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Das Kunstmuseum Winterthur und das Museum Oskar Reinhart zeigen gleichzeitig zwei Ausstellung zum zeichnerischen Schaffen in der Schweiz. Die beiden sich ergänzenden Werkschauen spannen den Bogen vom 18. Jahrhundert bis in die jüngste Gegenwart und vermitteln so einen umfassenden Einblick in die wechselvolle Geschichte der Zeichen- kunst in der Schweiz. Das Kunstmuseum konzentriert sich auf Positionen der Gegenwarts- kunst, während das Museum Oskar Reinhart eine Gegenüberstellung von älteren Arbeiten und zeitgenössischen Werken präsentiert. Dadurch sollen die faszinierende Vielfältigkeit und die andauernde Aktualität der Zeichnung im Schaffen Schweizer Künstlerinnen und Künstlern zur Geltung kommen und gleichzeitig die historischen Ursprünge der Gattung deutlich gemacht werden.

Beide Museen verfügen über reiche Bestände an Papierarbeiten, die jedoch wegen ihrer Fragilität und Empfindlichkeit, insbesondere auf Licht, nur selten gezeigt werden können. Gerade die Zeichnung bietet aber die Möglichkeit, das Schaffen eines Künstlers genauer zu betrachten und dabei Neues zu entdecken. Galt früher das Arbeiten auf Papier inner- halb des künstlerischen Prozesses als Vorstufe zum Gemälde und damit als diesem ge- genüber minderwertig, so tritt gerade in jüngster Zeit das Material des Papiers und das Auftragen des Zeichenmittels wieder verstärkt in den Fokus – bildet es doch in seiner Simplizität den vielleicht stärksten Kontrast zu den Neuen Medien. Denn die Zeichnung ist oft nicht bloss die erste Niederschrift eines Gedankens, sie ist auch die unmittelbarste und individuellste Form der visuellen Kommunikation. So galt im 18. und 19. Jahrhundert das disegno als Inbegriff der künstlerischen Genialität und stand im Kontrast zur Farbe – dem anderen Hauptgestaltungsmittel der Malerei –, trat in der geführten Linie doch die Handschrift des Künstlers deutlicher zutage als etwa in einem Ölgemälde. Heute haben sich diese Wertvorstellungen freilich verschoben und führen die Zeichnung zu unterschiedlichsten und immer wieder überraschenden Resultaten.

Die Ausstellung im Kunstmuseum Winterthur geht von den eigenen Beständen aus, die in den vergangenen Jahrzehnten markant erweitert werden konnten – einerseits durch grosszügige Schenkungen, aber auch durch Eigenerwerbungen im Rahmen von Aus- stellungen. Dieses stark gewachsene Konvolut an Schweizer Zeichnungen wird nun umfassend in einer Ausstellung präsentiert, die rund zwanzig Positionen in einer Viel- falt vereint, die von konzeptuellen Bildfindungen bis hin zu lyrischen Malereien auf Pa- pier reicht. Der Ausstellungstitel «CH-Variationen» spielt auf die humorvolle Wandarbeit «CKVariationen (Die Schweiz)» von Markus Raetz an. Statt gezeichneter Linien definieren darin Eukalyptuszweige die Darstellung, die Schatten geben die Umrisse wieder, und statt des Papiers wird die Wand zum Bildträger. In der Originalität der Materialwahl steht dieses Werk exemplarisch für die Bandbreite der zeitgenössischen Schweizer Zeichen- kunst. Die Ausstellung zeigt Werke von Christoph Rütimann (1955), Mario Sala (1965), Rudolf de Crignis (1948–2006), Valentin Magaro (1972), Hans Brändli (1955), Pia Fries (1955), Vaclav Pozarek (1940), Heiner Kielholz (1942), Lisa Hoever (1952), Markus Döbeli (*1958) und anderen.

Das sich in unmittelbarer Nähe befindende Museum Oskar Reinhart beherbergt, nebst seinen Gemälden des 19. Jahrhunderts, die gesamte Sammlung an Papierarbeiten seines Gründers. 2013 hat die Stiftung Oskar Reinhart vom Lotteriefonds des Kantons Zürich CHF 500’000 erhalten, um diese im Schatten der Gemälde stehenden graphischen Bestände zu konservieren und – wo nötig – zu restaurieren. So präsentiert die Aus- stellung «CONFRONTATION» einerseits ausgewählte Schweizer Zeichnungen, welche in den letzten zwei Jahren restauriert wurden, andererseits erinnert sie mit Ergänzungen zeitgenössischer Positionen daran, dass Zeichnen einem fundamentalen, zeitlosen Be- dürfnis des künstlerischen Ausdrucks entspricht. Zu sehen sind Werke von JeanÉtienne Liotard (1702–1789), Johann Heinrich Füssli (1741–1825), Wolfgang-Adam Töpffer (1766–1847), Ferdinand Hodler (1853–1918), Carl Burckhardt (1878–1923) und René Auberjonois (1872–1957) aus der Stiftung Oskar Reinhart, welche mit Arbeiten von Heidi Bucher (1926–1993), Miriam Cahn ( 1949), Nic Hess ( 1968), Damián Navarro ( 1983) und Karim Noureldin ( 1967) konfrontiert werden.

So laden die beiden Ausstellungen ein, ausgehend von den wichtigsten Schweizer Künstlern des 18. und 19. Jahrhunderts, das aktuelle zeichnerische Schaffen hierzulande im Vergleich dazu zu entdecken und damit die Vielfältigkeit und die bis heute anhaltende künstlerische Relevanz dieser Gattung neu zu erkennen.