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Eröffnung Freitag, 28. März 2008, 19.00 Uhr

Wir freuen uns, vom 29. März bis 26. April 2008 eine erste umfassende Einzelausstellung der Arbeiten von Amy Granat in Deutschland präsentieren zu können.

Die formal höchst heterogenen Arbeiten von Amy Granat können als Reflexion der Binaritäten des künstlerischen Produktions- und Erfahrungsprozesses verstanden werden. Ausgangsmaterial ihrer Arbeiten sind zumeist 16 mm Filme und belichtete Fotopapapiere, die sie manuell weiter behandelt. So wird das Filmmaterial durch den Einsatz von Säure verändert oder durch das Verkratzen und Punktieren in seiner Integrität zerstört. Die zunächst als destruktiv anzusehenden Arbeitsprozesse, die stark in das Ausgangsmaterial eingreifen, verdeutlichen sich allerdings bald als produktiv gewendete Versuche der Neuinterpretation der Ausdrucksmöglichkeiten und des Bedeutungsraumes des Mediums Film und Fotografie.

Granat folgt in ihrem Werk einem konzeptuell gewendeten Umgang mit binären Positionen, wie etwa der Konfrontation von mechanischen und individuellen Arbeitsprozessen, der Gegenüberstellung von intentionalen und zufälligen Bildfindungen, Destruktion und Konstruktion, Absenz und Präsenz von Figürlichkeit und Dreidimensionalität. Daraus ergibt sich ein vielschichtiges Werk, das den Betrachtungsprozess selbst zum Thema hat. Die fortwährende Negation einer strukturellen Ordnung, die sich durch den Zusammenschluss der binären Pole immer wieder in Frage stellt, evozieren in ihren Filmen und fotografischen Arbeiten eine Unsicherheit im Bezug auf die Zuschreibung der Arbeiten zu einem eindeutig bestimmbaren medialen Kontext. Zum einen vermitteln die Filme und fotografischen Arbeiten, die zumeist in einem installativen Kontext bewusst atmosphärisch präsentiert werden, den Eindruck, klassischen Vermittlungswegen des Cinematographischen zu folgen. Dem entgegen steht die bewusst sichtbar gemachte materielle Präsenz des Ausgangsmaterials selbst, des synthetischen Filmträgers und der Chemikalien, die zur Bilderzeugung notwendig sind. Die Erzeugung von Illusion und deren Brechung zugunsten der Offenlegung der Trägerschichten der Erschaffung von narrativen oder rein evokativen Welten durch das Medium Fotografie werden hierbei zeitgleich zum Thema und verkomplizieren die Werkerfahrung für den Betrachter nachhaltig. Diese Dissoziation der visuellen Wahrnehmung, die Granats Arbeiten provozieren, bezieht den dreidimensionalen Raum der Präsentation, Sound und die heterogenen Zugangsweisen des Betrachters zu künstlerischen Artefakten oftmals mit ein. Eine weitere thematische Auseinandersetzung verdeutlichen die Arbeiten Granats im Bezug auf ihre Verortung innerhalb der Parameter Original – Reproduktion. Wird das Medium Film und Fotografie zumeist im Bereich des Reproduzierbaren verortet, so kontert Granats Werk diese seit den 1960er Jahren vielfach in Frage gestellte Zuschreibung auf eine höchst doppelbödige Weise. Auf einer ersten Ebene sind ihre Arbeiten reproduzierbare filmische und fotografische Werke, die durch den Einsatz zufälliger und intentionaler Variationen Originalität und Einzigartigkeit erlangen. Daher ist eine Aufladung der Werke mit dem, was für Walter Benjamin die auratische Wertigkeit der Kunst bezeichnet, gegeben, indem die rein reproduzierte Abbildlichkeit keine Rolle spielt. Der manipulative Umgang mit den Medien Film und Fotografie folgt kunsthistorisch der amerikanischen Tradition des Avantgarde-Kinos der 1960er und 1970er Jahre, etwa dem von Paul Sharits oder Stan Brakhage. Jedoch setzt Granat die bereits hier präsente manuelle Bearbeitung des filmischen Ausgangsmaterials weiter fort. Immer wieder kombiniert Granat in ihren Arbeiten älteres, bereits in anderen Kontexten verwendetes Material zu neuen Konglomeraten. Das Bezugsfeld dieser Neu-Setzungen wird zumeist durch die bewusste situative Anbindung an die Bedingungen des Ausstellungsraumes angepasst. Diese Strategie der permanenten Neuinszenierung und der fortwährenden Veränderung der Wertigkeit des einzelnen Werkes als singuläre Arbeit oder als Teil eines komplexeren installativen Bezugsfeldes hinterfragt den Status des Kunstwerkes als Original. Die Vorstellung eines Kunstwerkes als Unikat, die sich immer auch an das Verständnis einer auratischen Qualität von Kunst anschließen lässt, wird im Rahmen dieser fortwährenden Neuordnung und Umwidmung der einzelnen Arbeiten radikal in Frage gestellt. Im Sinne von Bourriauds Begriff der ‚postproduction’, des konzeptuellen Einsatzes kulturell konnotierter Artefakte und Werke von Künstlern im Werk eines anderen, muss Granats kreative Strategie als hermetische und selbstbezügliche Variante dieser Produktionsweise verstanden werden, die sich immer wieder an den selbst geschaffenen Werkkomplexen bedient. Durch die Verwendung und den Einsatz des eigenen Werkes in immer neuen künstlerischen Kontexten unterläuft Granat die Idee des Originals und verortet ihre künstlerische Praxis zugleich als auf den prozeßhaften Charakter der Kunst hin ausgerichtete Arbeitsweise. Über diese konzeptuell fundierte Vermittlungsstrategie hinaus erscheinen Amy Granats Arbeiten als Setzungen, die sich das kritische Potential der ästhetischen Intervention in unsere Sehgewohnheiten emphatisch zu Eigen machen. Die Vitalität ihrer Arbeiten und das Zutrauen in die Inszenierbarkeit komplexer visueller Erfahrungsprozesse schließt ihre Intentionen an das an, was Franz Werfel als positives Vermögen des Mediums Film kennzeichnete.

„Der Film hat seinen wahren Sinn, seine wirklichen Möglichkeiten noch nicht erfasst... Sie bestehen in seinem einzigartigen Vermögen, mit natürlichen Mitteln und mit unvergleichlicher Überzeugungskraft das Feenhafte, Wunderbare, Übernatürliche zum Ausdruck zu bringen.“

Das dem Medium Film eigene Potential, das hier zum Beginn seiner historischen Entwicklung als Massenmedium eingefordert wird, beantwortet Granat durch das kritische Vermögen der zeitgenössischen Re-Inszenierung der Grundparameter des Fotografischen, ohne deren visuelle Energie zu negieren.

Amy Granat wurde 1976 geboren und lebt und arbeitet in New York City.

Ihre Arbeiten sind zur Zeit auf der Whitney Biennial 2008 in New York zu sehen und wurden unter anderem bei P.S. 1 Contemporary Art Center, New York, LH Gallery, Paris, The Contemporary Art Center Cincinnati, Cincinnati, Ohio, Centre international d’art et du Paysage de l’ile de Vassiviere, Frankreich, und gemeinsam mit Drew Heitzler und Olivier Mosset, Wallspace Gallery New York, USA präsentiert.

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Amy Granat
Kurator: Felix Ruhöfer