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Der Titel der Einzelausstellung von Bettina Disler (geb. 1974 in Zürich) berührt das zentrale Dilemma heutiger Zeit: ein wachsender Teil der Gesellschaft besteht aus Singles auf der steten Suche nach dem Gegenüber, das mit ihnen das Leben teilt, und sie aus dem solitären Dasein befreit.

Drei Videofilme und eine Reihe von Objekten die Tafelobjekte Letters sowie die Hängeskulpturen – kreisen um wechselnde Gefühlslagen zwischen Zweifel, Hoffnung und Sehnsucht. Bekannt für ihre sorgfältig inszenierten Videofilme zeigt Bettina Disler eine nuancierte Trilogie über das Wesen der Liebe.

Diese beginnt bei der frischen Verliebtheit von jungen Erwachsenen in If Love Is the Answer Could You Please Rephrase the Question? (2010), lässt in Silver Lining (2011) Singles zwischen dreißig und vierzig Jahren mit ihren anspruchsvollen Erwartungen an zukünftige Partner zu Wort kommen, und endet in Agape (2012) bei der Rückschau von reiferen Semestern und deren Erlebnissen von wahrer Liebe.

Die Künstlerin lädt Freiwillige vor die Kamera, welche bereit sind, ihre Gefühle mit zu teilen und von tatsächlichen Erfahrungen zu erzählen. Mithilfe ausgeklügelter Farb- und Lichtdramaturgie, dank stimmigem Bühnenbild, ausgewogener Bildkomposition und Montage, werden die Stellungnahmen zum zeitgenössischen Sittenbild verdichtet. Bettina Disler beteiligt die

Zuschauer am Gefühlsüberschwang von frisch Verliebten, indem sie mittels Split Screen eine Dreiecksbeziehung zwischen ihnen und den Liebenden aufbaut. Auf diese Weise ist kein Ausweichen möglich und finden sich die Betrachter zwischen voyeuristischer Lust und peinlicher Berührtheit gefangen. Die Singles erzählen ihre Wunschvorstellungen frontal zur Kamera, während sie selbst ohne Bezugnahme zueinander rund um einen Tisch herum gruppiert sind. Da sie nacheinander gefilmt und wieder in das Bild hinein montiert wurden, trennt sie trotz körperlicher Nähe unüberbrückbare Distanz und es gibt nichts, was ihre emotionale Einsamkeit überwinden könnte.

Die rückschauenden Senioren hingegen sind gleichzeitig von vorne, von hinten und als unbewegtes Standbild zu sehen. Halbverborgen im Interieur steht zudem eine Kontrastfigur, die als einzige an der Existenz wahrer Liebe zweifelt. Die Bildverschachtelungen verweisen auf die Komplexität der Gefühle, während die Montage der Stellungnahmen sachte zwischen Selbstdeutung, Selbstdarstellung und Lebenslüge hin- und herwechselt. Bei allen drei Werken offenbart sich das feine Gewebe zwischen Wunschdenken, intensiver Wahrnehmung des Ist-Zustandes und uneingestandenen Widersprüchen. Stilsicher navigiert Bettina Disler zwischen den Klischees hindurch und nähert sich den grossen Gefühlen erfrischend unsentimental. Dass sie sich selbst von der Beobachtung nicht ausnimmt, belegen ihre erstmals gezeigten Objekte, in die eigene Erlebnisse einflossen. Während die Videofilme mittels präziser Montage überwältigende Gefühle auffächern, rücken die atmosphärischen Assemblagen aus Alltagsgegenständen das Emotionale in greifbare Nähe.

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Bettina Disler: me and maybe you
Videoarbeiten und Objekte