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Die Pinakothek der Moderne zeigt in diesem Sommer erstmals ein ebenso ungewöhnliches wie spektakuläres Experiment: In einer umfangreichen Serie interpretiert Georg Baselitz programmatische Werke seiner künstlerischen Entwicklung völlig neu. Wie ein Musiker, der seine erfolgreichsten Stücke mit neuen Impulsen und technischen Mitteln »remixt«, setzt sich Baselitz erneut mit seinen Gemälden auseinander.

Georg Baselitz, 1938 in Deutschbaselitz in Sachsen geboren, gehört zu den Größen der internationalen zeitgenössischen Kunst. Seine Bilder wurden von der Kritik gefeiert und sind weltweit in den namhaftesten Museen vertreten. Baselitz’ künstlerische Entwicklung verlief dabei zunächst nicht linear. Sie stellt sich rückblickend als eine Folge von Brüchen und Wendungen dar. Baselitz ist es immer gelungen, das Vergangene zu akzeptieren und etwas Neues zu wagen, ohne sich von dem Vorhergehenden abgrenzen zu müssen. Es hat ihn nie interessiert, einem international reüssierenden Stil, einer künstlerischen Richtung zu entsprechen. Baselitz’ OEuvre ist stattdessen in allen Schaffensphasen geprägt von der Erforschung malerischer Möglichkeiten und der Suche nach dem »neuen« Bild. Sein Frühwerk ist durch eine aggressiven Antihaltung bestimmt, die zu Bildern wie »Die große Nacht im Eimer« (1962/63) und der Entwicklung der »Helden« bzw. »Neuen Typen« (1966) führte. Ab 1969 mündet Baselitz’ Suche in der Umkehr der Motive. Das Bild wird autonom, es ist von keiner äußeren Realität mehr abhängig und bleibt dennoch figurativ beschreibbar. So findet Baselitz seine vollkommen unabhängige Position zwischen den Extremen von Abstraktion und Figuration. Der viel diskutierte »malerische Trick« der Umkehrung der Motive bietet ihm die Möglichkeit, die Aufmerksamkeit des Betrachters auf die Malerei selbst zu lenken, während das Thema an Bedeutung verliert.

Heute stellt Baselitz sich selbst und seine eigenen Bilder auf den Prüfstand. In der »Remix«-Serie untersucht er – wie es noch kein Künstler vor ihm getan hat – ob es möglich ist, die eigenen Bilder noch einmal zu malen. Das Konzept des malerischen »Remix« ist dabei in einer Tradition mit den Bilderserien Monets und Munchs zu sehen, die ein Thema durch minimale Veränderungen in Farbwahl, Perspektive oder malerischen Ausdruck Schritt für Schritt in all seinen Nuancen zu erforschen zu suchten. Demgegenüber geht es Baselitz allerdings weniger um die maltechnische Erforschung des Bildthemas als um die Ergründung seiner eigenen emotionalen wie künstlerischen Haltung gegenüber seinem Werk und seinen Themen. Das Konzept funktioniert vor allem deshalb, weil Baselitz sich seinen Bildern eng verbunden fühlt und mit jedem einzelnen Erinnerungen und Emotionen verknüpft, die er nun bei der Arbeit am »Remix« wieder abruft und anders hinterfragt.

Entstanden sind großformatige Gemälde, Zeichnungen und Aquarelle, die mit bestechender gestischer Leichtigkeit und malerischer Verve souverän den Dialog mit dem eigenen Werk und der eigenen Biografie aufnehmen. Was sich früher in langen Arbeitsphasen, in einem aufwühlenden Prozess auf der Leinwand entwickelte, entfaltet sich heute in nur wenigen Stunden. Die Genese findet in erster Linie im Kopf und nicht mehr auf der Leinwand statt. Dieser radikal andere Ansatz führt nicht zu besseren oder schlechteren, sondern zu neuen Bildern, die heute richtig oder falsch sein können, gelungen oder gescheitert.

Aus der Gewissheit heraus, seine ureigene Position gefunden zu haben, nimmt Baselitz den Diskurs mit der zeitgenössischen Malerei auf und formuliert eine übergreifende Position, in der sich die Tradition der großen expressiven Malerei mit einer unmittelbar zeitgenössischen Sicht verbindet. Seine Auseinandersetzung gilt insbesondere der weltweit gefeierten und hofierten zeitgenössischen deutschen Malerei wie der »Neuen Leipziger Schule« und dem Diskurs um eine »Neue Romantik in der Kunst der Gegenwart«. Hier schließt sich der Kreis zu seiner eigenen früheren Beschäftigung mit dem Heldentopos der Deutschen Romantik in den Bildern der »Helden« und »Neuen Typen«.

Und so sind die »Remix«-Bilder auch Zeugnis eines Reifungsprozesses des Künstlers, der sich in einer bestechenden Klarheit der Motive und Sicherheit in der malerischen Umsetzung manifestiert. Die Bilder wirken in den Farben heller und kontrastreicher als ihre Vorgänger. In ausnehmend großen Formaten treten dem Betrachter die bekannten Motive in einem neuen Gewand entgegen. Fulminant in ihrer farblichen und malerischen Wirkung zeigen die Bilder der »Remix«-Serie, dass Baselitz heute zu vielen seiner Themen ein distanzierteres Verhältnis entwickelt hat, das eine selbstverständliche Synthese von durchdachtem Konzept und spontanem Ausdruck ermöglicht.

Die Pinakothek der Moderne ist der ideale Ort für die Erstpräsentation dieser neuen Bilder von Georg Baselitz: Hier sind nicht nur die unterschiedlichen malerischen Positionen des 20. Jahrhunderts reich vertreten, sondern es steht auch eine umfangreiche Baselitz-Sammlung für den unmittelbaren Vergleich der neuen Bilder mit den programmatischen Erstfassungen zur Verfügung.

Verantwortliche Kuratorin: Carla Schulz-Hoffmann

Pressetext

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BASELITZ REMIX
Georg Baselitz
Kuratorin: Carla Schulz-Hoffmann

Stationen:
21.07.06 - 29.10.06 Pinakothek der Moderne, München
24.01.07 - 22.04.07 Albertina, Wien
weitere Stationen in Shanghai, London und den USA