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„Der erste Eindruck ist grundsätzlich verschieden von dem, wenn das vom Beobachten müde Auge ausruht.“ (Medardo Rosso: Vom Impressionismus in der Skulptur, 1901)

Die Oberfläche eines Gegenstands ist einladend oder abweisend, unscheinbar oder aufregend. Sie ist der erste Eindruck. Sie lädt uns ein, zu betrachten, zu begreifen und zu interpretieren. Die Ausstellung zeigt, wie sich die Oberfläche und ihre Bedeutung in der Skulptur im Laufe der Zeit verändert hat. Sie präsentiert markante Beispiele des 20. Jahrhunderts mit Schlüsselwerken der Wegbereiter der Moderne, wie Medardo Rosso, Auguste Rodin, Wilhelm Lehmbruck, Constantin Brâncuși, Max Bill, Mary Vieira, um von hier das Thema für die heutige Zeit in den Fokus zu rücken: Wohin führt uns die Oberfläche eines Kunstwerks? Was erzählt sie uns vom Prozess des Entstehens, von der Hand der Künstlerin und ihrer Intention? Welche Ideen bringt die Außenhaut eines Kunstwerks hervor und was verbirgt sich unter der Oberfläche?

Zu den prominentesten Werken der Ausstellung gehört die lebensgroße, vollplastische Bronzeskulptur „Eva“ von Auguste Rodin (1881) und die intime, frühe Wachsskulptur „La Portinaia“ (1883/84) von Medardo Rosso, dem „Bildhauer des Lichts“. Mit Werken von Künstlern aus Ländern wie den USA, Großbritannien, Spanien, Belgien und Finnland zeigt die Ausstellung, wie Oberflächen unser Verhalten in der Welt der Dinge bestimmen. Sie aktivieren unser visuelles Gedächtnis und unsere taktilen Sinne. Sie sind es, die unser Vorstellungsvermögen und unsere Erfahrungsspeicher ansprechen, Emotionen wecken und einen Prozess der Bedeutungsgenerierung in Gang setzen. Positionen des 21. Jahrhunderts markieren Werke von Georg Baselitz mit seiner monumentalen BDM Gruppe, Julian Opie, Carsten Nicolai, Janet Cardiff und George Bures Miller, Rebecca Horn und Berlinde De Bruyckere.

Für die Skulptur des 20. und 21. Jahrhunderts betreten wir mit der Ausstellung weitgehend Neuland. Inspiriert ist die Ausstellung von der allgegenwärtigen Präsenz der Oberflächen digitaler Geräte, von der Ästhetik der Glätte und dem Wunsch, die Oberfläche zu durchdringen. Der Titel spielt mit den unterschiedlichen Assoziationen des Begriffes Oberfläche: Es geht vor allem um die Manifestation der Oberfläche eines Kunstwerks als eine seiner wesentlichen künstlerischen Qualitäten. Die zweite Lesart, die im Titel mitschwingt, ist die des Oberflächlichen – das, was sich einer tiefer gehenden Bedeutung zunächst zu verweigern scheint. Das Oberflächliche ist das unmittelbar Erfassbare, es ist der erste Eindruck, der in der Erinnerung haften bleibt.

Seit der Überlieferung erster Zeichnungen und Höhlenmalereien sind die Oberflächen Träger von Botschaften, in denen sich die Werte einer Kultur vermitteln. Dies gilt für die alltäglichen Oberflächen und ebenso für die Oberflächen eines Kunstwerkes. In der künstlerischen Gattung der Skulptur ist die Oberfläche einer der zentralen Bedeutungsträger des Werkes. Oberflächen, ihre Beschaffenheit und Materialien sind aufgeladen mit unterschiedlichen Konnotationen, an ihnen entzünden sich nicht nur ästhetische Debatten, sondern sie vermitteln die repräsentativen Ansprüche des Werks.