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Der österreichische Künstler Arnulf Rainer gehört heute zu den wichtigsten europäischen Künstlern nach 1945. Am 8.12.1929 in Baden bei Wien geboren, ist er als Repräsentant der Postmoderne vor allem mit seiner gestischen Malerei (Blindzeichnungen, Finger- und Fußmalerei) und seinen (Photo-) Übermalungen eigener und fremder Werke bekannt geworden. In groß angelegten Zyklen (Totenmasken, Kreuzübermalungen, Caspar David Friedrich, Antike u.a.) behandelt Rainer jahrhunderteübergreifende Ikonen der Kunstgeschichte, die er mit individueller Geste neu interpretiert und somit für heutige Kunstbetrachter erlebbar macht. Künstlerisch steht Arnulf Rainers gestische Abstraktion dem Informel am nächsten, doch sind seine im Surrealismus wurzelnden Anfänge bis auf den heutigen Tag in seiner Malerei spürbar.

Unter dem Titel Passionen wurde durch die Kunsthalle Jesuitenkirche, Aschaffenburg eine Retrospektive des Künstlers aus Anlass seines 75. Geburtstages  vorbereitet, die danach im Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr gezeigt wurde. Sie ist nun, ergänzt durch Exponate aus der Berliner Galerie Dittmar, in einer Kooperation des Hauses am Waldsee mit dem kunsthaus potsdam parallel in zwei Teilen in Berlin und Potsdam zu sehen. Nachdem im Jahre 2000 im Haus am Waldsee Rainers ausdrucksvolle Photoübermalungen der Totenmaske Friedrich Nietzsches im Rahmen der Ausstellung Artistenmetaphysik anlässlich des 100. Geburtstages des Philosophen zu sehen waren, kann nunmehr an den beiden Ausstellungsorten ein Überblick über das Schaffen Rainers mit Werken aus fünf Jahrzehnten gewonnen werden. Die überwiegend vom Künstler stammenden, z.T. noch nie ausgeliehenen oder im Gesamtzusammenhang präsentierten Arbeiten verdeutlichen sowohl die Konstanten in Rainers Werk als auch die Entwicklungssprünge, von den dunkel-monochromen Ausmerzungen des übermalten Eigenen oder Fremden hin zu einem lichten, hellfarbigen Dialog.

Die beiden sich ergänzenden Ausstellungsteile zeigen die verschiedenen Arbeitsweisen Arnulf Rainers, der nach eigener Aussage keine „Hauptwerke“ schaffen will, sondern bestrebt ist, in Serien „die verschiedenen Facetten einer Bildidee auszubreiten“. Mit der Präsentation zweier Filme von Herbert Brödl in den Ausstellungen hat der Besucher die Möglichkeit, Person und Werk Arnulf Rainers näher zu fassen. Gudrun Gorka-Reimus, Barbara Straka

Konstante Dialektik Trotz ständigen Wandels bleiben immer zwei sich scheinbar widersprechende Komponenten in Arnulf Rainers Œuvre verlässlich: Impuls und Korrektur, Verdeckung und Enthüllung, Schwärzung und Erleuchtung, Aktion und Verhaltung. In dieser äußerst dialektischen Form zu denken und zu malen, verfolgt Arnulf Rainer seine künstlerische Lebensvorstellung. Er ist der Tradition verpflichtet, indem er sie negiert und ausmerzt, er malt, „um der Malerei zu entgehen“ und findet genau in diesem scheinbaren Widerspruch den Ausdruck für sein in höchstem Maße differenziertes und tiefgründiges Werk. Gabriele Uelsberg, Ausstellungskatalog, S. 73

Zu den Übermalungen In den frühen Übermalungen des vom action painting und Tachismus [...] beeinflussten Rainer standen die Selbstbespiegelung des Künstlers und das gestische Moment im Vordergrund. Später verlagerte sich das Interesse auf die menschliche Physiognomie im Allgemeinen: auf die Charakterköpfe Leonardos (1976) und die Grimassen Franz Xaver Messerschmidts (1977), auf Totenmasken (1977/78) sowie, in logischer Weiterentwicklung, auf Künstlerbildnisse von van Gogh (bis 1980), Rembrandt (1980/81) und Goya (1983/84). Entstanden diese Arbeiten aus dem Prinzip der „energetischen Transformierung“, die „keine Rücksicht auf Erhaltung, Erscheinungsform, Wiedererkennbarkeit des historischen Werkes, des Gesichts“ (A.R.) legte, so ist die Radikalität des Zugriffs in der Serie zu Caspar David Friedrich (1999 - 2001) stark zurückgenommen. Wolfgang Cortjaens, Faltblatt zur Ausstellung in der Alten Nationalgalerie Berlin, 2003

„Ich betrachte Kunst als etwas, das den Menschen erweitern soll. Wenn sich der Mensch nicht müht, wenn er sich nicht anstrengt, ist er ein reduziertes Wesen. Es ist zu seinem Schaden, da ein reduzierter Mensch viel weniger Mensch ist und auch viel weniger von sich hat. Kunst ist für mich eine Hilfe für den Menschen und eine Form, sich zu entfalten.“ „Mit meinen Übermalungen versuche ich den Bildern das zurückzugeben, was sie verloren haben – ihr Geheimnis.“ Arnulf Rainer

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Arnulf Rainer - Passionen
Retrospektive zum 75. Geburtstag
In Zusammenarbeit mit: Neuer Berliner Kunstverein Berlin; Museumspädagogischer Dienst Berlin und Freunde und Förderer des Haus am Waldsee e.V.

Parallelausstellung im Kunsthaus Potsdam