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Die Kunst von Chris Hipkiss steht abseits jeglicher künstlerischer Strömungen. Sie hat keine Vorläufer oder Vorbilder und schöpft einzig aus dem Befinden, der Motivation und der Vorstellungskraft des Künstlers. Stilistisch findet sich bei Chris Hipkiss keine wesentliche Entwicklung im Sinne einer Verfeinerung oder Perfektionierung: Die Werke sind von Beginn an ausformulierte, in sich geschlossene Arbeiten. Hipkiss selber bezeichnet sich als „zeitgenössischen Autodidakten“. Gegen seinen Willen wird sein Schaffen oft der „Outsider-Art“ zugerechnet, was zum großen Teil auf eine gleichnamige Ausstellung der Londoner Tate Britain zurückzuführen ist: 2005 zeigte sie darin eine Auswahl museumseigener Werke von Chris Hipkiss. Der Begriff „Outsider Art“ kann verwirren: Ursprünglich definiert er ein von künstlerischen Bewegungen unabhängiges Kunstschaffen, das ohne kunsthistorischen Hintergrund nur aus der Auseinandersetzung mit der eigenen Psyche entsteht. Bei Chris Hipkiss hingegen sind vor allem seine jüngeren Zeichnungen deutlich von politischen Aussagen getragen: Mit Witz und bitterem Ernst, Fantasie und Realitätsbezug schafft der Umweltaktivist surreal-apokalyptische Visionen unserer Welt.

Chris Hipkiss wird 1964 in eine leistungsorientierte Arbeiterfamilie in Uxbridge im Umkreis von London geboren. Die Wochenenden verbringt die Familie häufig auf der Themse. Die Bootsfahrten wecken Hipkiss’ Interesse für die Natur. Als Teenager beginnt er Flora und Fauna zu beobachten, prägt sich lateinische Namen ein und vertieft sein Wissen mit Büchern. Mit 16 Jahren verlässt er die Schule und beginnt eine Lehre im Tischlereibetrieb seines Vaters. Er baut Modelle und Prototypen u.a. für Werkzeugfirmen wie Black & Decker. Später wird Hipkiss ein Geografiestudium an einem englischen College aufnehmen (1996). Neben seiner Tätigkeit im Familienbetrieb fertigt er Zeichnungen und kleine Kritzeleien. Die Motive wiederholen sich, die Aussagen sind oft politisch. 1983, zur Zeit der Begegnung mit seiner späteren Frau Alpha Mason, werden seine Bilder großformatig, in weichem Blei- oder Silberstift gezeichnet. Sie entspringen keiner durchkomponierten Idee, sondern entwickeln sich im Verlauf des Zeichnens. Motive überziehen wie ein gleichmäßiges Muster die ganze Fläche. 1989 zieht Hipkiss mit seiner Frau in den kleinen Ort Doddington in Kent, südöstlich von London. Das Paar führt ein bescheidenes Leben, den Lebensunterhalt bestreitet es zum Teil mit Gelegenheitsarbeiten. Der Künstler entwickelt seinen typischen Stil: Seit 1990 spielen sich in meist großformatigen, oft bedrohlichen Fantasielandschaften und unwirklichen Städten rätselhafte Kämpfe ab. Seine jüngsten Zeichnungen signalisieren deutlich Bedrohung. Halb monströse Maschinen, halb pflanzlich-organische Gebilde erinnern an zum Angriff aufgefahrene Geschütze und Kriegsmaschinen. Vogelschwärme werden zu Kampfflugzeugen im Bombenhagel, dornige Pflanzen mutieren zwischen verlassenen Fabrikschloten zu Metallröhren. Die Natur ist zu streng gegliederten Plantagen zurechtgestutzt, die auch Friedhöfe sein könnten. Der rücksichtslose Umgang mit der Natur klingt in seinen Werken an. Menschen treten inmitten einer lebensfeindlichen, utopischen Architektur allenfalls als komische, kleine Wesen in weiblicher Erscheinung auf. Wie von einer anderen Welt führen sie geheimnisvolle, fast archetypische Bewegungen aus und sind als Androgyne, als Symbole eines Alter Ego des Künstlers zu sehen. Hipkiss arbeitet langsam im gemeinsamen Atelier, an einem großen Format sitzt er bis zu zwei Jahre. Bis heute empfindet Hipkiss die kreative Partnerschaft mit seiner Frau als nicht nur Kristallisationspunkt und Nährboden seiner Arbeit. Der Künstler selbst beschreibt das „harmonische Zusammensein“ der beiden gar als „Grundvoraussetzung für sein künstlerisches Schaffen“. Durch Londoner Kontakte unter anderem zu einer amerikanischen „Outsider-Art“ Sammlerin zeigen erste britische Ausstellungen Hipkiss´ Werk. Ernsthaftes Interesse und erste Verkäufe ergeben sich allerdings erst in Amerika. 2001 zieht Hipkiss nach Südfrankreich, wo er heute mit seiner Frau auf dem Land lebt.

Caroline Flosdorff

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Chris Hipkiss
Visionäre Landschaften