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In seiner selbstbetitelten Einzelausstellung bei DUVE Berlin zeigt Chris Succo eine abgespeckte Auswahl zweier neuer Werkserien. Auf den ersten Blick sind sie wie Yin und Yang: Durch ihren abstrakten Minimalismus und ihre formale Flachheit entziehen sich die gedämpften, weiß getünchten RG Paintings jeder singulären Interpretation. Die unbetitelten Siebdruckbilder – Graustufen-Collagen verschachtelter weiblicher Akte – sind hingegen mit selbstdeutenden, figurativen Inhalten überlastet. Durch die unmittelbare Paarung der Arbeiten verdichtet sich die kunstgeschichtliche Gegensätzlichkeit von Figuration/Abstraktion für einen Moment und führt zu einem Zerfall innerhalb dieser dualen Konstruktion. Yin und Yang kollidieren, um anschließend zu verschmelzen.

Succo erstellt jedes RG Painting durch ein reduktives Verfahren. Er ritzt gezackte Linien in die Oberflächenschicht weißer Farbe, unter der dunkles Pigment zum Vorschein tritt. Die so entstandenen Zeichen erinnern an hastig hingekritzelte Signaturen oder Ausschläge eines pulsierenden Herzschlages, die über einen EKG-Bildschirm flimmern. Die schlingernde Linie bewegt sich analog zum historischen Wechselspiel zwischen Abstraktion und Figuration – eine horizontale Linie mit Zuspitzungen an jeder banalen historischen Wendung. Die Zeitpunkte zwischen diesen Intervallen werden in den RG Paintings außerdem durch eine pseudo-sprachliche Geste dargestellt, die Roland Barthes als eine „Geste der Einschreibung“ bezeichnen würde – eine unausgesprochene Aussage, eine Signatur ohne dazugehörigen Namen.

Mit Succos Siebdruckarbeiten kommt die implizite Zeitlichkeit zum Stillstand. Ihr Ausgangsmaterial wurde aus zeitgenössischen Fotografien ausgeschnitten. Durch ihre Reproduktion im Siebdruckverfahren wird ihnen allerdings eine Vintage-Ästhetik verliehen; Vergangenheit und Gegenwart werden eingeebnet. In ihrer grafischen Ähnlichkeit zu Konzertplakaten bestehen hier außerdem Bezüge zur Ästhetik der Selbstdarstellung, aus denen sich sowohl die Bloßstellung oder Belichtung des Körpers, als auch die formale Belichtung des Bildes auf den Siebdruck ergibt. Es handelt sich nicht mehr um vollständige Figuren, sondern um die exponierten Bilder gesichtsloser Körper – abgeschnitten, inaktiv und objektiviert. Man kann sich an ähnliche Modalitäten der Objektivierung des weiblichen Körpers in sowohl der Popkultur, als auch im kunsthistorischem Diskurs erinnert fühlen.

Wo aber ist der Herzschlag in diesen Collagen? Haben diese Körper einen Puls?  Die Bilder gehen über den Rand der Leinwand hinaus, als würden wir durch eine Art Fenster auf ein endloses Meer identischer Brüste und Hinterteile blicken. Die Körper sind eher Landschaft als Figur. Die Allgegenwart und damit Banalität dieser möchtegern-intimen Fotos ist überwältigend. Mit solcher Nacktheit entlang dieser kahlen weißen Bilder konfrontiert, betrachtet man die Banalität der Unterscheidung zwischen Abstraktion und Figuration.

Handelte es sich bei Succos früheren monochromen Bildserien um verschmierte, chaotische Darstellungen von Körperlichkeit mit dick aufgeklatschter Farbe, neigt diese neue Serie eher zum  Gedämpften, Ruhigen, Absichtsvollen und Bewussten. Die lauten Bildtitel, wie etwaSHAMELESS IS A TALENT, THE WORLD SUCKS IF YOU´RE SHY und YOU LOOK LIKE NIRVANA JUST BROKE UP, verweisen auf die Kehrseite der Selbstreflexion, auf so etwas wie Wichtigtuerei oder selbstgefällige Beschäftigung mit dem eigenen körperlichen Ausdruck von Emotion.

In der Malerei hinterlässt der Körper in Form der Geste Spuren auf der Leinwand. In dieser Ausstellung ist die Beziehung zwischen physischem Akt und dessen Spuren allerdings so entfremdet, dass sie zum Gegenstand der Arbeit selbst wird. Inhaltlich schwebt die Schau zwischen dem nicht-Abstrakten und dem nicht-Figurativen, im Negativraum der Geste, im Negativraum des Körpers, so intim wie möglich und dennoch so befremdet.

- Elvia Wilk