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Und ich weiß keinen, der das moderne Gesicht des Machthabenden so bis zum letzten Rotweinäderchen erfasst hat wie dieser eine. Das Geheimnis: er lacht nicht nur, er haßt. Das andere Geheimnis: er zeichnet nicht nur, sondern zeigt die Figuren mit ihrem Lebensdunst, ihrer gesamten Lebenssphäre in ihrer Welt, schrieb Kurt Tucholsky Anfang der Zwanziger Jahre über den Maler George Grosz.   In ihrer gesellschaftskritischen Treffsicherheit sind dessen Gemälde und Zeichnungen bis heute von einzigartiger Prägnanz - und ganz besonders in einer künstlerischen Gegenwart, in der motivische Unverbindlichkeit zusehends mit Originalität verwechselt wird. Während der Hunger nach farbiger Wildheit, grell-schräge Themen oder äußerste gestalterische Reduzierung die zeitgenössische Kunst dominieren, sind politisch engagierte Themen seit Jahren ins Abseits der modernen Malerei geraten.   Um sowohl die bedeutsame Tradition als auch die unverminderte Aktualität einer im politischen Engagement verwurzelten Malerei in den Blick zu bringen, präsentiert die Galerie Thomas Zander den "Klassiker" George Grosz im Zusammenspiel mit dem russisch-georgischen Künstler Alexander Djikia.   Verbindendes Thema der Ausstellung ist eine künstlerische Position, die den individuellen Menschen grundsätzlich als gesellschaftliches Ereignis begreift, sogar in seiner Nacktheit.   Während George Grosz (1893-1959) seine künstlerische Positionierung in den Jahren des Ersten Weltkrieges und der daraus folgenden Weimarer Republik entwickelte, erarbeitete Alexander Djikia (Jahrgang 1963) sein bildnerisches Konzept in der repressiven gesellschaftlichen Situation der ehemaligen UdSSR und im Zuge der schwierigen Übergangsphase während der Öffnung des sogenannten Eisernen Vorhangs. Ausgehend von der Ein-Sicht, dass der Mensch schlecht ausgerüstet ist für das Abenteuer zwischen Geburt und Tod, verbinden beide Künstler den Blick auf die soziale Härte der Gesellschaft mit einer grundsätzlichen Absurdität, die unausweichlich am menschlichen Leben klebt.   Im Mittelpunkt der kleinen, präzisen akzentuierten Auswahl mit Arbeiten von George Grosz stehen die Ölgemälde: "Selbstbildnis mit Akt" (von 1939) und "Die Frau im schwarzen Mantel" (von 1927). Die beiden Werke zeigen Grosz zum einen als äußerst sinnlichen Maler (für den der Körper stets der Dreh- und Angelpunkt auf dem Schlachtfeld der Gesellschaft war), zum anderen als "unverschämt" genauer Beobachter des Menschen in seiner alltäglichen Erscheinung. Daneben sind zahlreiche Aktskizzen, sorgfältige zeichnerische Menschenstudien im Stile der Neuen Sachlichkeit und eine Tuschevorzeichnung für die Mappe "Die Räuber" (1922 im Malik-Verlag erschienen) zu sehen, die wie viele andere Werke des Malers in der Weimarer Republik für Skandale und Gerichtsprozesse sorgte.   Für George Grosz, der 1893 als Georg Ehrenfried Groß in Berlin geboren wurde, war der (üppige) Körper stets der Mittelpunkt seiner (künstlerischen) Aufmerksamkeit: als Ort der Gewalt und als Ort der Verführung, Schauplatz brutaler Herrschaftsinteressen und unauslöschbarer Sehnsüchte. Die Aktzeichnung blieb sein Leben lang die Grundlage eines Werkes, das sich neben seiner thematischen durch auch eine enorme stilistische Vielfalt auszeichnet. Dada, Expressionismus, Neue Sachlichkeit sind Facetten einer künstlerischen Haltung, deren paradoxe Liebe zum Menschen vor allem im Blick auf seine Abgründigkeit liegt. Mit schonungsloser Unverfrorenheit rückt er seinen Figuren auf den Leib und gibt zeichnend und malend seine Antwort auf die Erfahrung, dass die Menschen so sind wie sie sind: so nackt, so hässlich, so schön, so gewalttätig, so verletzlich und so ausdrucksstark wie die Wirklichkeit in ihrer ganzen Widersprüchlichkeit.   Grosz, der bereits 1933 mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Deutschland in die USA übersiedelte, kehrte Ende 1958 wieder nach (West-)Berlin zurück, wo er am 6.Juli 1959 starb.   Alexander Djikia, 1963 in Tblissi (Georgien) geboren, studierte an der Hochschule für Architektur in Moskau. Schon vor der Zeit des sogenannten Glasnost entwickelte er in den Nischen des kommunistischen Staates seinen sozialkritischen expressiven Realismus, nicht zuletzt beeinflusst durch die radikal-kritische Darstellung gesellschaftlicher Ungerechtigkeit im deutschen Expressionismus. In seinen Bildern erscheint der Mensch immer als eine Art Opfer, für das es auf dem Schlachtfeld der herrschenden Verhältnisse kaum eine Wahl zu geben scheint. Wie für Grosz ist sein Ausgangspunkt die individuelle Dramatik eines Menschen, der sich auf dem Kampfplatz des Alltags in jeder Minute behaupten muß. Dieser Mensch steht zu allererst mit einem Körper in der Welt, dessen nackte Erscheinung (oft in blauer oder roter Färbung) bereits die ganze Gewalt, Unbeholfenheit, Einsamkeit und Verzweiflung seiner (sozialen) Lebens zum Ausdruck bringt.   Noch in Moskau fand der inzwischen in New York lebende Künstler zu einer Bildsprache, die einzelne Figuren beinahe karrikaturhaft aus ihrem Alltag herauslöst, um desto zugespitzter auf diesen hinzuweisen. Im Blick stehen die "einfachen" Leute, verkrachte Existenzen, unbeholfene Gewalttäter, hilflose Sieger, niedergeschlagene Verlierer, gefallene Götter und Engel, die Selbstmord begehen. Stets liegen Trauer und Melancholie über diesen Zeichnungen und Bildern von der Einsamkeit und Verlorenheit der menschlichen Existenz. Ebenso schlicht wie nachdrücklich erinnern die Kompositionen daran, dass der Mensch auch in der modernen globalisierten Welt noch immer des Menschen Wolf ist. Djikia will von dieser Tatsache nicht ablenken, auch wenn der (künstlerische) Zeitgeist eine andere Sprache spricht. Das mag pessimistisch erscheinen, doch vieles in der Welt ist schon lange nicht (mehr) zum Lachen. Pressetext

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Alexander Djikia und George Grosz