Beitrag zu einer Diskussion um den sinnvollen Umgang mit Ressourcen. Bei einem Drittel der Ausstellungsräume handelt es sich um Überformungen von Bauten, die zum Bestand des ehemaligen Flugfeldes gehören. Weitere Gebäude werden aus Modulen errichtet, die im Sommer 2011 beim Festival »Über Lebenskunst« im Haus der Kulturen der Welt zum Einsatz kamen. Bei lediglich drei Pavillons, und auch das nur bedingt, handelt es sich um Neubauten.

Der „Pavillon der Weltausstellungen“ von Erik Göngrich ist ein skulpturaler Raum, der einander überlagernde Blicke auf die seit mehr als 160 Jahren stattfindenden Weltausstellungen eröffnet. Eine 40 Quadratmeter große Zeichnung versammelt eine Vielzahl von Aspekten und Geschichten zu 28 ausgewählten Weltausstellungen. Gezeigt wird, dass Stadtentwicklung mit und für Großveranstaltungen nicht mehr zeitgemäß ist und meist ohne Rücksicht auf die Stadtgeschichte und die Bewohner stattfand und stattfindet. An der Außenwand des Pavillons sind 40 gezeichnete Plakate angebracht, auf denen historischen Losungen früherer Weltausstellungen zu sehen sind, kontrastiert durch Slogans, die bislang unberücksichtigt gebliebene Themen und Fragestellungen der Zukunft polemisch zuspitzen.

In einer Architektur, die an die havarierten Reaktorblöcke in Fukushima gemahnt, nähert sich der aus Yokohama stammende Regisseur Toshiki Okada gemeinsam mit seiner Theatergruppe chelfitsch in einer Sprache reduzierter Gesten und knapper Worte der Abstraktheit und der Unermesslichkeit katastrophischer Ereignisse.

Hans-Werner Krösinger, einer der führenden Vertreter des zeitgenössischen Dokumentartheaters, konzipiert in einem Antennengebäude eine belebte Klanginstallation, die sich mit der militärischen Nutzung und der Geschichte der Zwangsarbeit auf dem ehemaligen Flughafen Tempelhof beschäftigt.

Die Videokünstlerin, Performerin und Aktivistin Tracey Rose inszeniert mit Hilfe von Laiendarstellern eine sich über den gesamten Austellungszeitraum erstreckende Seifenoper. Als Bühnenbild dient ihr die überdimensionierte Nachbildung eines Schwarzweißfernsehers der Marke Blaupunkt, der ihrer Familie in Südafrika zu Zeiten der Apartheid einen Zugang zum Weltgeschehen eröffnete.

Der in Berlin lebende Filmemacher Harun Farocki zeigt den ersten Teil eines auf mehrere Jahre hin ausgelegten Rechercheprojekts mit dem Titel »Vorbild/Nachbild«, das die Rolle von Computeranimationen für Simulationssysteme und prognostische Dienstleistungen erkundet. Es geht um die globalen Kreisläufe von Luft, Feuer und Wasser – und das Verlangen nach der Beherrschbarkeit einer Welt, die von einer wachsenden Unsicherheit im Hinblick auf die Vorhersagbarkeit systemisch bedingter Ereignisse geprägt ist.

Das Stuttgarter Architektenkollektiv Umschichten hat aus vorgefundenen Materialien ein Festivalzentrum gebaut, dass für drei Wochen entsteht ein hybrider kultureller Raum fungierte. Er diente den Besuchern von »The World Is Not Fair – Die Große Weltausstellung 2012« als Ort der Begegnung und des Austauschs, aber auch als Veranstaltungsstätte. Hier wurde ein umfangreiches Begleitprogramm mit Vorträgen, Diskussion, Filmvorführungen und Konzerten präsentiert.

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