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Eröffnung: 02.04.2009., 19.00

Pressetext:

»Die schöne Form ist für alle da. Und nicht nur fürs Museum!« Diese Äußerung eines IKEA-Chefdesigners von 1979 steht programmatisch für die Designpolitik jenes Unternehmens aus Südschweden, das seit 1948 durch seinen Gründer Ingvar Kamprad vom Einmannbetrieb zum größten Einrichtungskonzern der Welt wurde. Es prägte die Vorstellung eines »demokratischen Designs« wie kaum ein anderes. Unter eben diesem Motto stellte IKEA 1995 erstmals seine stark experimentell und individualistisch konzipierte »PS Kollektion« vor – und das ausgerechnet in Mailand. Mitten im Design-Mekka signalisierten die Schweden ihren Anspruch, funktionales, gutes Design für möglichst viele Menschen preislich erreichbar zu machen. Damit bezogen sie Position gegen Tendenzen, die Design zum hochpreisigen Statussymbol werden ließen, das in exklusiven Galerien zu suchen ist oder – wie Kunst – bewusst nur als »One-Off« hergestellt wird.

Hinter der Haltung von IKEA stehen Vorstellungen wie »Schönheit für alle« (Ellen Key, 1899), die ihre Wurzeln in den Reformbewegungen des 19. Jahrhunderts besitzen, und das »Schwedische Modell« einer modernen, offenen, egalitären, familien- und sozialorientierten Gesellschaft. Vergleichbare Ansätze – die erziehungsoptimistische Utopie einer besseren, humaneren Welt durch Gestaltung – finden sich auch bei dem 1907 gegründeten Deutschen Werkbund, bei De Stijl, Bauhaus oder Hochschule für Gestaltung Ulm. Die Neue Sammlung hat im Lauf ihrer Geschichte diesen thematischen Ansatz mehrfach in Ausstellungen untersucht, so in »Der billige (preiswerte) Gegenstand« – bereits 1930, zur Zeit der großen Weltwirtschaftskrise des 20. Jahrhunderts. Qualitätvolle Entwürfe wirklich in die Massenproduktion umzusetzen, gelang jedoch nur selten – ganz im Gegensatz zu IKEA, wo von Anfang an Design auf der Basis dezidiert unternehmerischer, ökonomischer Strategien verwirklicht wurde. Ein entscheidender Aspekt dabei ist die Entwicklung einer spezifischen Formensprache und Produktpalette, die verschiedene gestalterische Richtungen verbindet. Zum einen die skandinavische Moderne mit ihrer Vorliebe für Holz und organische Formen, zum anderen die jeweils zeitgenössischen internationalen Tendenzen, wie etwa der von Flower Power und „Demokratie von unten“ geprägte Stil der Sixties oder die Postmoderne. Dazu kommt das Bekenntnis zur »Swedishness« in jeder Hinsicht. Ob dies nun die Unternehmensfarben im Gelb und Blau der Landesflagge sind, das Einbinden traditioneller Feste und Speisen, die Konzentration auf die Bedürfnisse von Kindern und das informelle »Du« als Anrede oder ob es sich gestalterisch in einer Designlinie manifestiert, die auf heimische Traditionen Bezug nimmt. Man denke an Carl Larssons »Haus in der Sonne« im späten 19. Jahrhundert oder an die schlichte Noblesse schwedischer Möbel des 18. Jahrhunderts. Aber – nicht zu vergessen – auch die unkonventionellen Entwürfe des jungen schwedischen Designer/innen-Nachwuchses gehören dazu.

Produktionsprinzipien wie einfache Verbindungen für einfache Selbstmontage oder die platzsparenden Verpackungen erinnern an Strategien, mit denen Michael Thonet im 19. Jahrhundert sein Unternehmen zum ersten Massenproduzenten von Möbeln und zum »global player« machte. Auf vielen Ebenen wirkende Maßnahmen zu Umweltverträglichkeit und Nachhaltigkeit in ökologischer, ökonomischer und sozialer Hinsicht beeinflussen auch das Design der Produkte.

Die Neue Sammlung – The International Design Museum Munich – widmet dem Thema Democratic Design am Beispiel IKEA die erste große Museumsausstellung. Im Wechselspiel mit der permanenten Ausstellung des Museums erhalten die ausgewählten Objekte aus sechs Jahrzehnten ihren designhistorischen Kontext. Aufgezeigt werden Aspekte wie System Billy, Do-it-Yourself, Design Process, Inspirationen, Kinder-Welt, Material Change und Nachhaltigkeit, die Wurzeln im Schwedischen, aber auch in der klassischen Skandinavischen Moderne von Aalto bis zu dänischen Einflüssen der 50er und frühen 60er Jahre. Die Exponate stammen aus der permanent collection der Neuen Sammlung, ergänzt um Leihgaben aus dem IKEA Museum, Älmhult, und um private Leihgaben von IKEA-Mitarbeitern.

Eine Ausstellung der Neuen Sammlung – The International Design Museum Munich – in Kooperation mit IKEA.