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ANTIREPRESENTATIONALSIM folgt dem Vorschlag des amerikanischen Philosophen Richard Rorty, wir sollten unser Streben nach Wahrheit und Objektivität eintauschen gegen die Fähigkeit zur Empathie und eine Leidenschaft für sozialen Fortschritt.

Die ersten beiden Teile der Ausstellungstrilogie wollten zeigen, dass wir weder die Geschichte noch die Wirklichkeit einfach nur vorfinden, fertig und unverrückbar. Denn beide hängen von der Perspektive ab, die wir einnehmen. Sie sehen anders aus, je nachdem von wo man schaut. Dass verschiedene Bilder der Welt in der wir leben gleich richtig sind, daraus zieht ISSUES OF EMPATHY die Konsequenz, die auch Richard Rorty zog: Statt uns zu sorgen, ob unsere Repräsentationen der gesellschaftlichen Realität mit dieser auch überein stimmen, sollten wir uns lieber darum sorgen, wie diese Gesellschaft solidarischer wird als sie derzeit ist.

Empathie ist die Fähigkeit, uns in die Position und die Gefühle eines anderen Menschen hinein zu versetzen und die Welt aus dessen Sicht zu sehen. Dieses Einfühlungsvermögen galt Rorty als Voraussetzung jedes solidarischen Gemeinwesens. Unsere Empfindsamkeit zu trainieren, uns gegen das Leiden anderer aufzubringen und unsere sozialen Hoffnungen zu mobilisieren, war für ihn das einzig politisch relevante Projekt einer zeitgemäßen Philosophie. Für die Kunst könnte gleiches gelten. ISSUES OF EMPATHY spürt dieser Empfindsamkeit in einer historischen Situation nach, in der auf die massenhafte Mobilisierung sozialer Hoffnung 1989 allmählicher Perspektivverlust sowohl im Privaten als auch im öffentlichen Leben gefolgt war: Leipzig im zweiten Jahrzehnt nach der Friedlichen Revolution.

Die Kunst, die wir zeigen, notiert die zunehmende Entsolidarisierung der Menschen in Ost- wie in ganz Deutschland. Selten tut sie es direkt, die Sujets und Orte liegen oft woanders. Belgisch-Kongo, das urbane Athen, die Stilisierung der RAF, ein Berliner Stricherkino, Wunschproduktion im Internet. Im Überblick zeigt sich aber, so unsere Hypothese, wie genau diese Künstlergeneration die mentalen und die emotionalen Risse im Sozialen verzeichnet, die das zweite Nachwendejahrzehnt durchziehen. Nachdem der real existierende Sozialismus die Solidarität verriet, der er sich verdankte, und der Spätkapitalismus nicht einmal merkte, dass er auf gar kein Gemeinwesen mehr rekurrierte (drum seine Krise), blieb die Frage offen, welche Perspektive eine gesellschaftlich orientierte Kunst einnehmen könnte.

Vielleicht eine Perspektive der Nähe ohne Überbau. Eine Position geteilter Unsicherheit und Skepsis wie auch geteilter Sehnsucht. Die Nähe zu anderen, die Nähe zu einer Gemeinschaft, die Nähe zu Standpunkten, die gar nicht die eigenen sind, brauchen kein ideologisches Hinterland. Man fühlt sie oder man fühlt sie nicht. Solidarität, so Rorty, lässt sich nicht verordnen. Von keinem politischen Regime und von keiner philosophischen Ethik. Aber die Begegnung mit Literatur, Musik, Kunst, erlaubt und trainiert Gefühle solcher Nähe am Modell, im Schutzmantel ästhetischer Erfahrung. Der Schritt aus der Ästhetik in gelebte Solidarität bestünde darin, diese Erfahrung zu politisieren, was soviel hieße wie der eigenen Fähigkeit zur Empathie eine gesellschaftliche Dimension zu geben.

ANTIREPRESENTATIONALISM
Kuratoren: Alexander Koch, Nikolaus Oberhuber

I. POLITICS OF REDESCRIPTION
September 5 – October 10, 2009
Opening September 4, 6 pm

II. TROUBLE WITH REALISM
October 17 – November 21, 2009
Opening October 16, 6 pm

III. ISSUES OF EMPATHY
November 28, 2009 – January 15, 2010
Opening November 27, 6 pm

Künstler: Peggy Buth, Jan Caspers / Anne König / Jan Wenzel, Chat, Markus Dressen, Famed, Till Gathmann, Andreas Grahl, Henriette Grahnert, Lina Grumm, Mark Hamilton, Bertram Haude, Ramon Haze, Oliver Kossack, Andrea Legiehn, Thomas Lüer, Claudia Annette Maier, Schau-Vogel-Schau, Julia Schmidt, Tilo Schulz, Tina Schulz, Spector Cut+Paste, Mario Pfeifer, Ulrich Polster, Julius Popp, Christoph Weber, Clemens von Wedemeyer, Arthur Zalewski, Tobias Zielony