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Eröffnung Samstag 3. November, 19-21 Uhr

In seiner dritten Einzelausstellung in der Galerie Barbara Weiss zeigt der international vielfach ausgezeichnete Fotograf und Hasselblad-Award-Preisträger Boris Mikhailov (geb. 1938 in Kharkov, Ukraine), der im Westen spätestens durch seine Porträtserie von Obdachlosen in Kharkov, Case History, Aufmerksamkeit erregte, erstmalig Fotografien, die er im Winter 2006/07 in Tokio aufgenommen hat.

„I want to know what is real Japan and what is the difference between Japan and me“, lautete die Losung, mit der sich Boris Mikhailov mit der Digitalkamera während seines ersten längeren Japan-Aufenthalts durch Tokio bewegte. Mit einer Auswahl von etwa dreißig gerahmten und ungerahmten Farbfotografien in ganz unterschiedlichen Formaten und Qualitäten präsentiert uns der Künstler ein Konzentrat aus seinen Beobachtungen der japanischen Großstadtgesellschaft. Gleichzeitig möchte er den Betrachter dazu anregen, eigene Erwartungshaltungen gegenüber einer „Japan-Ausstellung“ zu reflektieren.

Im Zentrum der Ausstellung Banzai!* steht, ähnlich wie schon in der Galerieausstellung In the Street (Berlin), 2004, das ganz „normale“ Leben in der Stadt, das Mikhailov in spontan aufgenommenen Straßenszenen, die auf den ersten Blick ganz normale Leute in ganz normalen Straßen zeigen, festgehalten hat. Beim näheren Hinsehen fallen jedoch Details auf, die wir westlichen Betrachter, genau wie auch der Fotograf selbst, als fremd, eigentümlich oder auch grotesk empfinden. Mikhailov zeigt uns nicht die hippen, konsumorientierten Jugendlichen der Metropole und auch nicht typische Business-People. Stattdessen lenkt er den Blick auf alte, arme oder auch besonders kleine Menschen, ihre Verlorenheit oder ihre Beziehung zueinander, ihre Gesichter, Gesten, Bekleidung und Körperhaltungen. Einen weiteren Schwerpunkt der Ausstellung bildet das Thema „Liebe“, welches Mikhailov unter anderem anhand von Fotografien aus einem Erotik-Museum visualisiert. Nicht nur hier hat den Künstler die Frage bewegt, wie sich die traditionelle japanische Gesellschaft und somit auch Sexualität und Pornografie durch den Einfluss der Amerikaner nach der Kapitulation Japans 1945 verändert haben. Eine dritte Gruppe von Fotografien wendet sich dem Sujet „Politik“ zu: Im Sinne einer ironischen Geste zeigt sich Mikhailov selbst mit gereckter Faust in der Kampfpose des bekannten Schriftstellers und Politaktivisten Mishima Yukio (1925-1970), der nach einem erfolglosen Appell an seine Anhänger Seppuku-Suizid (Harakiri) beging. Desweiteren konfrontiert uns der Künstler mit Aufnahmen von Obdachlosen, die an einer Suppenküche anstehen oder auch mit den permanent alarmierten Menschen, die sich in Erinnerung an das Giftgas-Attentat von 1995 ängstlich mit Mundschutz durch die Stadt bewegen.

Boris Mikhailov richtet seinen kritischen und gleichzeitig auch respektvollen Blick auf verschiedene Kulturkreise. Als aus der ehemaligen Sowjetunion stammender Beobachter deckt er gesellschaftliche Ambivalenzen auf, die im klischeehaft vermittelten Bild von Japan so nicht wahrgenommen werden.

* Banzai bedeutet auf Deutsch soviel wie „Hurra!“ im Sinne eines Kampfschreis.

Barbara Buchmaier

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Boris Mikhailov
Banzai!