press release only in german

Eröffnung: Donnerstag, 18. September 2008

AN TE LIUS raumgreifende S k u l p t u ren und Installationen bestehen häufig aus handelsüblichen elektrischen Geräten zur Luftreinigung und -befeuchtung. Im Ausstellungsraum neben- und übereinandergestapelt wirken sie mit ihrem schnörkellosen Design, den Luftschlitzen, Lamellen und den kühlen Weiß- und Grautönen der Gehäuse wie Modellbauten der architektonischen Moderne – funktionale Häuserblocks und Gebäudekomplexe, wie sie urbanistischen Planungen entsprungen sein könnten, die der Idee des “Neuen Bauens” anhingen. Dessen prominenter Vertreter Le Corbusier setzte die Vorstellung von einer besseren Wohn- und Lebensqualität durch funktionale Formen, das Öffnen für Licht und Luft und damit verbesserter Hygiene mit seinem Aufsehen erregenden Entwurf der “Ville Radieuse” exemplarisch um. Wenn An Te Liu im Rahmen der Arbeit Airborne (2000) von einer Vielzahl funktionierender Luftreiniger und -ionisatoren die Luft im Galerieraum tatsächlich innerhalb kürzester Zeit komplett umwälzen und reinigen lässt, und aufgrund des enormen Stromverbrauchs eigentlich Umweltverschmutzung betreibt, wird seine Skulptur zum kritischen Kommentar auf das inzwischen vielerorts ins Wahnhafte gesteigerte Streben nach Raumhygiene.

Bezüge zum historischen Modernismus, dessen Formenrepertoire der Künstler vorzugsweise nutzt, gehen in An Te Lius Arbeiten fließend in fiktive Zukunftsszenarien über, wenn er, wie bei Cloud (2008), eine Ansammlung von Luftfiltern und Ionisatoren auf einer Platte montiert im Raum schweben lässt, so dass diese wie eine futuristische Weltraumstadt wirken, oder gleich einer Armada von Raumschiffen die Galaxis gegen einen Angriff der Killermikroben zu verteidigen scheinen.

Auch Lius neues Berliner Werk M a t t e r (2008) setzt sich mit den Begriffswelten von Reinheit und Schmutz auseinander. Diesmal werden die in der Umgebungsluft befindlichen Schmutz- oder Staubteilchen zum Mittelpunkt einer filmischen Installation, die wie eine wissenschaftliche Versuchsanordnung wirkt: ein kleiner Teil des abgedunkelten Ausstellungsraums wird hell ausgeleuchtet und von einer Kamera gefilmt, die Bilder der in der Luft schwebenden Partikel auf zwei große Projektionsflächen überträgt. Die in Einzelbilder zerlegten Aufnahmen werden jedoch in unterschiedlicher Taktung projiziert – die eine zeitgleich, die andere mit halber Geschwindigkeit – so dass sich während der Dauer der Ausstellung eine immer größere Diskrepanz zwischen den Projektionen, aber auch dem Gefilmten und dessen einer Übertragung herausbildet. Dass es sich bei der Kamera um ein Überwachungsmodell handelt, suggeriert, dass eine unsichtbare ‘Gefahr’ in den Weiten des Raumes lauern könnte – womit An Te Lius Arbeit das komplexe Feld der spannungsreichen Beziehungen zwischen Glauben und Wissen betritt.

AN TE LIU *1967 in Taiwan, lebt und arbeitet in Toronto. Er studierte Kunstgeschichte am Victoria College, University of Toronto und Architektur am Southern California Institute of Architecture in Los Angeles. Ausstellungen u.a.: Style and Epoch, MKG 127, Toronto (2008); 11. Architektur-Biennale Venedig (2008); 136 and Counting, SFMOMA, San Francisco (2008); Figuration in Contemporary Design, The Art Institute of Chicago (2008); Pattern Theory, MKG 127, Toronto (2007); Modelle für M o rgen: Köln, European Kunsthalle, Köln (2007); S t re e t, Witte de With, Rotterdam (2006). Derzeit ist An Te Liu als Stipendiat des Canada Council for the Arts, Ottawa, und der Botschaft von Kanada, Berlin im Rahmen des Internationalen Atelierprogramms im Künstlerhaus Bethanien zu Gast.