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Der von UdK-Professor Thomas Zipp gewählte Ausstellungstitel „Birds and other Mythos“ ist ein Fingerzeig auf künstlerische Positionen, die man als solche in den diversen Arbeiten seiner Studierenden und Gaststudierenden erkennen könnte. Für die Ausstellung bei Cruise & Callas, an der er selbst teilnimmt, hat Zipp den Kurator Veit Loers gebeten, eine Auswahl unter seinen Studenten und deren Arbeiten zu treffen. Als Referenz auf die künstlerischen Tendenzen, die dieser bei einigen der Studierenden wahrgenommen hat, ergänzte Loers die Künstlerliste um zwei sogenannte Outsider-Künstler.

„Birds and other Mythos“ kann Bezug nehmen auf Hitchcocks Filmklassiker „The Birds“ von 1963, in dem eine Art von Verschwörung von Vogelschwärmen gegen Menschen stattfindet, ein mysteriöser Horrorfilm, in dem die Vogelwelt unerwartet als tödliche Bedrohung scheinbar friedlicher Menschen auftritt. Aber es gibt auch schräge Vögel, wie die englische Musikgruppe „Birds“, die es auf nicht mehr als zwei Platten brachte. In der Komödie „Die Vögel“ (Ornithes) von Aristophanes (414 v. Chr.) wollen Vögel auf den Rat zweier Athener Abenteurer ein Reich zwischen den Göttern und den Menschen errichten – von der Machtergreifung bis zu am Spieß gebratenen eigenen Artgenossen ist es nur ein kleiner Schritt. Die Einladungskarte zur Ausstellung, die eine Bierdose mit dem Label „Mythos“ zeigt, verweist auf die Ambivalenz des Begriffs im Schaffen der gezeigten Künstler.

Neben der Anspielung auf Vögel jedweder Art sind es generell Tiere, die eine unerwartet große Rolle in der künstlerischen Arbeit und im Denken der Teilnehmer einnehmen: von den märchenhaften Gestalten in den Bildern Okka Hungerbühlers über Esel, Pferde und Kaninchen in explosiven Stickszenen bei Mary-Audrey Ramirez, von den traurigen Hunde-Fotogrammen Jakob Schmitts bis zu den Masken-Porträts, den Rubber- and Leather-Dogs von Rainer Menke. Die Spannweite reicht von grausamen tattooähnlichen Strukturen bis zu humorvollen Einlagen, oder besser gesagt: die heterogenen Elemente durchziehen die Arbeiten spielerisch. Durch Comic und Action entstehen Kippbilder, in denen mal die eine, mal die andere Seite dominant wird. Das Video, in dem sich Mutter und Tochter bespucken (Eva Vuillemin), D L F Oscar de Franco mit seinen androgynen Mythologemen, sie ergänzen das Szenario als animistisches Theatrum oder Modell, wobei dieser Animismus nichts zu rezipieren scheint, sondern in einem zeitgenössischen kulturellen und subkulturellen Milieu agiert. Weil die jungen KünstlerInnen mit Bildern des Massenkonsums agieren und sie nicht strategisch als soziales Instrument einsetzen, spülen sie deren ursprüngliche Ikonologien hoch, auch wenn oder gerade weil deren Signifikanz im Dunkeln bleibt. So etwa in den präfigurativen Tapetenmustern von Esther Sibiude, den stummen Zeichnungen von Nicolas Bakowski, den verschobenen Menschenkonturen Dinas oder den dunklen Schrift- und Bildahnungen Selma Devrim Feners. Leon Eisermann vereint narrative Humoresken der Mediokrität zu skurrilen Installationen.

„Men, Erections, Blood and Explosions“ (Mary-Audrey Ramirez) sind faktisch allegorische „Zerstückelungen“ im Sinne der literarischen Montagen und Collagen Walter Benjamins. Dazu bilden die Zeichnungen zweier betagter italienischer Outsider-Künstler aus der Wohngegend des Kurators den Kontrapost. Die naiven bunten Gesichtsornamente Giuseppe Curtos und die unheilvoll zerrissenen Ikonen Giorgio Dorigos helfen, die Underdog-Attitude der Berliner Kunstaspiranten dem Mythos zuzuordnen.