press release only in german

Initialzündung für die Ausstellung war ein Bild von Carl Barth aus dem Jahre 1949 mit dem Titel Antlitz und Köpfe. Es zeigt drei Köpfe frontal dem Betrachter zugewandt: in der Mitte einen Christuskopf, flankiert von zwei Soldatenköpfen rechts und links. Dieses Nebeneinander und Miteinander von leidendem Antlitz und martialisch−versteinerten Gesichtern brachte uns auf die Idee, eine ganze Ausstellung dem menschlichen Antlitz zu widmen und die mannigfachen Ausprägungen und Ausdrucksformen des Gesichts auszuloten. Es schien uns eine lohnende Aufgabe, dem Thema des Kopfes, des Gesichts als wesentlichem Teil der künstlerischen Menschendarstellung nachzugehen und das Angesicht des Menschen als Spiegel der Seele, aber auch als Grundform künstlerischer Gestaltung in Bildern, Zeichnungen und Druckgraphiken zur Anschauung zu bringen.

So kann man nun in dieser Ausstellung von Angesicht zu Angesicht schreiten und nicht nur die unterschiedlichsten Physiognomien betrachten und vergleichen, sondern auch die vielfältigen künstlerischen Methoden studieren, die Gesichtszüge eines Menschen zu erfassen und darzustellen.

Im ersten Raum der Ausstellung finden wir ausschließlich Selbstbildnisse der Künstler, denn die Darstellung des eigenen Gesichts, die Erforschung der eigenen Identität war für die Künstler eine hervorragende Aufgabe der Selbstfindung und Realitätserfahrung. Hier finden wir Selbstbildnisse von Max Beckmann und Otto Dix, Otto Pankok und Gert Wollheim, Conrad Felixmüller und Jankel Adler, Karl Schwesig und Walter Gramatté, Hannah Höch und anderen.

Danach beginnt die Ausstellung chronologisch mit einer Zeichnung von 1901 von Heinrich Nauen, Kopf eines alten Mannes, einem akademisch penibel ausgeführten Studienblatt. An den Kunstakademien lernten die angehenden Künstler das menschliche Gesicht genau zu beobachten und naturgetreu wiederzugeben. Viel spontaner und frischer, von akademischen Zwängen befreit, ist da schon das kleine Skizzenblatt von August Macke von 1913: In einer Theater− oder Varieté−Loge fixiert der junge Künstler zwischen schemenhaften Zuschauerköpfen das faszinierende Profil einer jungen Frau mit Hut. Emil Noldes aquarellierter Kopf eines alten Mannes, um 1915 aufs Papier gebracht, läßt in seinem souveränen Pinselduktus erkennen, wie weit sich die Kunst der Moderne inzwischen von Nauens akademischer Porträt−Zeichnung von 1901 entfernt hat.

Die 20er Jahre − die wesentliche Zeit unserer Ausstellung − beginnen nach dem Ersten Weltkrieg plakativ mit Schmidt−Rottluffs großem in Holz geschnittenem Christus−Kopf. Exemplarische Bildnisse reihen sich nun aneinander, Beckmanns Radierung Die Gähnenden, Otto Dixens aquarelliertes Porträt Lorenz Nierendorf, Felixmüllers Zeichnung Mein Vater, Walter Opheys Geistlicher Herr, Karl Schwesigs Marineporträt, Gert Wollheims Theaterdirektor. Mit Felixmüllers Industriearbeiter, Franz Wilhelm Seiwerts Demonstration: Arbeit − Brot und Käthe Kollwitz' Gefangenen, Musik hörend wird das Gesicht der sozialen Unruhen und Kämpfe der 20er Jahren erkennbar, George Grosz steuert die Gesichter des Großbürgertums unter dem Titel Parasiten bei.

Das Gesicht der 30er Jahre wird mit Karl Schwesigs Häftlingsporträts von 1933 eingeführt. Hannah Höchs großes Gemälde Angst muß hier erwähnt werden ebenso wie Otto Pankoks Zigeunerbildnisse.

In der Nachkriegszeit rückt die internationale Moderne wieder ins Blickfeld. Picassos "Frauenbildnis" von 1955 steht für diese Entwicklung, die für die deutsche Kunst neue Entfaltungsmöglichkeiten bietet. Carl Barths Gemälde "Neptun" von 1961 und Horst Antes' Aquarell "Paar im Raum" von 1964, die unsere Ausstellung beschließen, können diese Entwicklung nur andeuten.

In den 100 Werken dieser Ausstellung, Köpfen, Gesichtern, Selbstbildnissen und Porträts blicken wir in das Gesicht fast eines ganzen Jahrhunderts, in ihnen spiegelt sich nicht nur die individuelle, sondern auch die gesellschaftliche Geschichte von Menschen. Wir blicken wir in das Gesicht des 20. Jahrhunderts − von Angesicht zu Angesichts.

only in german

Antlitz und Köpfe in der Kunst des 20. Jahrhunderts

Künstler: Jankel Adler, Horst Antes, Carl Barth, Max Beckmann, Gottfried Brockmann, Ernst Bursche, Otto Dix, Ewald Dülberg, Alois Erbach, Conrad Felixmüller, Walter Gramatté, Raoul Hausmann, Werner Heuser, Hannah Höch, Max Kaus, Käthe Kollwitz, Wilhelm Lachnit, Paula Lauenstein, Carl Lauterbach, Peter Ludwigs, August Macke, Jeanne Mammen, Heinrich Nauen, Emil Nolde, Walter Ophey, Otto Pankok, Pablo Picasso, Hans Rilke, Wilhelm Rudolph, Fritz Schaefler, Karl Schmidt-Rottluff, Karl Schwesig, Franz Wilhelm Seiwert, Gert Wollheim