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Eröffnung: 5. August 2016, 19.30 Uhr

Als letzte Ausstellung der thematischen Reihe zum Ding Kunst im Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf, zeigt die in Glasgow lebende Künstlerin Charlotte Prodger (Jg. 1974) eine Auswahl von Arbeiten der letzten zehn Jahre im Rahmen eines, speziell auf die räumliche Situation im Kunstverein, abgestimmten Parcours. Damit richtet Prodger die Aufmerksamkeit auf das Spannungsverhältnis zwischen den einzelnen Arbeiten an und für sich und dem Zusammenhang, wie ihn eine Ausstellung unweigerlich herstellt. In diesem Sinne fasst die Künstlerin die Ausstellung ganz bewusst als Format auf, das es herzustellen und zu adressieren gilt.

Insgesamt zeichnet sich Prodgers künstlerische Praxis durch die in ihren Arbeiten äußerst fein justierten Bezüge zwischen deren jeweiligen display mode (also der besonderen Art und Weise, in der sich das jeweilige Werk konkretisiert) und ihrem jeweiligen Thema, mithin zwischen object und subject matter (so die gängige und überaus sprechende englische Idiomatik für qualitativ unterschiedliche künstlerische Materialeinsätze auf materieller und immaterieller Ebene) aus. Ihre materiale Präsenz und die in den Arbeiten angelegten und über sie vermittelten referenziellen und semantischen Ebenen erzeugen einen auf Anhieb regelrecht brutal mit anzuschauenden Kontrast, der allerdings für die subtilen Beziehungen zwischen dem, was traditionell und zugleich hilflos mit den Begriffen ‚Form’ und ‚Inhalt’ bezeichnet wird, steht.

Charlotte Prodger bezieht dabei technische Apparaturen und Technologie in durchaus zweifachem Sinne ein: dient Technik (egal ob Farbmasse, ein geschweißter Metallsockel oder ein spezieller Präsentationsmonitor) üblicherweise der Darstellung oder Aufführung eines künstlerischen Gehalts, rückt sie in Prodgers Praxis zugleich als technologisch-konzeptueller Subtext in den Fokus. Die buchstäblichen Medienskulpturen handeln etwa in ihren Kombinationen von – auf passgenau zu diesem Zweck produzierten Sockel-Regalen platzierten – Monitoren und Abspielgeräten samt entsprechender Verkabelung mit von der Künstlerin mittels unterschiedlicher filmischer Techniken produzierten Filmsequenzen immer auch inhaltlich von der wechselseitigen Durchdringung von Handlungen, Akten und Vorstellungen und den sie beeinflussenden bzw. dadurch beeinflussten Techniken. In ihren Fotografien erkundet die Künstlerin die Form und Gestalt von Pflanzen und kontrastiert die so gewonnenen Morphologien mit aus externen Parametern gewonnenen Codes, die auf den aufwändigen Rahmungen der Bilder angebracht sind und die wiederum in Wechselbeziehung zum Raum bzw. zur Platzierung in der Ausstellung treten. Ding und Kunst treten in vielfältige, divergierende und zugleich offensichtlich einleuchtende Bezüge zueinander, die sich ebenso sinnig wie mutwillig, konzeptuell einerseits begründet, aber dennoch nicht zwangsläufig – im Sinne einer ‚Lösung’ – als auflösbar begegnen.

Gerade auch unter dem nach wie vor anhaltenden Druck der Digitalisierung und ihrem wachsenden Einfluss auf sämtliche Lebensbereiche könnte es auf Anhieb als nicht allzu dringend erscheinen sich auf das Ding Kunst zu fokussieren. Nicht, dass jenes Ding Kunst im Zuge der Digitalisierung schon obsolet geworden wäre, so hat sich der Schwerpunkt – produktionsästhetisch, also aus der Perspektive der Herstellung, nicht wesentlich anders als aus Sicht der Rezeptionsästhetik, also wie Kunst einerseits ‚gesehen’ und andererseits ‚gedeutet’ werden kann – dennoch verschoben: Mittlerweile steht die (durch immer lückenloser werdende Verfügbarkeit digitaler Technologien selbstverständlich begünstigte) Zirkulation von etwas als Kunst dem Produzieren von Kunst im Zentrum künstlerischer Praxis und ihrer zunehmenden kritiklosen Rezeption gegenüber. Kunst ist sozusagen immer schon von ihrer Anerkennung eingeholt, dass sie nichts anderes als Kunst ist – was, bei allem statistischen Aufkommen ihr faktisches Ende bedeutet.

Allerdings stehen Kunst und Technik, wie Hannah Arendt etwa in ihrer Beschäftigung mit der Kunst der griechischen Antike gezeigt hat, ursprünglich in einer komplexen Beziehung zueinander. Ja, Kunst ist gewissermaßen selbst eine Technik, die zwischen den Sphären des Gesellschaftlichen und Technischen, zwischen Idee und Materialität, zwischen Subjekten und Objekten und letztlich zwischen Welt und Modellen von Welt selbstbewusst vermittelt: indem sie darüber ein nach Jacques Ranciére „ästhetisches Regime“ ausbildet.

Das Ding Kunst einerseits nicht auf Objekte der Kunst zu beschränken und andererseits an sie gleichwohl die Frage heranzutragen, in welchem Verhältnis konkrete Dinge und das Konzept der Kunst stehen können, verknüpfen die – gezielt willkürlich programmierten – monographischen Ausstellungen von Walter Swennen, Stefan Wissel und Charlotte Prodger miteinander. Die individuellen – ausdrücklich in jeweils spezifischer Form als Ausstellung repräsentierten künstlerischen – Arbeitsweisen stehen dabei ganz für sich; sie könnten mit Blick auf ihre Machart, die dahinter stehende Absicht und die Art und Weise der für die einzelnen Arbeiten aufzubringende Auseinandersetzung, nicht unterschiedlicher sein. So sehr sich die einzelnen Projekte dabei auf Verfahren der Malerei (Swennen), des Bildhauerischen und Installativen (Wissel) oder einen expansiven, Film und Fotografie nicht weniger als technische Apparate beanspruchenden Medieneinsatz (Prodger) stützen, so objektfixiert und ins Detail hinein konzeptionell und gestalterisch organisiert die einzelnen Arbeiten zugleich ausfallen, so wenig hilft ihre Qualifikation als Gemälde, Raumintervention oder Medienskulptur bei den Kernfragen, die uns diese Objekte aufgeben: Worum es sich dabei nämlich handelt und gerade weil nicht entschieden ist, ob und wie sich das klären lässt; und auch warum und mit welcher weiteren Verwendungsabsicht wir das überhaupt wissen wollen.

Diese Fragen sind neuralgischer als man angesichts des derzeitigen Booms sogenannter Gegenwartskunst annehmen möchte. Ist einerseits die allgemeine Bereitschaft, als Kunst vorgeschlagene Dinge – Objekte ebenso wie Sachverhalte – als Kunst unabhängig von ihrer Machart und möglichen Bedeutung verhandlungslos zu akzeptieren, ist das den buchstäblichen Pfifferling nicht wert, wenn andererseits gar nicht erst danach gefragt wird, was diese Kunst denn wäre und vor allem wozu sie gut ist. Diese Frage anzupeilen bedeutet gerade nicht, sich vom Ideal der Zweckfreiheit der Kunst zu verabschieden. Im Gegenteil.

Charlotte Prodgers Ausstellung im Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf, ist die erste institutionelle Einzelpräsentation im deutschen Sprachraum.