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In der Gruppenausstellung „Desire Acquire“ werden zwei paradigmatische Positionen aus den 70er Jahren in den Kontext zeitgenössischer Werke, die sich explizit oder implizit auf diese Phase rückbesinnen, gestellt. So werden Arbeiten von Lawrence Weiner (1942) gezeigt, der als einer der bedeutendsten Vertreter der Concept Art den hergebrachten Werkbegriff sprengt. Der Einsatz der Sprache als Medium und die Verwendung von Typographien oder graphischen Elementen kommen einer ikonoklastischen Geste der Ersetzung des Bildes gleich. In einer Radikalisierung dieser Geste wird es von Weiner auch als gleichwertig angesehen, ob die Werkidee von ihm selbst oder einem Anderen ausgeführt wird oder einfach nur reine Idee bleibt. Jonathan Monk (1969), dessen künstlerische Strategie in der Rekontextualisierung von Werken aus dieser Epoche besteht, wird mit einer speziell für unsere Ausstellung angefertigten Arbeit vertreten sein. Verschiedene Film- und Ausstellungsplakate aus den 70er Jahren (u.a. Sol LeWitt, Dan Flavin) werden als Wandarbeit konzipiert, die nach der Ausstellung zerstört und nur noch als Idee oder Dokumentation erhalten bleibt. Werden Idee oder dokumentierte Arbeit erworben und wieder ausgestellt, findet die Form ihrer Präsentation Eingang in eine neue Dokumentation, die im Sinne eines unendlichen Fortgangs wiederum ausgestellt und dokumentiert werden kann. In ähnlicher Weise bekennt sich Ceal Floyer (1968) kritisch-ironisch zum Erbe der Concept Art. So dient ihr die Doppelbödigkeit der Sprache als Ausgangspunkt für die semantische Verkehrung von Wörtern und deren Potential, Erwartungen zu wecken. Auf ihrer Fotoarbeit „Reversed“ ist das in Spiegelschrift zu lesende Schild „Reserved“ abgebildet. Unmittelbar stellt sich bei der Betrachtung der Fotografie die Annahme ein, dass die Künstlerin das Schild einfach umgedreht (reversed) haben könnte. Dennoch bestand ihre Handlung nur darin, den Schriftzug umzukehren und damit spielerisch den komplexen Vorgang des Verstehens von sprachlicher Bedeutung zu veranschaulichen.

Ryan Gander (1976) hat sich einem erweiterten Begriff der Concept Art verschrieben, „a conceptual art that extracts a core sample from the vast inventory of wordly experience, holding it up to the new light“. Obwohl seine Werke eine minimale Ästhetik evozieren, zeugen sie von einem oftmals narrativen Umgang mit existierenden künstlerischen Positionen. So wird der hergebrachte Skulpturenbegriff demontiert, indem eine auf Degas referierende Tänzerin nicht auf einem Sockel, sondern an diesen angelehnt auf dem Fussboden präsentiert wird. Damit wird nicht nur eine von der Concept Art geleistete Analyse der Bedingungen, unter denen Kunst existent ist, geleistet. Die Tänzerin blickt auch auf einen kleinen, vor ihr platzierten Kubus, der als prototypische Form der Minimal Art und ihrer formalen Strenge gilt. In gleicher Weise schliesst Ayşe Erkmen (1949) mit ihrer Skulpturengruppe „Imitating Lines“ an die Prinzipien der Minimal Art an. Sie entwickelte ein Modul aus einer quadratischen Standplatte, aus der ein Stahlrohr emporragt. Aus diesem Modul leitete sie verschiedene Variationen durch Hinzufügung anderer farbiger Rohre ab, die Formen von Objekten nachahmen (Treppen, Sockel, Pfeiler). Diese Objekte werden auf geometrische Primärstrukturen reduziert und durch ihre skulpturale Form in eine neue Relation zum umliegenden Raum gesetzt.

Der experimentelle und selbstreflexive Umgang mit verschiedenen Medien, wie er für die Kunst der 70er Jahre so bezeichnend war, findet auch in der Fotografie jener Zeit seinen Niederschlag. So hinterfragte Nobuyoshi Araki (1940) die Authentizität des fotografischen Abbildes, indem er alltägliche Handlungen vom Fernsehschirm abfotografierte und diese Fotografien in der Mitte entzweiriss, bevor er sie wieder zu einem „ganzen“ Bild zusammenfügte. Ebenso manipulierte er mit verschiedenen Chemikalien Negative im Labor, wobei er nicht nur eine Negation des abgebildeten Gegenstandes vollzog, sondern auch die Bedingungen des Mediums einer kritischen Prüfung unterzog. In ähnlicher Weise unternimmt Douglas Gordon (1966) in seiner Serie „Self-Portraits of You + Me“ eine Manipulation des Bildes, indem er aus vorgefundenen Fotografien von Hollywoodstars Augen und Mund ausschneidet oder andere Formen der „Verstümmelung“ erprobt. Nach eigenen Worten vollzieht er damit einen „zeitgenössischen Bildersturm“, der sowohl die krude Ambivalenz des Starkults als auch die Suggestivkraft des Bildes zum Ausgangspunkt hat.

Ebenso appropriiert John Stezaker (1949) seit den 70er Jahren vorgefundenes Bildmaterial. Keine neuen Fotografien sollen dem bestehenden Bilderkosmos hinzugefügt, sondern das Bestehende in einer Art Collageverfahren verfremdet werden, um der unbewussten Konsumption von Bildern Einhalt zu gebieten. Ausgehend von Schauspielerporträts werden Cutouts weiblicher Fotografien in männliche Konterfeis (oder umgekehrt) eingefügt. Dadurch entstehen hybride Konstellationen, die das Glamouröse und Unversehrte des ursprünglichen Porträts demontieren. Gleichzeitig rufen sie die „universal blindness“ und die damit einhergehende Amnesie in Erinnerung, die die exzessive Bilderflut bewirkt. Sowohl John Stezaker als auch Douglas Gordon räumen jedoch ein, dass sie nicht jedes vorgefundene Bild in gleicher Weise manipulieren bzw. „schänden“ (violate) können. Demzufolge kommt einzelnen Bildern, unabhängig von der inflationären, von den Massenmedien bewirkten Flut, eine magische Bedeutung zu, die bekanntlicherweise schon in der frühen Geschichte der Kunst zum Ikonoklasmus geführt hat.

Birgid Uccia

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"desire acquire"
Gruppenausstellung

Künstler: Nobuyoshi Araki, Ayse Erkmen, Ceal Floyer, Ryan Gander, Douglas Gordon, Jonathan Monk, John Stezaker, Lawrence Weiner