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Ein sitzender Hirtenbube, vom Betrachter abgewandt, hütet seine Ziegen, die hinter ihm gestaffelt am Berghang entlang grasen. Der Jüngling ist grün gekleidet, trägt einen grünen Hut, braune, niedrige Stiefel und führt einen Stock. Er beherrscht den Vordergrund und beobachtet und hütet seine kleine Herde. Hinter ihm, ebenfalls im Vordergrund auf der linken Seite des Bildes sieht man wohl Enziane. Ebenfalls blau gefasst ist die Holzhütte im Mittelgrund hinter dem Hirten. Ganz prominent in der Mitte des Bildes befinden sich drei Geröllhalden oder alte Lawinenkegel, die wie Verletzungen des Berges in Erscheinung treten und in der Farbe Rosa bis Altrosa schimmern. Dies wohl ein Wiederschein der sich im Abendlicht befindlichen, rosa bis altrosa gefärbten Wolken am Himmel. Rechts davon am Berghang übereinander gestaffelt grasen die Schützlinge unseres Berghirten. Sie sind leuchtend gelb und bedeutungs-perspektivisch übergross dargestellt. Darüber die beiden Bergkuppen mit braunen Felsen und etwas grüner Wiese sowie abschliessend ein wunderbarer blauer Abendhimmel mit rosa Wolken.

Das Gemälde „Berghirte im Herbst (Berghirte mit Ziegen)“ hat der expressionistische Künstler Ernst Ludwig Kirchner 1921 geschaffen, also wenige Jahre nach seiner Übersiedlung von der Deutschen Grossstadt Berlin in die Schweizer Berglandschaft nach Davos. 1917 kam er zum ersten Mal nach Davos, übersiedelte aber erst später definitiv in die Bergstadt. Die Sommermonate verbrachte er regelmässig auf der Stafelalp, wo er eine der Hütten für sich und seine Leinwände und Farben mietete. Hier entstand wohl diese Komposition, die noch sehr stark vom städtischen Stil zehrt. Kirchner vermochte seinen in Dresden und dann besonders in Berlin entwickelten raschen und zackigen Pinselstrich in seine in Davos entstandenen Landschaften zu übertragen. Seinen für ihn typischen Stil behielt er bei und wandte diesen an der neuen Umgebung an. Nicht mehr das unstete Stadtleben, sondern die besinnliche Berglandschaft mit ihren Bewohnern inspirierte den Künstler nun zu seinen grandiosen Bildwelten. Typisch für Kirchners expressionistischen Stil bleiben hier in dieser Darstellung die kontrastreichen Farben sowie die streng perspektivisch nicht korrekte Wiedergabe der Einzelheiten. Gelbe Ziegen, rosarote Tali (aus dem lateinischen „Talus“ für Geröllhalde), blaue Hütte, und altrosa Wolken widerspiegeln hier nicht die vom Künstler gesehene Realität, sondern eine von ihm zu einem expressiven Bild komponierte erdachte Realität und noch eindrücklicher die relative Grössenordnung der Elemente untereinander ist vom Künstler interpretiert und so wiedergegeben, dass man von Bedeutungs-Perspektive reden muss: Alles erscheint in dem Gemälde übereinander gestaffelt und nicht hintereinander angeordnet. Besonders die Ziegen sind viel zu gross an dem fernen Berghang. Der Berghang erscheint auch zu steil und die Bergkuppen zu prominent, als sei alles in Richtung Betrachter nach vorne gekippt. Dies etwas, was man im Werk des Künstlers oft beobachten kann. Die strenge Perspektive wird völlig aufgehoben zugunsten einer Anordnung, die nach Bedeutung und Wichtigkeit strebt: Was der Künstler besonders betonen möchte, erscheint einfach prominenter und grösser und wird durch leuchtende Farben hervorgehoben. Dieses Werk ist noch völlig durchtränkt von dem expressionistischen Berliner Stil.

Der Rahmen unseres Werkes ist original aus der Zeit, von Kirchner selbst in Auftrag gegeben und dann farbig gefasst. Der Künstler kaufte oft alte Rahmen oder liess sich diese anhand eigener Zeichnungen anfertigen, schnitt diese auf das richtige Mass zu und bemalte diese dann, so dass die Farben des darin enthaltenen Werkes übernommen wurden. Zeichnungen von Profilen finden sich in seinen Skizzenbüchern.

Weitere Landschaften von Erich Heckel, Conrad Felixmüller, Hans Purrmann und George Grosz sowie Stillleben von Karl Hofer, Christian Rohlfs und Ernst Ludwig Kirchner, Emil Nolde und Max Peiffer Watenphul werden Sie in unserer Kommenden Ausstellung betrachten können. Einige ungegenständliche Werke von Fritz Winter und Ernst Wilhelm Nay werden die Präsentation vervollständigen.

Wir laden Sie und Ihre Freunde herzlichst ein zur Vernissage, die dieses Mal wieder an einem Freitag stattfinden wird, und zwar am 29. April von 12.00 bis 19.00 Uhr, oder auch gerne zu einem späteren Besuch der Ausstellung.

Verbinden Sie doch einen Besuch in unserer Galerie mit einem Gang durch die wunderbaren Ausstellungshallen der Fondation Beyeler, die sich nur wenige hundert Meter von uns entfernt in Riehen befinden. Bis 8. Mai können Sie dort noch die Ausstellung „Jean Dubuffet – Metamorphosen der Landschaft“ sehen. Vom 29. Mai bis 4. September werden Sie dort die Möglichkeit haben die Ausstellung von Alexander Calder & Fischli/Weiss zu besuchen. Werke aus der Sammlung der Fondation Beyeler sind immer zu sehen.

Wir würden uns sehr freuen, Sie und Ihre Kunstfreunde in unserer Galerie begrüssen zu dürfen.

Alexandra Henze Triebold