press release only in german

Cloudless Climes and Starry Skies ist nicht nur ein Vers aus einem von Lord Byrons berühmtesten Gedichte She walks in beauty aus dem Jahr 1814, sondern es ist auch der Titel der Gruppenausstellung von Diana Deu (A) und Christiane Spatt (A), die in der Wiener Galerie Michaela Stock von 20. Jänner bis 10. März ihre neuesten Arbeiten präsentieren werden. Mittels Zeichnung, Malerei, Collage, Decollage, Assemblage, Fotografie und Objektkunst loten die beiden Künstlerinnen Themen wie Erinnerung, Verfall, Schönheit, Glück, Tod, Vergänglichkeit, Nostalgie und Fragen der Geschlechterrollen jede auf ihre spezifische Art und Weise aus. Byrons Gedicht steht hier sinnbildlich für die Rolle und Beschaffenheit von Kunst selbst. Eine in der Literaturwissenschaft verbreitete Interpretation dieser Hymne an eine vorbeischreitende Unbekannte, an ihre äußerliche und innerliche Schönheit, ist, dass das Gedicht als Gleichnis, als Symbol für Ästhetik und Charakter der Kunst steht. Sei es nun für Malerei und ergänzend ebenso für Fotografie, Kunst wird hier als ein Gebilde aus Schatten und Licht gesehen, in welcher alle denkbaren Kontraste - das Schrille, das Hässliche und „Schöne“ – vereint werden. In ihrer Analyse von She Walks in Beauty meint die amerikanische Literaturwissenschaftlerin Uma Kukathas hierzu: „Es gibt so viele variierende, kontrastierende Teile von Kunst und doch kommt alles zusammen um etwas Schönes zu kreieren“ Natürlich nimmt diese Interpretation auf eine ästhetische Auffassung der Romantik Bezug, doch in Hinblick auf die Ausstellung Cloudless Climes and Starry Skies spiegelt sie die Diversität des Schaffens der beiden österreichischen Künstlerinnen wider. Als einer der bekanntesten Vertreter der dunklen Romantik fungieren die Figur des Dichters Byron und sein Werk gewissermaßen symbolisch für Themen und Tendenzen, welche sich unter anderen auch in Diana Deus Oeuvre widerspiegeln. Wie Byrons Figureninventar, so sind auch Deus Helden Projektionen bzw. Inszenierungen ihrer Umwelt, ihrer Erfahrungen; sie sind intelligent, mutig und leidenschaftlich, jedoch gleichermaßen kämpfen sie rastlos. Sie bleiben verletzlich und einsam, und es scheint fast so, als ob ihnen Zufriedenheit und Glück letztlich versagt bleiben. Sinngemäß des archetypischen „Byronschen Helden“ pflastern Außenseiter und selbstdestruktive Rebellen Diana Deus Bilder. Es sind Helden anderer Art, aber nichts desto trotz sind es Helden. Dadurch, dass sich Deu des Öfteren als entrückte Nebendarstellerin (wohlgemerkt und nicht als Protagonistin) in die Gleichung ihrer Bildwelt hineinnimmt, scheinen ihre Arbeiten zusätzlich den Charakter eines geheimen Tagebuchs zu gewinnen. Bis zu einem gewissen Grad mag das auch sein. Die persönlichen Gegenstände, Erinnerungen und Kompostionen entstammen dem Erlebten, so stellt Diana Deu auch selbst fest, wenn sie ihre Arbeiten beschreibt. Sie sieht sie als… „…eine Spurensuche, die um private Bilder, Frauenbilder, Männerbilder, Mythologien-Erzählungen und Geschichten – kreist ... Bilder und Ereignisse, die eine Schnittstelle zwischen Dokumentation, Leidenschaft und persönlichen Symbolen artikulieren - aus einer Art Tagebuch, im weitesten Sinne, des Lebens, einer Welt entspringen. Scheinbar aus der Zeit gefallen, romantisch, nostalgisch, aber im selben Moment gegenwärtig und vielschichtig.“ Persönliche, nicht käuflich erwerbbare Souvenirs sind, so Beate Binder in Gedächtnis und Erinnerung. Ein interdisziplinäres Lexikon , meist eng mit lebensgeschichtlichen Übergängen verbunden – ein autobiografisches Gedächtnis, das in sich in Form eines materiellen Zeichens manifestiert. Diana Deus „Memorabilien“ Sammlung zeigt sich abstrakt: Techniken (Collage, Assemblage, Decollage) und Objekte (Klammern, Nägel, Nylon, Sand, Pflanzen, etc.) werden ihres metaphorischen Inhalts und Gefühls wegen arrangiert. Sie korrespondieren mit dem zeichnerischen Inhalt der Arbeit; wirken ergänzend, karikierend oder widersprüchlich. Ein andere Ausformung dieser mit persönlichen Erinnerungen aufgewerteten Symbole sind zuletzt auch die Tattoos, die ihre Figuren schmücken. Die unter die Haut geritzten, auf die Leinwand gemalten Ornamente und Symbole sind eine andere Form eines Souvenirs. Nicht umsonst ist die wörtliche Übersetzung des französischen Begriffs „Erinnerung“. Hier aber nicht in ihrer dem Massenkonsum und Vereinheitlichung frönenden Ausformung, sondern als Essenz einer persönlichen Bildsprache. Das Individuum kämpft dagegen an in der Masse unterzugehen und im Einheitsbrei der modernen Welt zu ersticken. Weitere immer wiederkehrende dominierende Themen in Deus Arbeiten sind geschlechterspezifische Identitätsfragen, zwischenmenschliche Tragödien, Frauen- und Männerbilder und deren Rollenverständnis innerhalb der Gesellschaft oder auch „nur“ innerhalb einer Beziehung. In ihrer Arbeit Heisse Eisen (2011) erweckt die Bildkomposition, gepaart mit dem aus dem Film noir Genre entlehnten Titel des gleichnamigen Films, den Eindruck der Unterlegenheit der Frau. Damit kratzt man hier aber nur an der obersten Bedeutungsebene des Bildes. Denn der Blick dieser zu Füßen des Mannes knienden „femme fragile“ drückt Überlegenheit aus – in Wahrheit ist es die „femme fatale“ in ihr, die den Mann in die Knie zwingt. Deu versucht gegen eine Eindimensionalität in der weiblichen Charakterisierung zu malen: denn archetypische Charakteristika lassen sich nicht trennen in „fatale“ und „fragile“. Häufig inspirieren die Künstlerin hierbei auch gerade berühmte Frauengestalten der Kunst- und Filmgeschichte, sein es nun Tracy Emin, Cecily Brown, Barbara Stanwyck, Jayne Mansfield oder Joan Crawford, welche sich gegen diese vorurteilsvolle Perzeption gewehrt und sich dem von der Gesellschaft diktierten Frauenbild entgegengesetzt haben. Prinzipiell ist es erstaunlich zu sehen, wie viel Rebellion und Superiorität in den Augen, der Mimik der weiblichen Figuren Deus liegen. Daher scheinen auch die sich demütig in Pin-up Posen räkelnden Frauen in den Arbeiten Kelsey und fairytale (beide 2011) auf den zweiten Blick dominant, überlegen und die Tatsache, dass sie mit ihrer Rolle spielen, offenbar der Wunschvorstellung des männlichen Blickes gehorchend, macht sie letztlich überlegen. Die Tragik hinter dieser Machtverteilung ist natürlich, dass die in romantischer Typographie gesetzten Verse, wie wir sie in der Arbeit fairytale sehen, ihre märchenhafte Botschaft komplett verlieren. „But love is blind and lovers cannot see / The pretty follies that themselves commit; / For if they could, Cupid himself would blush / To see me thus transformed to a boy.” Durch ihre Arbeiten, auf ihrer Spurensuche, erkennt Deu auch einen gewissen weiblichen Masochismus und kreidet ihn in ihrem Werk an. Eine Beschaulichkeit anderer Art wird bei Christiane Spatt entlarvt. In ihrer Foto- und Objektserie Schöner Schein (2011) zeigt sie Arrangements von Gegenständen aus dem häuslichen Dekor. Wir sehen Kunstblumensträuße, die in Flammen aufgehen und Objekte wie etwa geklebte Tassen oder Glas, die allesamt Makel aufweisen. Die Abbildungen erzählen laut Spatt „Geschichten von Zerstörung bzw. Fragmentierung, Rekonstruktion und Transformation, sind aufgeladen mit Assoziationen und Symbolismen, auf der Suche nach dem Wesen der Dinge.“ Kunstblumen, so die Definition laut Duden, fassen alle der Natur nachgebildeten künstlichen Pflanzen zusammen, deren Farbe, Formen und Textur sich heute bei hochwertigen Produkten kaum von ihren natürlichen Vorbildern unterscheiden lassen. Oder um es mit den gewandteren Worten eines der großen Klassiker der deutschen Literatur auszudrücken: Denn wir halten es verdienstlich,/ Lobenswürdig ganz und gar, / Unsere Blumen, glänzend künstlich, / Blühen fort das ganze Jahr (Goethe, Faust II) Dadurch das Spatt die Kunstblumen in Flammen aufgehen lässt, entlarvt sie das Paradoxon, welches sich in hinter den romantisierten artificial flowers verbirgt: Die Blume als Symbol für Schönheit, Leben, Liebe ist in ihrer plastifizierten künstlichen Manifestation ein lächerliches und leeres Sinnbild. Die Blumen stehen symbolisch für das Festhalten eines Zustands, eines Erinnerns an ein vermeintliches Glück der Vergangenheit. Die biedermeierlichen Objekte, die eine scheinbar glückliche Welt reflektieren, werden von der Tiroler Künstlerin zerstört, verbrannt und zerschlagen. Nicht im Sinne des 1968er Revolutionsgedanken und gleichnamigen Songs der Band Ton Steine Scherben „Macht kaputt, was euch kaputt macht“, sondern in einer viel geschickteren Vorgehensweise. Dass Zerstörung positive Konnotationen beinhaltet, unterstreicht auch Ingo Uhlig: „Als strategisches Mittel zum Bruch mit einer Tradition wird Zerstörung [...] aktiv herbeigeführt und positiv konnotiert. In diesem Sinn wird die Beseitigung des Überkommenen als notwendige Voraussetzung aufgefaßt, die Freiräume zu schaffen, die das Entstehen von Neuem erst ermöglichen.“ Die Objekte und Fotos werden zu Zerrbildern der Realität. Sie sind wie viele Erinnerungen – fragmentarisch, beschönigend und am Ende nur ein Abbild der tatsächlichen (persönlichen) Geschichte. Sigmund Freud war einer der Ersten, der sich mit diesem Phänomen in seinem Werk Zur Psychopathologie des Alltagslebens (1901) beschäftigt hat: „Keine psychologische Theorie hat es noch vermocht, von dem fundamentalen Phänomen des Erinnerns und Vergessens im Zusammenhange Rechenschaft zu geben; […] Vielleicht ist uns heute das Vergessen rätselhafter geworden als das Erinnern.“ Diese Einschätzung Freuds geht übrigens Hand in Hand mit einer Fotocollageserie aus privatem found footage Material Christiane Spatts aus dem Jahre 2005. Schon der Titel as far as I remember bezieht sich auf die von Freud angesprochene Unausgewogenheit von Erinnerung und Vergessen. Vor dem geistigen Auge wachgerufene Szenerien und Personen wirken in Relation zu den Kindheitsabbildungen der Künstlerin größer und bekommen so einen höheren Stellenwert. Den romantisierten Inhalt von Mythen, Sagen und Märchen entlarvt Spatt mittels ihrer Trophäenserie: Seien es nun eine aus Pokalteilen bestehende Säule oder ausgestopfte Tiere (konkret: Frettchen, Rabe und Schaukelpferdkopf) auf kleinen Holztrophäenbrettchen, deren Mäuler mit Glückssymbolen gestopft sind. Die Assoziationen bewegen sich zwischen den idealisierten Aspekten von Erinnerungskultur und wie sich oral überlieferte Mythen – auch „Oral Poetry“ genannt – durch die wiederholte Tradierung verändern. Gerade in der Romantik – und hier schließt sich also der literaturhistorische Epochenkreis – haben die in dichterische Form gebrachten Legenden die Funktion eines projizierten Kulturerbes, welches gerade im 19. Jahrhundert die Geschichte von ganzen Nationen widerspiegelt. Gleichzeitig karikieren die Arbeiten den männlich eingefärbten Inhalt von Trophäen und ihre archaischen Wurzeln: Symbole, die Macht und Überlegenheit ausdrücken wollen, sehen bei Frauen anders aus. Mag. Jennifer Lang

only in german

Diana Deu & Christiane Spatt
Cloudless climes and starry skies
Kuratorin: Michaela Stock