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Der Hallesche Bildhauer ist mit seinen Holzskulpturen und Holzschnitten unter dem Titel MORTELS AND MONSTERS in den Räumen des PackHofes zu Gast. Sterbliche und Ungeheuer also sind das, die uns hier in Gestalt von Säbelzahntigern, Fledermauswesen, Kängurus, Teufelsgestalten und Wilden Männer begegnen. Auf uns wirken sie ein wenig verstörend, denn sie sind physisch stark präsent und erzeugen eine Atmosphäre des bizarr Wilden, vielleicht sogar die des animalisch Triebhaften. Dennoch attackieren sie uns nicht wirklich, obwohl die zweiköpfigen Säbelzahntiger ihre Reißzähne zeigen und bärtige Männer ihre Pistolen in den Raum halten. Sieht man sie sich intensiver an, ist die leicht ironische Darstellungsweise des Bildhauers zu spüren; oftmals sind die Monster mit dem Holzstamm verwachsen und somit in ein Nirgendwo verbannt. Sie verkörpern vielmehr Gesten und Haltungen, als dass sie in Aktion sind und ihr Umfeld angreifen. Ihre seltsam archaische und sogleich naturalistische Erscheinung erinnert an etwas Tatkräftiges, an etwas „Womögliches“. Es wird ihr Wesenhaftes „angehalten“ und wie im Märchen warten sie auf ein Zauberwort, um zu reißen, zu erschrecken, zu zerstören – kurz, um unsere Ahnungen und Vorstellungen vom evolutionären Kampf der unkontrollierten Triebe auszuleben. Sind die verdrängten, abgründigen Ängste, Hoffnungen und Gelüste die in unserem kollektiven und im individuellen Unbe-wussten lauern, der Zauberstab für die Erlösung dieser Geschöpfe aus ihrer Starre und unsere Blicke bringen dann ihre Erweckung? Sind ihre Triebe das absolut Böse an sich, das Vernichtende – oder eher das in uns hausende Streben eines Überlebenswillen, dem schließlich egal ist, mit welchen Energien er sich durchsetzen kann?

Seine Hybriden aus Realismen, mittelalterlichen Bildprogrammen und Alliendesign haben Verwandte und Gleichgesinnte in der Vergangenheit und Gegenwart. Diese sind in den christlichen Höllendarstellungen, in Märchen und Mythen zu Hause und agieren heute quicklebendig in Fantasy- und Sciencefictionfilmen, in Computerspielen, im Spielzeugregal der Kinder, im Bilderkanon und in den Posen von Metal Bands, in obskuren Satanszirkeln, in den Tattoo-studios, in unseren Träumen und in den Beichten auf der Couch des Psychoanalytikers. (Diese Aufzählung ließe sich noch fortsetzen.) Das heißt: der Chor der Bedrohungen lauert immer und überall, er wandelt nur seine Erscheinungsform. Im “Wildpark“ zum Beispiel klettern verhüllte Kämpfer mit Maschinenpistolen die Wände hoch. Dort hängen schon Burkabartköpfe gleich unheimlichen Trophäen und ein Knabe dirigiert den Tiger. (Der Knabe wiederum tritt uns auch als Einzelfigur auf einem schwarzen Sockel mit dem geheimnisvollen Titel „Vokuhila“ gegenüber. Der bedeutet ironisch profan „Vorne kurz und hinten lang“ und steht für einen Haarschnitt, speziell für Männer, aus den Achtzigerjahren.) Diese Säbelzahntiger tauchen in den Szenarien immer wieder auf. Sie sind für den Künstler so etwas wie das Selbstopfer der Evolution, da sie wohl zu stark bewaffnet waren, um sich den wandelnden Umweltbedingungen anzupassen und schließlich ausstarben. Wiederum andere Motivgruppen aus seinem umfangreichen bildhauerischen Werk könnten einem entfesselten Labor eines modernen Frankensteins entsprungen sein, so rätselhaft und absonderlich sind diese Menschen und Tiere mit euterartigen Auswüchsen.

In den vorgestellten Holzschnitten nimmt Jan Thomas unmittelbar Bezug auf die Zeichnungen von Sandro Botticelli (1415 – 1510) zur „Göttlichen Komödie“ von Dante Alighieri (1265 – 1321). Besonders interessiert er sich für die Teufels- und Fabelgestalten, die voller Leichtigkeit Gebärden des Bedrohens und des Malträtierens einnehmen. Aus dem bildnerischen Kontext herausgelöst werden sie zu emblematischen Zeichen. Sie behaupten sich an ihrem, ihnen zugewiesenen Ort der Hölle und erfüllen so eine Mission, die im christlichen Weltenplan notwendig ist.

(Wir erinnern uns, dass Luzifer der „Oberteufel“ vor seinem Sturz in die Hölle ein Engel in unmittelbarer Nähe Gottes war, nun in der Unterwelt sein eigenes Reich aufbaute und im Plan Gottes seinen Platz hat.) Ab und an zeigen Satan, Luzifer und Beelzebub oder wie sonst die Höllengestalten bezeichnet werden, in den Holzskulpturen ihre Hörner oder Tierhufe. So gemahnen sie, gewissermaßen incognito, an das Höllenreich, das wiederum im christlichen Sinne ein Ort des ewigen, qualvollen Lebens ist. In anderen Mythen, wie zum Beispiel im Altägyptischen oder im Buddhistischen, kann die Unterwelt ein Ort des Durchgangs oder der Katharsis für die zu prüfende Seele des Verstorbenen sein. Daraus ergibt sich vielleicht die Frage, welcher Ort ist dann ein Ausstellungsraum, in dem wir den Dienern und Wächtern der Unterwelt, es kann auch die Unterwelt unseres Seelenhaushaltes sein, gegenübertreten? Die Antwort kann wohl nur der Betrachter ahnen, wenn er spürt, dass unser zwanghaft kontrollierter Vitalitätshaushalt sich gern diesen anderen Seiten nähert, wissend und unwissend zugleich.