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Vernissage: Do, 09. Juli 2015, 19–22 h
Einführende Worte: Dr. Heike Welzel-Philipp Dauer der Ausstellung: 10. Juli – 05. September 2015

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WIEDERENTDECKUNG EINES AVANTGARDISTEN

Unter dem Titel „Zurück in die Zukunft“ zeigt die Galerie Köppe Contemporary vom 09. Juli bis 05. September 2015 aus dem Nachlass Gemälde, Reliefs, Zeichnungen und Serigrafien des 1929 in Dresden geborenen und 2011 in Berlin verstorbenen Künstlers Christian Roeckenschuss.

Inspiriert von Bauhaus, ZERO und amerikanischer Abstraktion

An der Hochschule der Bildenden Künste Dresden studiert Christian Roeckenschuss 1949 / 1950 Musik (Gesang und Klavier) und Malerei. Ein von Hans Grundig und Hans-Theo Richter inspirierter Realismus ist der erste Versuch, über Portraits und Landschaften künstlerische Erfahrungen zu sammeln. Schließlich übersiedelt Roeckenschuss nach Berlin. Hier studiert er Malerei an der Hochschule der Bildenden Künste (1951-1957) und prägte dort im Umfeld dem Bauhaus-, der konstruktiven Kunst sowie der amerikanischen Abstraktion zugewandter Kunstprofessoren (Hans Uhlmann, Alexander Camaro) sein vom Gegenstand befreites und auf klare geometrische Formen reduziertes Kunstkonzept aus. Wichtige Anstöße hierfür waren dabei sicherlich seine Begegnungen mit Künstlern wie Hans Arp und Lucio Fontana sowie dem holländischen Bauhaus-Architekten Mart Stam.

Visionär und Utopist

Wie radikal Christian Roeckenschuss mit der gegenständlichen Malerei brach und nach einer zeitlosen internationalen „Sprache“ der Kunst suchte, kommt in seinen öffentlichen Statements zum Ausdruck: „Ich will den Raum interpretieren! Ich bin auf die kühle einer technischen Zeit aus – auf das Universale! Ich will weg vom Persönlichen und Begrenztem“, begegnete Roeckenschuss einmal einem Journalisten auf die Frage nach seiner Intention.

Farbe, Licht, Raum und Bewegung als Konzept

Zu Beginn seines abstrakten Schaffens Anfang der 1960er Jahre steht die Auseinandersetzung mit der Pop-Art und der amerikanischen Hard-Edge-Malerei. Die Beschäftigung mit OP-Art und ZERO führen Roeckenschuss schließlich zur Auseinandersetzung mit Aspekten von Bewegung und Licht in seiner Kunst. Im Zentrum seiner Suche steht die Farbe. Roeckenschuss geht es darum, in einem Gerüst von Geometrie und präzis berechenbarer Komposition einen persönlichen Ausdruck zu finden, der sich über die Energie und Imagination von Farbe manifestiert. Vor allen anhand seiner 1974 begonnenen Streifenbilder, den „séquences chronomatiques“ werden das raffinierte mathematische System und die ausgeklügelte Organisation deutlich, über die der Künstler Farben in Ihrer symbolhaften, sinnlichen, spirituellen und raumbildenden Wirkung kalkuliert. Ab den 1980er Jahren entstehen Werke mit Holographie-Effekten. Auch diese Arbeiten, die Christian Roeckenschuss im Rahmen seiner Experimente mit Lichtbrechungen und -spiegelungen entwickelt, dokumentieren, dass Licht, Raum, Architektur und neue Technologien im Werk des Künstlers Hauptthemen waren.

Auftragsarbeiten für den öffentlichen Raum und Künstlergruppe Systhema

Schon in frühen Schaffensjahren entwickelt Roeckenschuss ein künstlerisches Konzept das seine freie Malerei mit Auftragsarbeiten für den öffentlichen Raum verbindet. Es waren klare aus seiner Malerei hervorgehende Entwürfe, die Roeckenschuss in Zusammenarbeit mit namhaften Architekten – Poelzig, Scharoun, Hundertmark u.a. – in plastische oder räumliche Zusammenhänge brachte. Schon am Anfang seiner Karriere stehen monumentale Auftragsarbeiten an öffentlichen Gebäuden. Und schon in seiner Frühphase als freischaffender Künstler war Roeckenschuss ein gefragter Kunst-am-Bau-Künstler. U.a. entstehen 1968/70 neun Wandbilder für das Spital „Am Urban“ in Berlin, 1970/72 ein Relief für die Schule „Märkisches Viertel“ Berlin, 1973 ein Plastikrelief im Märkischen Viertel, 1974/75 gestaltet Roeckenschuss die Außenfassade der Treppentürme eines Appartementhauses in Lübeck und 1976/77 realisiert er für die Bundesbaudirektion ein Wandrelief im Gästehaus der Villa Borsig auf der Insel Reihenwerder.

Die (abstrakte) Kunstlandschaft Berlin prägte Roeckenschuss in den Nachkriegsjahren auch mit der Berliner Künstlergruppe „Systhema“, mit deren Künstler er zusammen ausstellte und denen er nahe stand. Dieser internationalen Gruppierung gehörten u.a. der Engländer Peter Sedgley, der Amerikaner George Rickey und der Tscheche Jan Kotik an. Systhema wurde 1974 unter dem vorläufigen Namen ‚System in Berlin‘ gegründet – und zwar als Gegenpart zum vorherrschenden Neo-Realismus der Nachkriegszeit. International trat die Gruppe durch Ausstellungen, zum Beispiel in Helsinki (Kunstmuseum Amos Anderson, 1977) und Bern (Loeb-Galerie, 1978) in den Fokus des Kunstgeschehens. Der international hoch angesehene Schweizer Kurator und documenta-Leiter Harald Szeemann unterstrich die Bedeutung der Künstlergruppe noch dadurch, dass er die Berner Ausstellung persönlich kuratierte. In Richard Paul Lohse, einem der bedeutendsten Konkreten der Nachkriegszeit, hatte Systhema einen herausragenden Wegbereiter und Freund. Einzelausstellungen und Gruppenausstellungen machen Roeckenschuss Werk in Europa und auch in den USA (New York) bekannt. Unter dem Titel „13 Konkrete“ stellt ihn der Ulmer Kunstverein 1964 aus, zusammen mit so berühmten Künstlern der Klassischen Moderne wie Friedrich Vordemberge-Gildewart oder dem Bauhauskünstler Josef Albers. Die Ausstellung würdigt ihn neben Günter Fruhtrunk und Richard Paul Lohse als einen der führenden Nachkriegs-konstruktivisten und Minimalisten. Die Ausstellung „Minimalism und After“, DaimlerChrysler Contemporary, 2004 in Berlin würdigt Roeckenschuss künstlerische Arbeit auch im Rahmen des künstlerischen Dialogs Europa/Amerika in der Nachkriegszeit.

Roeckenschuss in der internationalen Wahrnehmung

Als frühen Vertreter eines konstruktiv verankerten Minimalismus wird Christian Roeckenschuss mit namhaften Künstlern der amerikanischen Avantgarde, Jo Baer, Alexander Libermann und Illya Bolotowsky auf eine Stufe gestellt. In Erfurt stellte Christian Roeckenschuss 2006 zusammen mit Günter Uecker und Karl-Heinz Adler aus. Die retrospektiv angelegte Ausstellung „Minimalism Germany 1960“ im Haus Huth (Berlin, 2010) würdigte Christian Roeckenschuss als einen der bedeutendsten Minimalisten der Nachkriegszeit zusammen mit Josef Albers, Hanne Darboven, Heinz Mack und Franz Erhard Walther. Ausstellungen in Paris, Venedig, London, Köln, Berlin oder New York bringen schließlich den Durchbruch zum internationalen Erfolg. Werke des 2011 verstorbenen Künstlers sind inzwischen in zahlreichen Museen vertreten – u.a. in der Sammlung des Museum Of Modern Art (MoMA, New York) in der Sammlung der Deutschen Bank und in der Daimler Art Collection.

Universales Konzept

Die Ausstellung präsentiert Schlüsselwerke eines bedeutenden europäischen Vertreters der geometrischen Abstraktion und dokumentiert zugleich wie entscheidend die Verbindung Deutscher und Amerikanischer Künstler in den 50er und 60er Jahren für die Formulierung der Nachkriegs-moderne und der Fort Entwicklung der Kunst in Europa war. Bis zu seinem Tod hat Christian Roeckenschuss sein zu vielen Bereichen der Kultur (Architektur, Design, Mode) offenes, universales Konzept weiterentwickelt. Auch aus diesem Grund ist das in seiner ästhetischen und formalen Qualität zeitlose Werk des Künstlers aktuell und wiederzuentdecken.