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Im Herbst 2002 realisierte der Künstler Andreas Siekmann im Rahmen des Ausstellungsprojektes ForwArt auf dem Place Royal in Brüssel ein Karussell, das sich gegen den Uhrzeigersinn des Kreisverkehrs um das Reiterdenkmal von Gottfried von Bouillon drehte. Auf großen roten Buchstaben am Dach des Karussells wurde die Existenz einer vierten Gewalt, der „Exklusiven“ angekündigt, die die drei bekannten Gewalten Legislative, Judikative und Exekutive ergänzt. Fest stehende und sich auf einer Stelle bewegende, lebensgroße menschliche Figuren und sechseckige Schilder zogen um das Monument.

Nachdem der Documenta11 -Teilnehmer Siekmann bereits 2002 im Salzburger Kunstverein eine Variante des noch unvollendeten Projektes Die Exklusive – Zur Politik des ausgeschlossenen Vierten zeigte, präsentiert er nun nach Brüssel und einer kurzen Station in Dresden (Ausstellung wurde von der Stadt verboten) in der Galerie Barbara Weiss eine neue Version des Werkes. Auf einer imaginären Drehscheibe sind an Eisenstangen einzelne der originalen Figuren und Bildtafeln des Karussells angebracht. Im Zentrum der imaginären Kreisscheibe steht ein Modell der Dresdener Version des Karussells, das sich auf dem Plattenteller eines Schallplattenspielers um sich selbst dreht. An der Galeriedecke hängen die roten Titel-Buchstaben des Karussells und zeichnen seinen äußeren Umriss nach. Ergänzt wird diese Installation durch Fotografien und Projektskizzen sowie eine Serie von sechseckigen Computerausdrucken, die thematisch geordnet an den Wänden angebracht sind. Diese illustrieren die Szenarien, aus denen die Figuren stammen könnten detaillreich und aus unterschiedlichen Perspektive.

Alle Bildmotive des Projektes thematisieren die Einrichtung von Zonen, in denen über den erklärten Ausnahmezustand unter anderem die Menschenrechte aufgehoben werden. Dies ist ein Zustand der Unentscheidbarkeit zwischen Fakt und Recht, der beispielsweise auf Abschiebeflughäfen, in Flüchtlingslagern, in Gefängniskomplexen, in den philippinischen Sweatshops, aber auch in jedem Polizeikessel oder in den roten Zonen der Gipfeltreffen von Seattle bis Genua herrscht. Auf dem Karussell in Brüssel begrüßten sich permanent beispielsweise die Präsidenten von Weltbank und IWF, verfolgte ein Grenzjäger, blockierten Polizisten mit ihren Schildern, warb ein Servicemann... In der Galerie sind nun die Figuren der Näherinnen zu sehen, die an der Herstellung von Turnschuhen arbeiten, sowie ein Flüchtling mit Papieren und ein Grenzpolizist. Die historischen Figuren Dantes und Vergils sind die zentralen Protagonisten und das Leitmotiv des gesamten Werkkomplexes. Wie auch in der historischen Vorlage, Dante Alighieris Göttlicher Komödie (1311-21) können sie als Erzähler und Betrachter durch alle Zonen gehen, die den Kreisen des Fegefeuers und der Hölle entsprechen. In den Computerzeichnungen von Andreas Siekmann wird die geisterhafte Präsenz von Dante und Vergil durch weiße Umrisslinien angedeutet, die sich als oberste Schicht über die pittoresken, häufig mit kunsthistorischen Referenzen versehenen Bildmotive legen.

Anders als in seinen früheren umfangreichen Erfahrungen mit dem Medium Zeichnung, dem Soonsbek 1993-Projekt Platz der permanenten Neugestaltung, in dem Andreas Siekmann die Ideen der Anwohner eines städtebaulich „toten“ Platzes in alternative Entwicklungsvorschläge einfließen ließ, die in Form von 160 Zeichnungen auf dem Platz gezeigt und zur Diskussion gestellt wurden, und im über 200 Blätter umfassenden Werk Aus: Gesellschaft mit beschränkter Haftung, ausgestellt im Portikus und auf der Documenta11, sind die sich aus hunderten von Farbflächen zusammensetzenden Bilder in Die Exklusive – Zur Politik des ausgeschlossenen Vierten nicht mehr im eigentlichen Sinne gezeichnet, sondern per Mouseklick mit dem Computer erstellt. Siekmann zeichnet die Bilder in WORD und setzt damit die Diskussion um die Typisierung und Standardisierung von Zeichensprache als Reflex gesellschaftlicher Machtverhältnisse fort, wie sie auch in den Zeichnungsserien von Aus: Gesellschaft mit beschränkter Haftung thematisiert wurden. Diese Verhältnisse werden nun mit der Mechanik eines Karussells im öffentlichen Raum aufgeführttt .

Ausstellungen seit 2001 (Auswahl) 2001 "Hier baut die Firma Petit à Petit ...", Ein Projekt im Rahmen der Bundesgartenschau Potsdam 2002 Die Exklusive. Zur Politik des ausgeschlossenen Vierten, Salzburger Kunstverein; Documenta11, Kassel; ForwArt, Brüssel; Hier ist dort 2, Secession, Wien; Stories. Erzählstrukturen in der zeitgenössischen Kunst , Haus der Kunst, München 2003 The Structure of Survival , 50. Biennale Venedig, Arsenale 2004 Ex Argentina. Schritte zur Flucht von der Arbeit zum Tun, Museum Ludwig, Köln

Aktuelle Ausstellungen Wie wollen wir regiert werden?, Institut Barri Besos, Barcelona (produced by MACBA); 22. September – 7. November; Col-leccio MACBA, Museu d'Art Contemporani de Barcelona, 15. Oktober 2004 – 23. Januar 2005; How do we want to be governed? (Figure and Ground) , Miami Art Central, 30. November 2004 – 30. Januar 2005

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Andreas Siekmann Aus: Die Exklusive - Zur Politik des ausgeschlossenen Vierten