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Im Jahr 1988 gab die Edition Block die Grafikmappe Aus Australien heraus, die vierzig Blätter von acht australischen Künstlerinnen und Künstlern umfasste. Die Mappe resultierte aus dem Interesse und der Auseinandersetzung des Kurators René Block mit der australischen Kunstszene. Seine Tätigkeit als deutscher Koordinator der Biennale von Sydney in den Jahren 1984 und 1986 ermöglichte ihm den Einstieg in die lokale Szene und mündete 1986 in der von ihm konzipierten Ausstellung Fünf vom Fünften in der Berliner daad-Galerie. Bereits zu diesem Zeitpunkt war an eine Grafikmappe gedacht, die dann zwei Jahre später erschien. Neben den damaligen Ausstellungsteilnehmern Richard Dunn, John Lethbridge, Mike Parr, Peter Tyndall und Ken Unsworth wurden noch John Nixon, Vivienne Shark-LeWitt und Jenny Watson eingeladen. Alle Beteiligten konzipierten jeweils eine Serie von fünf Blättern, die in den klassischen Techniken Holzschnitt, Radierung, Steinlithographie und Siebdruck bei Viridian Press in Melbourne gedruckt wurden. Die Mappe repräsentiert eine Künstlergeneration, die maßgeblich war für die hauptsächlichen Entwicklungen der australischen Kunst in den 1970er und 1980er Jahren. Die Künstlerinnen und Künstler schufen neue Möglichkeiten unabhängiger Arbeit außerhalb des kommerziellen Systems, provozierten ein zunehmend kritisches Verständnis in ihrem gesellschaftlichen Umfeld und ebneten so auch einer jüngeren Generation den Weg. Gemeinsamer Hintergrund dieser radikalisierten Kunstpraxis waren Konzeptkunst und Minimalismus. Performance, Installation und Serialität spielten eine wesentliche Rolle hinsichtlich der Neustrukturierung der Beziehung zwischen Publikum und Künstlern. Das Werk von Richard Dunn (geb. 1944) reflektiert häufig den sozialen und historischen Kontext künstlerischer Produktion und setzt sich mit dem komplexen Problem der Wahrnehmung und Deutung auseinander. Der Künstler nutzt das Paradox, die Metapher, die Verschlüsselung und den Kontrast von minimaler Form und Komplexität der Inhalte, um seine Arbeiten einer simplifizierenden Deutung zu entziehen und den Betrachter zu einem intellektuellen Austausch herauszufordern. Dunn setzt dabei Eklektizismus und den Wechsel stilistischer Ausrichtung als bewusste Strategien ein, wobei er sein Werk dem Minimalismus, der suprematistischen Malerei und der Konzeptkunst verpflichtet sieht. In seinen Arbeiten prallen Fotographie, realistische Malerei, perspektivische Zeichnung oder Montagetechniken des Films aufeinander und relativieren sie, um konventionelle Interpretations- und Sehweisen zu unterlaufen. John Lethbridge (geb. 1948) nutzte in den 1970er Jahren die Strategien des Minimal, um die Sprache der Kunst zu erforschen und interessierte sich dabei vor allem für selbstbeschränkte formalisierte Systeme. Dies brachte ihn zu Untersuchungen über die Polarität von minimalistischer Komposition und illusionistischem Stil und führte zu Arbeiten, die formale Strenge und intuitive Emotionalität, das Rationale und das Metaphysische zusammenführen. Lethbridge entwickelte eine Formensprache aus frontalen Linien, Flächen und Massen, aus denen sich die Bildinhalte aufbauen, die vom gegenseitigen Anziehen und Abstoßen von Körpern, von Energiegesetzen und Balance handeln. Minimalismus, Monochromie, Konstruktivismus und das Readymade sind Referenzpunkte der Arbeit von John Nixon (geb. 1949), dessen Werk um die aktuelle Realisierbarkeit und Relevanz der utopischen Ästhetik sowie der sozialen und politischen Programme des frühen Modernismus kreist. 1968 entwickelte der Künstler den "Experimental Painting Workshop" (EPW:O), der sein bis heute andauerndes Projekt zur Befragung der nichtgegenständlichen Malerei bezeichnet. Wesentliche Bezugspunkte Nixons sind Malewitschs "Schwarzes Quadrat", das die Idee der Selbstbezüglichkeit und Absolutheit der Malerei prägte und Duchamp, dessen "Readymades" alltägliche Objekte in den Kunstkontext überführten. Nixon analysiert die Möglichkeiten von Monochromie und Readymade und entwickelt sie weiter - in als Labor angelegten und aufeinander aufbauenden Räumen. Mike Parr (geb. 1945) hat sein Werk im Wesentlichen autobiografisch und in Serien angelegt, befasst sich aber gleichzeitig mit dem Problem der Einbeziehung des Publikums. Während er in seinen frühen Performance-Arbeiten vor allem familiale Beziehung erforschte ging es in den 1970er Jahren um die Frage von Körper und Raum bzw. räumlicher Organisation. Seit Beginn der 1980er Jahre entwickelte er anamorphische Zeichnungen, die mit expressivem Gestus und analytischer Klarheit auf physische und psychologische Vorstellungsbilder verweisen. Neben der Performance nutzt der Künstler Film, Installation, Fotografie, Typographie, das Zeichen und das Wort, um die Felder des Psychischen, des Somatischen, der Interaktionen zwischen den individuellen und sozialen Bereichen und der Kohärenz des Selbstbildes zu erforschen. Die Arbeiten der Malerin Vivienne Shark-LeWitt (geb. 1956) handeln von häuslichem Leben, den Beziehungen der Geschlechter, den Machtverhältnissen des Alltäglichen, trivialen Missgeschicken und leicht surrealen und poetischen Erscheinungen. Häufig in kleinem Format oder als Vignetten ausgeführt, sind ihre Arbeiten von Humor geprägt und haben ihre Referenz in katholischer Ikonographie, moderner Literatur und Kunsttheorie. Formal sind ihre Arbeiten fein in Öl gemalt, in zurückhaltend cartoon-artigem Stil, der die perfekte Form für ihre satirischen Sujets bildet. Während die Ausführung an Illustrationen der 1950er Jahre erinnert, handeln ihre Themen von einer fortschrittlicheren Zeit, in der Männer sich um den Haushalt kümmern während Frauen erfolgreich Karriere machen. Die Bilder von Shark-LeWitt thematisieren dabei zugleich kunsttheoretische Fragen wie die Rückkehr zur Figuration, den Einfluss von Werbesprache und Popkultur auf die Kunst oder das Verhältnis von Hoch- und Trivialkultur. Peter Tyndall (geb. 1951) arbeitet nicht nur bewusst in Serien, sondern befragt und bewertet die eigene Geschichte fortwährend neu. Seine Arbeiten sind alle mit dem Titel "detail, A Person Looks At A Work of Art/someone looks at something" benannt und verweisen damit auf seine Beschäftigung mit der Sprache der Kunst. Jedes Objekt ist lediglich ein Detail, eine Wirkung in einem universellen Netz von Ursachen. Tyndall´s Bilder bestehen aus Serien von Zeichen, die das Verhältnis der künstlerischen Arbeit zum Betrachter, des Kunstwerks zum Kunstwerk und des Kunstwerks zum kulturellen Kontext herausarbeiten. Das Symbol, das dabei den Schlüssel bildet ist ein Quadrat mit zwei parallel verlaufenden Linien - sie stehen als Zeiger für ein mögliches Feld von Wirkungen und Verknüpfungen. Damit thematisiert der Künstler die Abhängigkeit seiner Bilder nicht nur von psychischen und physischen Umständen (Licht, Farbe, Rahmen, Hängung), sondern auch von der Gegenwart des Betrachters und der jeweiligen kulturellen und historischen Wahrnehmungspraxis. Ken Unsworth (geb. 1931) ist ein Bildhauer, der ab Mitte der 1970er Jahre auch den eigenen Körper in einer Serie von Performances in skulpturalen Installationen einsetzte, die im Zusammenhang mit seinem bildhauerischen Werk zu sehen sind. Dieses Werk arbeitet mit wiederkehrenden Basiselementen wie Stahlplatten, Stäbe, Stöcke oder Flusskiesel, die in kraftvoll-einfachen Anordnungen arrangiert werden. Dabei thematisiert er auf verstörende Weise die Fragilität jeglichen Gleichgewichts: Gerade im Moment der Balance könnten wir unsicher werden, die Objekte könnten fallen oder vom Boden abheben. Die makellose Lösung formaler Probleme, die sich mit Klarheit und größter Sparsamkeit vermittelt, geht in den Arbeiten von Unsworth immer einher mit Zweifel und Unbehagen sowie einer dramatischen Spannung. Jenny Watson (geb. 1951) arbeitet in einer Kombination aus Malerei, Text und Objekt auf figurative Weise. Ihre Texte decken sich dabei nicht mit dem Dargestellten, sondern bestehen aus schwer fassbaren Sätzen, Wendungen und Geschichten, die eine freie Assoziation zwischen Bild, Sprache und Erinnerung auslösen. Schlichte, einprägsame Sujets, Humor und bissige Ironie prägen ihr Werk und provozieren ganz bewusst eine gewisse Naivität. Watson kreiert in ihren Bildern komplexe Geschichten, die einen feministischen und sozialkritischen Anspruch haben. Ihre Kunst befasst sich explizit mit Themen wie weibliche Identität, Chauvinismus und familiäre Beziehungen, aber auch Sterblichkeit, Natur und Erinnerung. Das Portfolio erregte bei seinem Erscheinen in Australien großes Aufsehen, war es doch das bis dahin bedeutendste Projekt seiner Art, das in diesem Land verwirklicht wurde. Die Mappe zeigte, dass sich eine ganze Reihe australischer Künstler mit einer eigenen Sprache nachdrücklich am internationalen Dialog beteiligten und war ein Beleg dafür, wie sich die Beziehungen zwischen Zentrum und Peripherie im kulturellen Kontext wechselseitig durchdringen - ein Thema, dass der Verleger René Block auch in den folgenden Jahren nachhaltig bearbeiten sollte.

Die Mappe wird nun erstmalig in Europa präsentiert.

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Aus Australien - 8 graphische Positionen
Kurator: Rene Block

Künstler: Richard Dunn, Jenny Watson, Ken Unsworth, John Nixon, Peter Tyndall, Vivienne Shark LeWitt, Mike Parr, John Lethbridge