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Er ist eine der schillerndsten und einflussreichsten Künstlerpersönlichkeiten der 1960er und 70er Jahre: Blinky Palermo. Den Künstlernamen Blinky Palermo gab sich Peter Heisterkamp (Leipzig 1943–1977 Kurumba, Malediven) bereits während des Studiums bei Joseph Beuys. Ein amerikanischer Boxmanager und Mafioso stand dafür Pate. Im Rheinland und später in den USA entwickelte der jung verstorbene Maler, Environment- und Objektkünstler eine unverkennbar eigene, abstrakte Bildsprache. 1970–1975 übersetzte Palermo diese in einer außergewöhnlich dichten Folge von Editionen in das Medium der Druckgrafik. Das druckgrafische Werk umfasst die Summe seines Schaffens.

40 Jahre nach der ersten Einzelausstellung Palermos in Leverkusen (Palermo. Druckgrafik. 1970–1974) präsentiert das Museum Morsbroich in einer durch einige Leihgaben erweiterten Überblicksschau Palermos grafisches Werk aus Sammlungsbeständen. Einen Blick zurück eröffnen Fotografien vom Aufbau der damaligen Ausstellung zusammen mit dem Künstlerfreund Imi Knoebel sowie ein historisches Video, das Palermo beim Aufmalen eines Dreiecks in Blau auf die Museums-wand zeigt – eine im Werk von Palermo universell verwendete geometrische Grundform, die zu seinem Markenzeichen wurde.

Zentral in Palermos Werk ist der Prozess der Übertragung einer bildnerischen Idee in andere Medien. So konnte das Blaue Dreieck eine multiple Existenz in seinem Œuvre führen. Zunächst als Einzelform aus Pappe ausgeschnitten (1966), diente es bereits im Plakatentwurf der ersten Einzelausstellung als eine Art Logo. 1969 wurde es als Auflagenobjekt mit Plakafarbe auf Spanplatte ediert; im selben Jahr produzierte Palermo als Multiple ein mit Schablone auf Karton gemaltes Dreieck samt Pinsel und Farbtube und forderte die Käufer auf: „Malen Sie mit Hilfe der Schablone ein blaues Dreieck über eine Tür. Verschenken Sie dann das Original Blatt.“ Sherrie Levine nahm dies 1996 zum Anlass für eine Intervention im Museum Morsbroich und markierte mit einem blauen Dreieck After Palermo den Übergang vom Ausstellungsbereich in den historischen Spiegelsaal des Schlosses.

Palermos intensive Beschäftigung mit der Druckgrafik und seine Begeisterung für dieses Medium gründen in dessen Prozesshaftigkeit und Wandelbarkeit. Zum Beispiel übertrug er mit einem humorvollen Seitenhieb auf die geometrische Dogmatik des De Stijl die Verkleidung eines Spielautomaten in ein Gemälde und nutzte dies als Vorlage für einen Siebdruck (Flipper, 1970). Beim Drucken entschied sich Palermo spontan dafür, die Vorstufe, also den zweifarbigen Zustand, zu integrieren und sie dem dreifarbigen Druck in einem Diptychon gegenüberzustellen. Auf diese Weise gelang es ihm, ein abstraktes Bildpaar mit den Blinklichteffekten einer Spielhölle zu assoziieren.

In „Suiten“ von Grafikblättern variiert Palermo spielerisch sein Vokabular elementarer Formen und Farbflächen, setzt diese in neue Beziehungen zueinander und zum Bildgrund, wägt Harmonien und Spannungen ab. Gegenüber der formalen Rigidität der Minimal Art vitalisiert Palermo die verwendeten geometrischen Elemente und verleiht ihnen durch bewusste Irritationen eine persönliche Prägung (die entsprechende Anweisung an den Siebdrucker lautete: „Unregelmäßigkeiten lassen“!). Insbesondere die Arbeit in Grafikserien ermöglichte es Palermo, seine Formen offen zu halten und in einem dynamischen Prozess kontinuierlich weiter zu entwickeln. So ist Palermos Formensprache klar und reduziert und wirkt doch zugleich beweglich und in Beuys‘ Sinne fließend, sinnlich und leicht.

Kurator der Ausstellung ist Fritz Emslander, Leiter der Grafischen Sammlung.