press release only in german

Die Rolle des Kunstbetrachters war lange von einer passiven Haltung gegenüber dem Kunstwerk geprägt. Sein Ort war dem Kunstwerk gegenüber. Der Betrachterstandpunkt wurde definiert durch eine klare wenngleich individuell definierte Distanz zum Objekt, das ein Gegenüber darstellte. Der Betrachter konnte so mit dem Werk in einen Dialog treten, es analysieren, mit anderem vorab Gesehenem vergleichen, in einen Zusammenhang einordnen oder auch kontemplativ genießen.

Werke, die einen eigenen Raum definieren, den Realraum neu inszenieren oder die Raumgrenzen illusionistisch überwinden, weisen dem Betrachter dagegen eine vollkommen andere Rolle zu. Die Installation fordert dem Betrachter eine aktive Beteiligung ab. Er muss sich im Raum bewegen, will er das Werk vollständig erfassen. Zugleich fordert das installative Werk häufig die Wahrnehmung, so wenn elektronische Bilder über die Realraumgrenzen hinausgreifen oder der Realraum zusammen mit der Zeit als 4. Dimension das Realitätsgefühl des Betrachters auf eigenartige Weise auszusetzen vermag. Dabei kommt dem Kreis als Form, zirkuläre Struktur und Bewegung eine besondere Bedeutung zu. Die ausgewählten Werke nehmen auf jeweils spezifische Weise auf das Motiv des Umkreisens Bezug, sei es durch ein sich entlang der Wände ausbreitendes Bilderpanorama oder die Inversion von Innen und Außen, sei es durch den Filmloop oder durch zwei um sich selber kreisende Skulpturen. Im Kreisen entstehen Kräfte, die sich still entwickeln oder explosiv entfalten können.

Isa Genzkens (geb. 1948) Werke gehen der Frage nach, inwiefern sich von allen Seiten zufrieden stellende Ansichten realisieren lassen. Deshalb rotieren beispielsweise „Haube I (Frau)“ und „Haube II (Mann)“ auf einer Stangenkonstruktion. Richard Jacksons (geb. 1939) Arbeiten – darunter auch die Titel gebende „Ballerina in a Whirlpool“ – sind assoziativ angesiedelt zwischen innerem Antrieb und Getrieben-Sein, Kontrolle und Hingabe, Pflicht und Kür, insbesondere in der Affinität des Künstlers zur automatisierten Mechanik. Bei Roman Signer (geb. 1938) tritt der Aspekt der (Selbst-)Gefährdung des Menschen in das Zentrum künstlerischer Auseinandersetzung mit der Wahrnehmung. Entlang der Nahtstelle zwischen Natur und Kunst fokussieren die Aktionen die Gegenpole Konstanz und Plötzlichkeit. Auch Diana Thater (geb. 1962) befasst sich in ihren Filmprojektionen mit der Frage nach dem Verhältnis des Menschen zu seiner Umwelt, wenn sie domestizierte Tiere als Akteure auftreten lässt und dabei Innen- und Außenräume miteinander verschränkt.

Die Ausstellung ist solchen künstlerischen Strategien auf der Spur, durch die der Realraum inszeniert und das Raumgefühl des Betrachters gestört, sein Standpunkt verunsichert und die Betrachterperspektiven vervielfacht werden.

Die Ausstellung ist kuratiert von Michaela Unterdörfer (Sammlung Hauser und Wirth) und Fritz Emslander (Staatliche Kunsthalle Baden-Baden).

Zur Ausstellung erscheint im Snoeck Verlag ein Katalog mit einem Essay von Michaela Unterdörfer und einführenden Texten und zahlreichen Abbildungen zu den ausgestellten Werken. ISBN 3-936859-47-7

only in german

BALLERINA IN A WHIRLPOOL
Sammlung Hauser und Wirth, St. Gallen
Kuratoren: Michaela Unterdörfer, Fritz Emslander

Künstler: Isa Genzken, Richard Jackson, Roman Signer, Diana Thater.